Jeff Goldblum (The Wonderful Wizard of Oz) und Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved
Jeff Goldblum (The Wonderful Wizard of Oz) und Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved

NEUE REZENSION
Wicked 2: For Good

Fortsetzung folgt… Als vor einem Jahr dieser Schriftzug am Ende von „Wicked: Teil 1“ auf der schwarzen Leinwand erschien, saßen viele mit dem Bühnenstück vertraute Zuschauerinnen und Zuschauer mit offenem Mund und völlig versunken im Kino. Völlig verblüfft und erstaunt über diese Musicalverfilmung, die im Gegensatz zu vielen anderen Exemplaren ihrer Gattung wider Erwarten nichts falsch gemacht hatte und einen mit all ihrer Wucht in den Kinosessel hineinzudrücken vermochte. Viele wären am liebsten gleich sitzen geblieben, um sich sofort im Anschluss den zweiten Teil anzuschauen, der aber noch ein ganzes Jahr auf sich warten lassen sollte.

Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved

Dass es in diesem zweiten Teil ungleich düsterer zur Sache gehen würde, erschien schon damals zwangsläufig: Die Feel-Good-Songs des Stückes wie „The Wizard and I“, „Dancing Through Life“, „Popular“ und „One Short Day“ waren schließlich mit Teil 1 aufgebraucht und mit „Defying Gravity“ war auch schon der große Hit der Show zu Leinwand gebracht. Auch die Themen des zweiten Aktes des Erfolgsstückes von Stephen Schwartz sind nur wenig heiter: Es geht um den mit Hinterlist herbeigeführten Tod der Schwester einer Hauptfigur, um geplatzte Lebensträume, um in der Kindheit erfahrene Traumata, die sich bis ins Erwachsenenalter auswachsen. Und natürlich geht es um Liebe – in einer Konstellation um unerwiderte Liebe und in einer anderen um beidseitige Zuneigung, die allerdings mit einem extrem hohen Preis versehen ist und zudem dauerhaft nur im Untergrund gelebt werden kann. Klingt nicht nach fröhlich-ausgelassener Musicalglückseligkeit.

Cynthia Erivo (Elphaba), Ariana Grande (Glinda) und Jeff Goldblum (The Wonderful Wizard of Oz) © Universal Studios. All Rights Reserved

Nun ist es endlich soweit: Ab dem 19.11.2025 können die vielen Fans des Stückes im Kino verfolgen, wie Regisseur Jon M. Chu seine „Wicked“-Adaption weitererzählt. Wie erwartet ist die Fortsetzung, die im Original „Wicked: For Good“ heißt, weitaus düsterer als der Vorgängerfilm geraten. Die Haltung indes ist die gleiche geblieben: Auch „Wicked: Teil 2“ bezieht eindeutig Stellung gegen Faschismus und Diktatur, ohne dabei den Anspruch zu erheben, ein politischer Film sein zu wollen, was dem Anliegen wiederum sehr gut tut. Ebenso wie in der Verfilmung des ersten Aktes zeigt Chu dabei alles, was ohnehin schon aus dem Bühnenstück bekannt ist und erweitert das Geschehen um Ideen, die das bislang im Theater Erzählte bereichern, ergänzen oder tiefgehender ausleuchten. Immerhin benötigt der Film 137 Minuten, wofür auf der Bühne nur gute 60 Minuten aufgewendet werden. So zeigt diese Fortsetzung etwa die Bauarbeiten der Yellow Brick Road, der gelben Ziegelsteinstraße, die das Regime von Oz, ähnlich wie beim Pyramidenbau in Ägypten, unter Zuhilfenahme von versklavten Arbeitskräften bewerkstelligt. Die Sklaven sind die in Oz unterdrückten Tiere. Untergrundkämpferin Elphaba, die ihre Angriffe aus der Luft führt, sabotiert diesen Bau und wird dabei wie eine Superheldin in Szene gesetzt. Dies fordert das Regime natürlich heraus und lässt die aufhetzende Propagandamaschinerie gegen die böse Hexe des Westens auf Hochtouren laufen. Eine zusätzliche Gegenreaktion ist, dass auch der Zauberer eine Hexe in seinen Diensten haben will, die des Fliegens mächtig ist. Daher lässt er mit großem Aufwand ein Fluggerät bauen, womit Glindas ikonische Bubble geboren ist. Madame Akaber, die um die Bedürfnislage von Glinda nur allzu gut weiß, fügt noch einen prachtvollen Zauberstab für die Repräsentantin des Regimes hinzu, um die diesbezügliche Illusion zu veredeln: allerbestes Zauberer-Handwerk also. Zudem zeigt der Film in ausladender Produktionsgröße Elphabas Versteck in einem Baumhaus und ihren späteren Zufluchtsort in der Festung Kiamo Ko, wo die Nummer „No Good Deed“ und auch der tränenreiche Abschied der beiden ungleichen Freundinnen angesiedelt sind.

Ariana Grande (Glinda) © Universal Studios. All Rights Reserved

Von besonders großem Interesse sind natürlich die beiden neuen Songs, die Komponist Stephen Schwartz der Verfilmung des zweiten Aktes hinzugefügt hat, zumal es jetzt schon als nahezu sicher gilt, dass beide für den Oscar als bester Originalsong nominiert werden. Für Elphaba hat Schwartz den hymnischen Song „No Place Like Home“ geschrieben, mit der ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Heimat zum Ausdruck gebracht wird, obwohl sie von Oz verstoßen worden ist. Bei dem Songtitel handelt es sich um eine Referenz an „The Wizard of Oz“ – dort war es Dorothy, die mit diesen Worten ihren Wunsch beschwörte, in ihre Heimat nach Kansas zurückkehren zu wollen. Dieses ikonische Zitat Elphaba in den Mund zu legen, ist eine besonders originelle Idee, um die zugrundeliegende Idee von „Wicked“ fortzuführen und noch weiter auszubauen. „The Girl in the Bubble“ hingegen ist eine zurückgenommene und zarte Ballade, mit der Glinda ihre Rolle im Regime von Oz und schließlich ihr ganzes Lebensmodell hinterfragt. Für Glinda stellt dieser Song, der filmisch mit einer digital hergestellten Plansequenz ohne erkennbaren Schnitt umgesetzt ist, den Wendepunkt in ihrem Leben dar. Sie wird danach nie mehr die Glinda sein, die sie vorher war – im Anschluss geht sie zum Äußersten und legt sogar schweres Schuhwerk an, um als schwarze Reiterin zum Zufluchtsort von Elphaba zu eilen. Beide Songs leisten große Beiträge zur Charakterisierung der beiden Hauptfiguren und stellen gesanglich große Herausforderungen an Cynthia Erivo und Ariana Grande, die von diesen zutiefst beeindruckend gemeistert werden. Ob die beiden neuen Songs allerdings in musikalischer Hinsicht dazu taugen, sich ebenbürtig in das bereits bestehende Songmaterial einzureihen, darf zumindest bezweifelt werden, da sich vor allem Elphabas Song eher durch Kalkül und weniger durch originelle Unverwechselbarkeit auszeichnet.

Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved

Der zweite Teil der „Wicked“-Verfilmung besitzt gegenüber dem ersten Teil ein hohes Maß an Eigenständigkeit, was zum einen an den bereits erwähnten ernsthafteren Themen und zum anderen an den filmischen Stilmitteln liegt, derer sich Regisseur Jon M. Chu bedient und die er prominent in Szene setzt. Neben der bereits erwähnten Plansequenz für Glindas neuen Song hinterlässt vor allem die Parallelmontage von Glindas Hochzeit und Elphabas Gang hinunter zu einem geheimen Verlies, in dem Tiere, u.a. Dr. Dillamond, auf schreckliche Art und Weise gefangen gehalten werden, einen besonders nachhaltigen Eindruck. Es ist zutiefst berührend, wie Glinda nach der hieran anschließenden Katastrophe in den Trümmern ihrer geplatzten Träume in Pink ziellos umherirrt. Auch bewusste Filmzitate setzt Chu ein: So etwa das Spiel mit der Weltkugel aus Charlie Chaplins „Der große Diktator“, nur dass hier der Zauberer den Ballon bewusst zum Platzen bringt, was dem gerissenen Trickbetrüger und Scharlatan ganz beiläufig und spielerisch die unterschwellige Gefährlichkeit eines Massenmörders verleiht. So gelungen Chu zitiert, so wenig Fingerspitzengefühl zeigt er, wenn er sich Anleihen bei filmischen Vorbildern nimmt. Einige Versatzstücke um die Macht aus dem Star-Wars-Franchise drängen sich leider nur allzu plump auf. Inszenatorisch ist ihm zudem vorzuwerfen, dass er für die Umsetzung des Liebesduetts „As Long as You’re Mine“ keine erkennbare Idee verfolgt. Dass er aus „No Good Deed“ ein visuelles Spektakel gemacht hat, bleibt hingegen letztendlich Geschmackssache. Ein bisschen weniger CGI-Getöse mit sich in der Luft zu einer Armee formierenden Affen hätte dieser Schlüsselszene des zweiten Aktes jedoch sicherlich auch ganz gut getan. Dies sind jedoch nur kleine Randbemerkungen zu einer Regieleistung, mit der Jon M. Chu zweifelsohne Großartiges geleistet hat. Auch in dieser Filmadaption vermag er ikonische Szenen zu kreieren: So wie sich aus dem ersten Teil der stumme Tanz von Elphaba und Glinda ins Bewusstsein gebrannt hat, wird vom zweiten Teil die herzzerreißend inszenierte Abschiedsszene zum titelgebenden Song „For Good“ bleiben. Ebenso wie in der Ozkothek kreist dabei die Kamera mehrmals in einer 360-Grad-Bewegung um Elphaba und Glinda. Nachdem sie sich das letzte Mal in ihrem Leben gesehen und voneinander verabschiedet haben, zeigt Chu beide gleichzeitig, wie sie hinter geschlossener Tür den endgültigen Verlust der Freundin beweinen.

Ariana Grande (Glinda) und Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved

Beide Hauptdarstellerinnen wissen in dieser Verfilmung erneut groß aufzutrumpfen. Den größeren darstellerischen Entwicklungsbogen hat diesmal Ariana Grande in der Rolle der Glinda zu spielen. Um deren Genese mit zusätzlichen Informationen zu untermauern, ist es diesmal ihre Kindheit, auf die in einer Rückblende geschaut wird. Dort erfährt man, dass es ihr sehnlichster Wunsch war, über magische Kräfte zu verfügen. Ihre Mutter gab ihr jedoch mit auf den Weg, dass sie alles habe, was sie brauche, denn sie sei schön und bei allen beliebt. In „Wicked: Teil 2“ muss Glinda nun erleben, dass ihr diesbezüglich perfektes Leben keinen glücklichen Menschen aus ihr gemacht hat, so dass sie – notgedrungen – ihren vielen Selbstlügen ins Auge blicken muss. Die Art und Weise, wie Ariana Grande diesen Schatten in ihrem Leben auf die Leinwand bringt, ringt allerhöchsten Respekt ab. Schon zum zweiten Mal, denn auch das komödiantische Talent, mit dem sie im ersten Teil brillierte, haben ihr seinerzeit nicht viele zugetraut. Hiervon kann sie diesmal etwas in der Catfight-Szene zeigen, in der sich Verletzungen und Wut Bahn brechen und Glinda und Elphaba aufeinander losgehen. Der Film hält im Übrigen die Hoffnung bereit, dass es doch noch mit Glindas Wunsch klappen könnte, über magische Kräfte zu verfügen, denn zum Schluss des Films öffnet sich der Grimmerich vor ihr. Für Elphaba hingegen geht es diesmal darum, die Konsequenzen aus den Erfahrungen und Entscheidungen zu ziehen, die sie im ersten Teil machte. Sie bricht mit Nessarose, kämpft vorbehaltlos für die unterdrückten Tiere und will das Regime des Zauberers stürzen. Cynthia Erivo spielt und singt den Part mit großer Intensität und fantastischer Stimme. Sehr eindringlich zeigt sie Elphabas Entschlossenheit, aber auch ihre Einsamkeit, Verletzlichkeit und Enttäuschung.

Cynthia Erivo (Elphaba) und Jonathan Bailey (Fiyero) © Universal Studios. All Rights Reserved

Es ist Fiyero, der dafür sorgt, dass ihr etwas widerfährt, womit sie nicht mehr gerechnet hat: bedingungslose Loyalität und Liebe. Jonathan Bailey stellt glaubhaft Fiyeros Entwicklung vom oberflächlichen und vergnügungssüchtigen Rich Kid zur ernsthaften Persönlichkeit heraus und macht nur am Anfang noch gequält gute Miene zum bösen Spiel des Regimes. Marissa Bode gibt Nessarose mit verhärmter Strenge einer einsamen Regentin. Als Moq sie verlassen will, wird sie endgültig zur Despotin und verbietet sämtlichen Manschkins die Ausreise aus ihrem Land. Ab diesem Moment ist er nicht mehr nur Gefangener seiner selbstgewählten Lüge, sondern auch noch Gefangener von Nessarose. Ethan Slater spielt sehr schön Moqs Verzweiflung und Hilflosigkeit. Als Blechmann wird Moq später den Mob gegen Elphaba anführen. Auch diesmal vermag Michelle Yeoh nicht mit ihren Sangeskünsten zu überzeugen, ihre Performance als wahre Bösewichtin von Oz ist jedoch hinreißend, vor allem in den vielen kleinen Nuancen, über die ihr Spiel verfügt. So wird deutlich, dass Madame Akaber im Gegensatz zum Zauberer wirklich bösartig ist. Jeff Goldblums Zauberer gewinnt in dieser Fortsetzung merklich an Kontur. Die lässige Geschmeidigkeit, mit der er den opportunistischen Hochstapler ohne moralischen Kompass gibt, macht die Figur spannend und unberechenbar. Auch Pfanny und Schön-Schön kehren zurück; sie gehören nun in Emerald City zum Beraterteam von Glinda. Wie sehr Bowen Yang und Bronwyn James ihr Mitwirken im Film genießen und Spaß an ihren Rollen haben, wird auch diesmal mehr als deutlich.

Ariana Grande (Glinda) und Cynthia Erivo (Elphaba) © Universal Studios. All Rights Reserved

In der allerletzten Einstellung des Films zeigt sich nochmals deutlich die Liebe und Sorgfalt, mit der das Bühnenstück mit den nunmehr zwei vorliegenden Filmen auf die Leinwand gebracht worden ist. Die Rückblende auf vergangene glückliche Tage in der Jugend ist eine Referenz an das Motiv des Original-Logos der Broadway-Produktion von „Wicked“, auf dem Glinda hinter vorgehaltener Hand Elphaba etwas ins Ohr flüstert. Auch nach dem zweiten Teil der „Wicked“-Verfilmung ist und bleibt zu konstatieren, dass man ein Musical nicht besser für die Leinwand adaptieren kann als es hier geschehen ist. Universal und Jon M. Chu haben mit zwei prachtvollen Filmen einem der erfolgreichsten Musicals der Gegenwart ein würdevolles Denkmal gesetzt, das bereits jetzt seinen festen Platz im popkulturellen Bewusstsein eingenommen hat.

 
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