Ensemble © Matthias Jung
Ensemble © Matthias Jung

Simply The Best (2024)
Theater Hagen gGmbH, Hagen

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Dass hier kein Musical im eigentlichen Sinne stattfindet, ist den Besuchern durch Ankündigung der Veranstaltung klar. Als Dankeschön für alle Theater-Abonnenten findet jedes Jahr im Theater Hagen eine andere musikalische „Party“ statt. Diesmal mit allem, was Pop, Punk und Rock zu bieten haben. Angedeutet wird, dass es zahlreiche große Sängerinnen gibt, die ihre eigenen Messages haben, wohingegen die männliche Konkurrenz vor allem inhaltlich schon mal ganz schön blass aussieht. Ob Moral und Botschaften an einem Party-Abend aber überhaupt angemessen sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Technikteufel verhindern an diesem Abend zunächst, dass die Party richtig in Gang kommt. Zur Mitte des ersten Teils stimmt Vanessa Henning bei „Nur geträumt“ mit dem Publikum den ersten Chorgesang an und animiert dazu aufzustehen und mitzufeiern.

Das Konzept nach Francis Hüsers macht es dem Theaterbesucher, der zunächst vielleicht doch auf die angesprochenen Hintergründe der Zusammenstellung der Songs für die Show lauert, schwierig, sich auf das Feiern einzulassen. Ja, es geht in der Popmusik seit jeher meist um Liebe, Sex und Macht – aber ob tatsächlich die Damen der Musikgeschichte die grundsätzlich „richtigere“ Weltsicht haben oder ob die Songauswahl einfach genau darauf abzielt, sei dahingestellt. Das Vocal-Trio, bestehend aus Vanessa Henning, Siiri und Patrick Sühl, macht bereits durch die Zusammenstellung deutlich, dass hier auf weibliche Dominanz abgezielt wird.

Anspielungen auf die #metoo-Bewegung, sexistische Gewalt gegen Frauen und die Verhohnepipelung der Frauen in der Politik wirken an einem selbsternannten Party-Abend leider als Stimmungskiller, so gut die Absicht dahinter sein mag. Das Konzept Francis Hüsers geht an dieser Stelle leider nicht ganz auf.

Bestimmend führt Vanessa Henning durch den Abend und stellt einen Großteil der Interpretationen. Rockig als P!nk-Interpretin („Stupid Girls“), lasziv in der Combo mit Siiri bei „Lady Marmelade“ oder gefühlvoll in „(I´ve Had) The Time Of My Life“ – Henning hat es drauf und musikalisch richtig was zu bieten! Tänzerisch hält sie mit den z.T. sehr aufwendigen Choreographien gut mit. Das angedeutete szenische Spiel, in dem Liedtexte gemimt werden („Me, Myself and I“), bereitet ihr sichtliche Freude und bringt sie gut herüber.

Patrick Sühl als starke Männerfigur passt nicht ganz in die Message, die Herren würden gegenüber den Damen nicht viel musikalisch zu sagen haben. Beeindruckt er gesanglich und gefühlvoll doch vom ersten Ton im Opening zu „(I´ve Had) The Time Of My Life“ im Duett mit Vanessa Henning. Songs wie „Sexy“ von Marius Müller-Westernhagen oder „I´m A Real Wild Child“ von Iggy Pop haben nur einfach keine große Aussage, wenn sie auch einen enormen Feiermodus aufweisen. Das geschmachtete „I love you“ als Textzeile von „D`yer Mak´er“ im Original von Led Zeppelin kauft man – und frau – ihm zweifelsohne ab. Sühl hat vor allem Spaß an dem, was er tut. Wenn seine Message aber sein sollte, dass Männer nur zum Spaß zu gebrauchen sind, wäre er unauthentisch. Hier belegt sich wieder: Party und erhobener Zeigefinger bzw. Message sind keine glücklichen Duettpartner für einen gelungenen Abend im Theater.

Siiri als zweite Vocal-Frontfrau vermittelt eine herrliche Leichtigkeit bei dem, was sie auf der Bühne tut, und singt, als ginge es um ihr Leben: „Like The Way I Do“ von Melissa Etheridge scheint ihr wie auf den Leib geschrieben. Bei „What Was I Made For“ von Billie Eilish bereitet sie Gänsehaut, wenn sie sich wie ein verzweifelter Teenie im Schrank versteckt. Ihre stärkste Leistung ist das Spiel mit der Botschaft hinter den Songtexten.

Die Tänzer und Tänzerinnen performen mit großer Spannung und Körperausdruck die Choreographien von Noemi Emanuela Martone, sodass es dem Publikum im Fuß zuckt, weil es mitgehen /-tanzen möchte. Starke Tanzgeschichten erzählt das Ballett, indem beispielsweise Jesus mit dem Teufel ringt und schließlich von einer Frau oder der personifizierten Liebe gerettet wird. Contemporary und Showtanz, wie er in den 90er-Jahren so modern und populär war. Ein wahrer Augenschmaus!

Beim Tanzen kommen die Kostüme von Lena Brexendorff besonders gut zur Geltung: Die Message ist bunt, wild und individuell. Große Pappmaché-Voodoo-Masken tanzen mit Voodoo-Puppen und vermitteln neben aller Lebendigkeit zwischenzeitig eine düstere Atmosphäre vor der Kulisse eines Jugendzimmers, das mit Bravo-Postern und schriller Tapete gestaltet ist. Willkommen in der eigenen Pubertät! So fühlt sich der Zuschauer in seine eigene Jugend zurück katapultiert, der Soundtrack aus diesen Tagen läuft dazu.

Im Finale startet das Ensemble eine Kissenschlacht mit dem Publikum, da kommt es dann noch zur großen Ausgelassenheit, bis die Kissen auf der Bühne wieder ins LBGTQ-Regal zurück geräumt werden. Das Thema um sexuelle Identitätsfindung hier auch noch aufzugreifen, wirkt dann leider wieder überladen.

Neben den beiden Totalaussetzern der Technik ganz zu Beginn der Show ist der Sound oft etwas schräg abgemischt: zu schrill, zu laut, die Stimmen durch die Band kurzzeitig übertönt, – all das hemmt immer wieder die Partystimmung, was weder an der grandiosen Band unter der Leitung von Andres Reukauf noch an den Vocals oder den Tänzern liegt.

Unser Tipp: Ohropax für schräge Höhen einstecken und sich dann gehen lassen ohne nach einer Message zu suchen.

 
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KREATIVTEAM
Musikalische Leitung, ArrangementsAndres Reukauf
InszenierungHolger Potocki
AusstattungLena Brexendorff
ChoreografieNoemi Emanuela Martone
 
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CAST (AKTUELL)
VocalsVanessa Henning
Siiri
Patrick Sühl
Backing-VocolsNeele Pettig
Elizabeth Pilon
Carolin Rossow
Mover, MoverinnenYu-Hung
(Phoebe) Huang
Antonio Jorgos Papazis
Sara Peña
Dario Rigaglia
KeyboardsAndres Reukauf
GuitarArjuna de Souza
Patrick Sühl
Flöte / SaxophoneAndreas Laux
BassRudolf Behrend
DrumsVolker Reichling
KomparsenStatisterie Theater Hagen
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 08.06.2024 19:30Großes Haus, HagenPremiere
So, 16.06.2024 18:00Großes Haus, Hagen
Do, 20.06.2024 19:30Großes Haus, Hagen
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