Alexaner Prosek, © T.Behind-Photographics
Alexaner Prosek, © T.Behind-Photographics

3 Fragen an.... Alexander Prosek

Seit der Saison 2012/13 gehört Alexander Prosek zur MusicalCompany des Theaters für Niedersachsen (TfN) in Hildesheim. Er stand dort u.a. in so unterschiedlichen Musicals wie “Sweeney Todd”, “Avenue Q”, “Dracula”, “Die Brücken am Fluss” oder “The Producers” auf der Bühne. Da die aktuelle Saison seine letzte in Hildesheim ist, haben wir ihn zu seinem Abschied vom TfN befragt.

Lieber Alexander, lass uns doch einmal gemeinsam zurückblicken auf die Jahre beim TfN. Welches sind Deine ganz persönlichen Highlights?

Die letzten acht Jahre waren sehr ereignisreich. Wir haben in dieser Zeit mehr als 35 Musicals produziert, verschiedene Showcases und Soloprogramme erarbeitet, mit denen wir gefühlt durch halb Deutschland gefahren sind. Trotz der reichhaltigen Auswahl kann ich behaupten, dass es ein paar Musicals gab, die eindeutige Highlights darstellten. Ich mochte ganz besonders “Zum Sterben Schön”, “Fast Normal”, “Wild Party”, “Blues Brothers” und “Dracula”.
Ein weiteres und nicht minder wichtiges Highlight waren die mannigfaltigen, zusätzlichen Aufgaben am Theater für Niedersachsen, die ich im Auftrag der Kolleg*Innen übernehmen durfte, wie z.B. den Betriebsratsvorsitz, der mir sehr viel Einblick und Wissen in die grundlegende, administrative und buchhalterische Struktur eines Theaters gewährt hat, sowie die Arbeit mit den Jugendlichen meines Musical-Clubs, von denen es einige bereits selbst auf die Bühne geschafft haben.

Von der relativen Sicherheit eines festen Engagements verabschiedest Du Dich jetzt. Bereitet Dir das Sorgen und wie geht es für Dich weiter?

Ja, es ist eine trügerische, relative Sicherheit, die immer nur ein Jahr dauert. Es wäre sicherlich gelogen zu behaupten, dass es mir keine Sorgen bereiten würde. Dennoch empfinde ich es nicht als eine ständige Last. Ich habe vor meinem Engagement am Theater für Niedersachsen bereits viele Jahre als Freiberufler gearbeitet und freue mich nun sehr darauf dies wieder zu tun. Beide Arbeitsformen haben ihre Vor- und Nachteile.
Künstlerisch empfinde ich die freiberufliche Tätigkeit jedoch als viel produktiver. Man kommt für ein Projekt zusammen und ist frisch, voller Elan und Tatendrang. In einem Festengagement muss man seine Kräfte wohl überlegt einteilen. Der permanente Kreislauf von Proben und Spielen, 6 Tage die Woche (seit Sommer 2019 gibt es ein Anrecht auf einen freien Tag die Woche) fordert einen hohen Preis, der manchmal nur durch Substanz bezahlt werden kann.
Was meine Zukunft angeht, möchte ich die erste Zeit gerne damit verbringen mich wieder neu aufzustellen, Kreativität zu schöpfen und Baustellen abzuschließen, bevor ich mich mit neuen Engagements und bestehenden Angeboten beschäftige.

Deine Abschiedssaison läuft ja nun im Moment ganz anders als erwartet. Welche Emotionen begleiten Dich in den letzten Monaten beim TfN und gibt es diesbezüglich bei allen Ängsten und Sorgen auch etwas Positives zu berichten?

Meine letzte Saison am Theater für Niedersachsen habe ich mir komplett anders vorgestellt. Es war so viel geplant, so viel vorbereitet und das Meiste bleibt nun auf der Strecke. Das ist schade, jedoch nicht substantiell. Wir, als Gesellschaft, haben momentan weit dringlichere Probleme als meine Verabschiedungsbefindlichkeiten.
Ich betrachte die momentane Situation, nicht zuletzt aufgrund meines medizinischen Backgrounds, als sehr schwierig. Zum Einen kann ich die existentiellen Ängste vieler Kolleg*Innen nachvollziehen (und teile diese auch), verstehe, warum die Rufe nach schnellen Möglichkeiten der Wiederaufnahme des Spielbetriebes sehr laut, mehr oder minder aggressiv, von überall her hallen. Zum Anderen sehen wir einer Situation ins Auge, mit der wir keine direkten Erfahrungswerte verbinden können. Ich bin der Überzeugung, dass Moral immer vor Ökonomie gestellt werden muss, weil wir uns im Nachklang immer daran messen lassen müssen, wie wir mit einer Situation umgegangen sind. Da ist für Zweckaktionismus kein Platz. Spitzfindige Zwischenlösungen, die Grauzonen nutzen, empfinde ich ebenfalls als deplatziert.
Leider wird sich die Kunst und Kulturszene nur sehr langsam von den Auswirkungen der Beschränkungen erholen. Ich rechne damit, dass es 3-5 Jahre dauern wird, bis wir wieder auf dem Auftragsstand und dem Volumen von 2019 angekommen sind. Da wird es mir als Darsteller schon bange!
Dennoch ist es auch eine Chance! Die Kunst muss – und kann – nun Formen für den jeweiligen Kernbereich finden, die einerseits die Auflagen erfüllen (und somit ein konstruktives Signal in die Öffentlichkeit sendet) und andererseits auch künstlerisch kompromisslos wertvoll sind. Ich denke, dass es zu einer Verschiebung kommen wird. Die ausufernden Werke, in denen Darstellermassen das Geschehen dominieren, werden in den Hintergrund rücken und den Platz frei machen für intimere Werke. Das ist eine Möglichkeit das Individuum in den Vordergrund zu rücken und deutlich mehr Tiefe zu fördern.
Wir haben hier in Deutschland (genauso wie in allen anderen Ländern auch) fantastische Komponisten und Autoren und ich hoffe, dass sich viele von Ihnen durch die momentane Lage inspiriert fühlen Werke zu schaffen, die es uns als Gesellschaft ermöglicht das momentane Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und einen Beitrag zur Aufarbeitung und Reflexion zu leisten. Am Ende des Tages ist das doch schließlich ein Aspekt von Kunst und Kultur, der nicht zu vernachlässigen ist.

 
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