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 Komödie
Schlagerexorzist Schlager lügen nicht Der Titel dieser Parodie auf das Musikbusiness von Dietmar Loeffler ist irreführend. Niemand versucht, dem Schlager dauerhaft den Garaus zu machen. Im Gegenteil: Dank der vier exzellenten Gesangs-Komödiantinnen auf der Bühne fließen trotz dünner Handlung reichlich Tränen. Allerdings weniger aus Verzweiflung, sondern weil der Abend voller Schlager, aber auch mit rockigeren Tönen Spaß macht.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 14.12.2010 | Rezensierte Vorstellung: | | 28.06.2011 | Letzte bekannte Aufführung: | | 24.07.2011 |
Alles geschummelt: Haare, Brüste und Top-Figur! Caro T. (Katharine Mehrling), der aktuelle Liebling der Schlagerfans, reißt sich die blonde Kurzhaar-Perücke vom Kopf, schiebt die eine höhere Körbchengröße vorgaukelnden Brusteinlagen aus ihrem Dekolletee und verweist auf den Fettweg-Gürtel unter ihrem glitzernden Kleidchen. Auch wenn Roxanne (Ulla Meinecke), Lady Jane (Franziska Troegner) und Layla (Claudia Renner) Schlager schon immer mit Künstlichkeit und Kitsch gleichgesetzt haben, so viel Mogelei überrascht das weibliche Rock-Trio "The Wild Ones" dann doch.
Auch der Grund, warum Caro T. wie ferngelenkt ständig die Titelzeile ihres Nummer 1-Hits "Liebe unter freiem Himmel" trällert, ist schnell gefunden. Der fiese Musikproduzent Dr. Dieter-Thomas Spiegel (via Leinwand unerträglich ständig reimend: Dieter Hallervorden) macht sich die Interpretin gefügig, indem er ihr in regelmäßigen Abständen eine Schlager-Droge in die Armbeuge spritzt. Diese treibt seinen singenden Goldesel in die Sucht nach Auftritten in einer Glitzerwelt voller Liebe und Herz-Schmerz-Tralala, deren rosarote Traumwelt durch die Hochzeit mit dem eigentlich gar nicht an Frauen interessierten Volksmusikbarden Fred Hintermeier gekrönt werden soll.
Letztendlich zieht die Schlagerprinzessin einen Schlussstrich unter diese gar nicht so heile Welt und steigt unter anderem Namen und mit neuem, wilderen Styling bei "The Wild Ones" ein. Auf ihren Platz im verheißungsvoll-trügerischen Schlager-Business rückt die zuvor noch rebellisch-punkige Layla unter dem bewährten Künstlernamen und mit den genannten, schönheitsoptimierenden Hilfsmitteln. In seiner sehr gradlinigen Inszenierung zeigt Dietmar Loffler sie im Finale als ferngesteuerten Schlager-Junkie mit Spritze im Arm. Es gibt viel zu lachen in diesem satirisch überhöhten Blick auf das knallharte Geschäft mit der Heile-Welt-Illusion. Autor Dietmar Loeffler stellt Rock- und Schlagerwelt nebeneinander, indem er bekannte Hits aus beiden Gattungen in die Handlung einbettet. So erklingen wie selbstverständlich "Satisfaction", "17 Jahr, blondes Haar", "Wilde Babe" und "Die Rose vom Wörthersee" in einer Show. Letztendlich ist es die Vielfalt der Songs, die diesen Abend trägt, denn nach der Pause verkümmert die Handlung zu einem dünnen Rinnsal: Die zu Caro T. umgestylte Layla präsentiert unerkannt ein Fernseh-Quiz, in dem sie gemeinsam mit den drei Damen von "The Wild Ones" anhand der Fotos von Interpreten Schlager errät und singt. Wie dramaturgisch unausgegoren dieser zu einem XXL-Schlager-Medley verkommene zweite Teil ist, unterstreicht die über eine Videowand flimmernde Vorstellung einer Jury, deren Mitglieder allesamt Dieter Hallervorden in klamaukiger Didi-Film-Manier gibt. Ein Votum gibt dieses Gremium allerdings nie ab.
Eine Wucht sind die vier Darstellerinnen, denen Choreograf Maik Damboldt den richtigen Hüftschwung beziehungsweise ausladende Schlager-Posen beigebracht hat. An der Spitze des Ensembles steht Katharine Mehrling als überzogene Mischung aus Michelle und Helene Fischer. Wie eine naive Außerirdische stolziert sie im Glitzerfummel aus dem Schlager-Himmel in die ihr fremde Welt des „Rock und Rolls". Als Sanges-Engel schmachtet sie "Liebe unter freiem Himmel", schreibt süßlich lächelnd Autogramme und wirft sich wie ein Automat in eingeübte, liebreizende Posen. Mit ihrem klaren Sopran glänzt sie auch stimmlich und genießt ihre Parodien auf Mireille Matthieu oder den osteuropäischen Dialekt in "Fang das Licht". Etwas in Mehrlings Schatten steht Claudia Renner (Layla), die als zweite Caro T. deren Posen zwar perfekt beherrscht, im direkten Vergleich stimmlich jedoch eine schlechtere Kopie ist. Dafür rockt sie im ersten Teil der Show als Göre mit roter Strubbelfrisur so richtig los.
Franziska Troegners Lady Jane ist eine fürsorgliche Glucke, die ohne das Wissen ihrer Kolleginnen im Hauptberuf als rechte Hand des Schlagerproduzenten tätig ist. Sie deckt dessen Machenschaften auf und verhilft "The Wild Ones" zu Plattenvertrag und TV-Präsenz. Troegners satter Alt passt sich prima in das Rock-Trio ein, gefällt aber auch beim Schlager ("Arrividerci, Hans"). Als zunächst sture Außenseiterin hat Roxanne (Ulla Meinecke) mit Schlagern und deren Interpreten nichts am Hut. Als sie allerdings ihre Chancen erkennt, wechselt sie die Seiten und trällert ein beherztes "Hello again". Meinecke sticht im Gesang aus der Originalbesetzung von "The Wild Ones" heraus, gefällt aber mit ihrer markant herben Stimme insbesondere in den zahlreichen Soli wie Gröhnemeyers "Männer". Unterstützt werden die Sängerinnen durch die an der linken Bühnenseite postierten Dietmar Loeffler (Klavier) und Ingo York (Gitarre).
"Schlagerexrozis"“ verfügt über dramaturgische Schwächen, funktioniert aber dennoch unter dem Motto "Ein bisschen Spaß muss sein!"
(Text: kw) 
Kreativteam
Besetzung

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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