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 Comedy
Avenue Q Vor der Haustür wartet das Leben Mit der ersten deutschsprachigen Inszenierung von "Avenue Q" hat das Theater St. Gallen einen mutigen Weg eingeschlagen - nämlich ein Stück auszuwählen, das in Europa eher unbekannt ist. Das Unterfangen klappt dank der gelungenen Übersetzung und dem sehr homogenen und spielfreudigen Ensemble. Durch die Unterstützung der legendären Puppen entsteht eine „Sesamstraße“ für Erwachsene.
(Text: Simone Jaccoud) Premiere: | | 26.02.2011 | Rezensierte Vorstellung: | | 01.05.2011 | Letzte bekannte Aufführung: | | 22.02.2012 |
"Ab sechzehn Jahren – komplett nackte Puppen auf der Bühne!" Mit diesem Satz auf einem mannshohen Plakat werden die Zuschauer im Foyer des Theaters St. Gallen begrüsst. Muss man diese Warnung ernst nehmen? Jüngere Kinder sind mit dem Inhalt des Musicals sicherlich überfordert. Jedoch ist der große Pluspunkt von "Avenue Q", dass heikle Themen wie Arbeitslosigkeit, Homosexualität, Pornographie und Perspektivlosigkeit durch die Puppen auf eine feine liebenswerte und kindliche Art angesprochen werden. Wenn Kate Monster und Princeton das erste Mal intim werden, sind sie zwar nackt, jedoch mutet die Nacktheit eher "plüschig" als anrüchig an.
Die Puppen werden mit viel Liebe und Enthusiasmus von Florian Claus (Nicky, Trekkie Monster, Bullshit Bär), Stefanie Köhm (Kate Monster, Lucy), Cornelia Löhr (Frau Semmelmöse, Bullshit Bär) und Manuel Steinsdörfer (Rod, Princeton) zum Leben erweckt. Alle haben in Workshops eine großartige Mimik und Körpersprache erlernt, die sie nun auf liebevolle und einfühlsame Weise auf die Puppen übertragen. Die Protagonisten verschmelzen nach und nach zu einem Ganzen. Die eigentlich eindimensionalen Puppen erhalten eine eigenständige Persönlichkeit. Das Puppenspiel ist in St. Gallen nahezu in Perfektion zu sehen.
Das gesamte Ensemble ist sehr homogen besetzt, stimmlich wie schauspielerisch zeigen sie sich sehr stark, variabel, und vermögen blitzschnell zwischen den verschiedenen Puppencharakteren zu wechseln. Komplementiert wird die Nachbarschaft durch drei Menschen: Brian (Jon Agar), Christmas Eve (Lanie Sumalinog) und Piero Esteriore (Martin Schäffner), die ebenso in der Avenue Q wohnen. Auch sie überzeugen stimmlich wie schauspielerisch.
Die Regie von Dominik Flaschka hält sich sehr an das amerikanische Original, was keineswegs negativ zu bewerten ist. Denn "Avenue Q" funktioniert: Die Einfachheit der Bühne ist zugleich ihre Stärke. Damit das Schweizer Publikum sich jedoch auf den ersten Blick mit der Geschichte identifizieren kann, hat man einige gelungene Schweizer Adaptionen eingebaut. Gary Coleman ist in St. Gallen Piero Esteriore (ein Teilnehmer einer Schweizer Casting-Sendung, der von ganz oben tief nach unten gefallen ist und mehr durch Skandale als Erfolge von sich reden macht). Bei dieser Figur fehlt ein wenig der Soul, den der in der amerikanischen Originalversion von einer Frau gespielte Gary Coleman reinbrachte. Vom Rollenprofil ist es dennoch die ideale Wahl für die Schweiz, denn Piero Esteriore besitzt dort einen großen Bekanntheitsgrad und wird von Martin Schäffner mit viel Elan gespielt.
Die Übersetzung ist sehr gut gelungen. Auch im Englischen ist die Sprache kindlich angehaucht. Aufgrund dessen konnte vieles eins zu eins übersetzt werden. Was soll man auch an der Person "Lucy the slut" ändern, so heisst diese Puppe hier "Lucy die Schlampe". "A fine fine line" wird zu "Ein schmaler Grat", "The internet is for porn" zu "Das Internet ist für Pornos". Die Band unter der erfahrenen Leitung von Robert Paul überzeugt. Die Melodien von "Avenue Q" erklingen schmissig und mit viel Können.
"Avenue Q" bietet wunderbare Unterhaltung, die frech, provozierend, jedoch nie platt ist. In diesem sehr kindlich anmutenden Stück stecken ganz feine Nuancen, Seitenhiebe und Haltungsweisen, über die man auch noch nach dem Theaterbesuch sinniert. Die anfangs erwähnte Warnung ist sicherlich passend zum Stück mit einem Augenzwinkern zu verstehen.
(Text: sj)

Verwandte Themen: News: "Avenue Q" kommt ans Deutsche Theater München (10.12.2011) News: Deutsche Erstaufführung von "Avenue Q" in Mannheim (16.06.2011) News: PdW: Avenue Q (21.02.2011)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 3 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    29264 Ansehen lohnt sich! Geht hin! Monstersex! Porno!
10.10.2011 - Die deutschsprachige Erstaufführung von Avenue Q in St.Gallen ist rundum gelungen. Meist endet die Übersetzung eines Musicals, dass seinen Witz vor allem auch aus der Sprache bezieht im Desaster, hier nicht.
Witzige Texte, ohne "Hänger", eine der Story dienende Musik und spielfreudige Darsteller, machen das ganze zu einem wunderbar lustigen Abend. Besonders toll die Leistung der "Puppenspieler", die nicht nur mehr als eine Rolle zu spielen hatten (und nach dem Abend sicher wußten, was sie gemacht haben), sondern auch mit Mimik und Gestik das Puppenspiel toll unterstützten. Martin Schäffner war ein sehr authentischer Piero, lustig ohne seine Figur der Lächerlichkeit preis zu geben.
Einziger Wermuthstropfen, dass St.Galler Theater war am Sonnabend nur zur Hälfte gefüllt. Sicher ist dies dem Umstand zu verdanken, dass das Stück hierzulande nicht sehr bekannt ist. Ich kann es nur empfehlen und wünsche der sehr guten und engagierten Cast ein volles Haus.

Charlotte (56 Bewertungen, ∅ 3.6 Sterne)
    29071 Super!
22.05.2011 - Dass der englische Originaltext geschmeidiger zur Melodie passt, liegt in der Natur der Dinge. Das ist aber auch der einzige (übersehbare und winzigkleine) Makel, den ich an dieser Produktion fand.
Eine tolle Besetzung, eine tolle Show! Leider war am Samstag die letzte Vorstellung (wieso kam die Rezension hier erst jetzt, wo doch im Februar Premiere war?), aber es wird in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen.
Ein Hoch auf das erstaunlich kleine Theater in St. Gallen und seine Musical-Wagnisse!

bernstein (29 Bewertungen, ∅ 3.6 Sterne)
    29047 Musical ist einfach genial
30.04.2011 - Avenue Q muss man einfach gesehen haben. So viel hab ich noch nie gelacht, einfach toll. Die Darsteller wie auch die deutsche Übersetzung überzeugen.

Naijutza (erste Bewertung) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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