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Disco-Musical

Saturday Night Fever

Life Goin‘ Nowhere


© Regina Brocke
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"Saturday Night Fever" hat viele Schwächen. Machohaftes Verhalten wird gefeiert und das Frauenbild war schon bei der Premiere des Films 1977 fragwürdig. Am Staatstheater Darmstadt mistet man die Vorlage gründlich aus, verändert Passagen, stärkt die Frauenfiguren, gibt auch vielen Kleinstrollen einen emotionalen Hintergrund und zeigt die Hauptfigur Tony Manero als vielschichtigen Charakter. Ein Regie-Ansatz, der meistens funktioniert, aber von einigen Überzeichnungen torpediert wird.

(Text: Ingo Göllner)

Premiere:05.03.2022
Rezensierte Vorstellung:05.03.2022
Dernière:12.02.2023
Showlänge:180 Minuten (ggf. inkl. Pause)


Regisseur Till Kleine-Möller und sein Produktionsteam bedienen vordergründig die Publikumserwartungen: Glitzer, Discokugel, weißer Schlaghosenanzug, die typischen Tanzgesten. Doch "Saturday Night Fever" ist kein "Wir-haben-uns-alle-lieb-und-tanzen-fröhlich-miteinander"-Musical. Die Besucher der Disco "2001 Odyssey" kommen aus prekären Verhältnissen. Arbeitslosigkeit, Drogen, Kriminalität und Gewalt sind an der Tagesordnung. Der Club ist ihr Zufluchtsort in eine eigene Parallelwelt.

Passen die übersteigerten Kostüme in den Club, so sind sie in den Alltagsszenen etwas überhöht. Bei den Perücken hat sich José Luna hemmungslos ausgetobt. Die Szenen bei Familie Manero gleichen dadurch einer albernen Sitcom. Die Agierenden haben alle Hände voll zu tun, nicht als Karikaturen zu enden. Marije Maliepaardals als Tonys Ex und Immer-wieder-mal-Tanzpartnerin Annette schafft es, trotz einer sich der Schwerkraft widersetzenden Föhnwelle glaubhaft zu machen, was ihre Figur bewegt.

© Regina Brocke
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Einzelne Clubbesucher bekommen eigene kleine szenische Momente oder starke Tanzsoli, die sie für einen Augenblick greifbar machen und aus der Ensemble-Masse herausholen. Tonys prollige Freunde bleiben weiterhin schablonenhafte Charaktere. Nur Bobby C., dem Claudio Gottschalk-Schmitt jungenhafte Unbeholfenheit und berührende Hilflosigkeit gibt, bekommt auch schon in der Vorlage mehr Hintergrund. Seine Freundin ist schwanger, sie will nicht abtreiben, er will nicht heiraten und wendet sich hilfesuchend an seine Freunde, aber alle – auch Tony – speisen ihn lapidar ab. In diesen Dialogen gibt es ein paar unpassende Pointen und wenn sich die Situation für Bobby C. zuspitzt, wird die Szene mit dem in diesem Moment überdramatischen, fast parodistisch wirkenden "A Fifth of Beethoven" untermalt.

Tonys Bruder Frank jr. – katholischer Priester und Liebling der Eltern, besonders der Mutter – gibt seinen Beruf auf. Die Vorlage bleibt über den Grund vage; richtig erfährt man es nie, denken kann man es sich schon. Till Kleine-Möller stellt den Grund in diesem Abschnitt in den Mittelpunkt: Er ist schwul. Das gesteht Frank jr. angenehm offenherzig und selbstbewusst ohne verklemmtes Gedruckse. Pedro Reichert bekommt in dieser Rolle ein zusätzliches Solo, das die Geschichte an sich nicht weiterbringt, aber einen Blick in die Gay-Disco-Szene wirft.

Das Treffen mit seinem Bruder zeigt Tony, dass man sein Leben radikal ändern kann. Er ist in seinem gewohnten Alltag aus Arbeit in einem Farbenladen und angespannter Situation zu Hause gefangen, der nur auf den Discobesuch am Wochenende ausgerichtet ist. Seine Welt gerät ins Wanken, als er im "2001 Odyssey" Stephanie tanzen sieht, er sie unbedingt als Tanzpartnerin für einen Wettbewerb haben möchte und sie ihn abblitzen lässt. Er muss sich – womöglich erstmals – um eine Frau bemühen. Janina Moser ist als Stephanie eine auf den ersten Blick starke und selbstständige Frau. Doch auch hier zeigen sich Risse, wenn klar wird, dass sie als Angestellte einer Agentur den Kaffee nicht mit den Promis trinkt, sondern ihn für sie zubereitet. Moser harmoniert sehr gut mit Alexander Klaws‘ Tony. Ihre Tanzszenen sind wie aus einem Guss: eine geschmeidige Mischung aus Gesellschaftstanz, Disco und Stephanies Ballett-Hintergrund. Timo Radünz benutzt als Grundlage für seine Choreografien Tänze der 1970er, die das Ensemble mit Pep und Energie umsetzt.

© Regina Brocke
© Regina Brocke


Auch wenn andere Rollen inszenatorisch aufgewertet wurden, liegt das Stück auf den Schultern von Alexander Klaws. Selbst das verschachtelte Bühnenbild von María Reyes Pérez dreht sich wortwörtlich um und mit ihm. Klaws ist gesanglich solide, darstellerisch überzeugend und tänzerisch hervorragend. Tony Manero kann einem in der Vorlage herzlich unsympathisch sein. Hier in Darmstadt hat man ihn zwar etwas sympathischer gezeichnet – er ist toleranter und darf sogar ein bisschen Sonnyboy sein – aber man hat genug Ecken und Kanten drangelassen, dass seine Entwicklung noch Sinn ergibt. Er ist im Club weiterhin der egozentrische Poser, der meint, alle und alles haben zu können, bis er auf Stephanie trifft. Dass Tony eigentlich ein 19-Jähriger ist, der irgendwo zwischen "noch jugendlich" und "schon erwachsen" seinen Weg im Leben finden muss, hat man hier ignoriert. Das wäre auch wenig glaubhaft gewesen. Tony ist als Bezugsperson schon fast eine "väterliche Figur" für die anderen Discobesucher.

Um Tony herum hat die Regie mehrere Vater-und-Mutter-Figuren installiert. Da ist der richtige Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker; Tonys Chef Mr. Fusco, der ihm Glauben an eine berufliche Zukunft vermitteln will, und letztendlich Monty aus dem "2001 Odyssey", wobei diese Figur am wenigsten funktioniert, weil Tony und er fast keine gemeinsamen Momente haben. Alle drei Rollen werden von Livio Cecini mit Hang zur Übertreibung – aber im Fall Monty sehr stimmgewaltig – gespielt.

Beatrice Reece verkörpert die Mutter-Figuren. Als unterdrückte Mrs. Manero, die es schließlich schafft, ihre Familie zu verlassen, setzt sie ein darstellerisches Highlight. Die Puffbesitzerin und die Clubsängerin tauchen immer wieder auf, verbinden Szenen, sind Beobachterinnen. Die Clubsängerin hat die Aura eines übersinnlichen Wesens. Beatrice Reece verfügt über eine starke Bühnenpräsenz. Die Wucht ihrer Stimme lässt ab einem bestimmten Lautstärkepegel die Tontechnik in die Knie gehen. Ihre souligen Melodieschleifen enden als dröhnendes Klanggewitter. Auch sonst ist die Akustik ein Schwachpunkt der Aufführung. Der Text der extra übersetzten, handlungsmotivierten Lieder (die Disco-Songs bleiben in Englisch) ist nahezu unverständlich. Szenen mit Gesang, Dialog und Band gleichzeitig enden in einem akustischen Brei.

© Nils Heck
© Nils Heck


Das zwölfköpfige "2001 Odyssey"-Orchestra unter der Leitung von Michael Nündel lässt die Bee-Gees-Songs durch viel Bläser- und Percussion-Einsatz im besten Sinne "handgemacht" klingen, breitet einen satten, orchestralen Klangteppich unter Szenen aus und treibt die Tänze an.

"Saturday Night Fever" ist in Darmstadt – besonders im zweiten Akt – eine emotionale Achterbahnfahrt. Sie besticht durch die Nutzung der reichlich vorhandenen Bühnentechnik und eine hervorragende Ausleuchtung. Das Ensemble agiert geschlossen auf hohem Niveau, wobei die Leistungen im Tanz hervorstechen. Trotz drei Stunden Spielzeit eine kurzweilige Show, die auch bei hohem Tempo noch Zwischentöne zulässt und die menschlichen Schicksale greifbar macht.

Ein wenig optimistisches Sozialdrama – aber bunt und mit viel Glitzer.

(Text: Ingo Göllner)



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Hintergrund: "Eine emotionale Abwärtsspirale" - "Saturday Night Fever" in Darmstadt (02.03.2022)



Kreativteam

Musical von Robert Stigwood und Bill Oakes / Fassung von Ryan McBryde

Musikalische LeitungMichael Nündel
InszenierungTill Kleine-Möller
BühneMaría Reyes Pérez
KostümJose Luna
ChoreografieTimo Radünz
VideoGrigory Shklyar


Besetzung

== 2022/2023 ==

Tony ManeroSascha Luder
Flo Manero
Clubsängerin
Puffbesitzerin
Beatrice Reece
Stefanie Köhm
Stephanie ManganoJanina Moser
Maja Sikora
AnnetteMarije Maliepaard
JoeyJan Großfeld
Marius Bingel
Double J.
Mönch
Richard Patrocinio
Bobby C.Claudio Gottschalk Schmitt
Michael Heller
Jan Rogler
Frank Manero Sr
Monty
Mr. Fusco
Chris Murray
N. N.
Frank Manero Jr.
Barracuda
Pedro Reichert
Linda Manero
Shirley C.
Jugendliche
Barracuda
Maja Sikora
Anna Heldmaier
Cesar
Kunde
Barracuda
Mariano Manzella
Maria
Verkäuferin
Mönch
Müllsammlerin
Tanzschülerin
Barracuda
Lucia Haas Munoz
Chester
Dritter Kunde
Jay
Mönch
Barracuda
Richard Patrocino
Lorenzo Eccher
Doreen
Mönch
Stefanie Köhm
Anna Heldmaier
Connie
Jugendliche
Tanzschülerin
Barracuda
Nicole Eckenigk
Anna Heldmaier
Tanzlehrer
Liebhaber
Mönch
Barracuda
Lorenzo Eccher


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Zuschauer-Rezensionen

Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.


2 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:


32285
Sehenswert

11.09.2022 - Auch wenn ich den Einstieg mit der Videoinstallation und zwei drei dramaturgische Abwandlungen nicht zuordnen oder gar überflüssig blöd finde, überlagerten sie zu keiner Zeit das Stück.

Zudem mochte ich die teilweise total übertriebenen Kostüme. Hatte man doch immer was das ins Auge fiel. Gerade während des etwas sich gedehnt anfühlenden ersten Aktes.
Sascha Luder hat mir als Tony sehr gut gefallen. Auch die weiteren Rollen waren auch meist passend besetzt und gut gezeichnet.

Gerade zum Ende hin gewann die Inszenierung an Stärke mit einer dann genial eingesetzten Drehbühne wo Tonys früheres Leben an ihm vorbei zieht.

Der Ton war für Darmstädter Verhältnisse recht passabel. Hatte ich in dem Haus ja bereits einige teils sehr negative Erfahrungen.

TazMA (37 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne)


32268
Tonys Vater

01.05.2022 - Mit SATURDAY NIGHT FEVER hat das Staatstheater Darmstadt einen Riesenhit gelandet. Trotz zusätzlicher Vorstellungen ist die Aufführungsserie mehr oder weniger ausverkauft.

Und das mit Recht. Die Inszenierung von Till Kleine-Möller findet eine gute Balance zwischen engagiertem Sozialdrama und und kultig coolem Disco-Spaß.

In der Hauptrolle agiert Alexander Klaws in allen Belangen souverän. Allerdings muss man attestieren, dass er mit knapp vierzig Jahren Tonys Vater sein könnte und dass man das auch sehen kann.
Aus dem Rest des hochmotivierten Ensembles sticht Beatrice Reece mit Powerstimme und charismatischer Bühnenpräsenz hervor.

Kleine-Möller versteht es virtuos die ausgesprochen hohe Leistungsfähigkeit von Bühnentechnik und Beleuchtung permanent am Laufen zu halten.

Das Kostümbild kann sich in den 70er Jahren natürlich voll austoben. Leider werden mitunter die Grenzen der Authentizität überschritten und man nähert sich einer Parodie. Da wäre weniger etwas mehr gewesen.

Die Choreografie ist schmissig, dynamisch und wird präzise umgesetzt.

Gleiches kann man von der Musik sagen, die in passenden Arrangements druckvoll aus dem Orchestergraben kommt.
Übrigens war auch die Tonabmischung in der von mir besuchten Vorstellung einwandfrei.

SATURDAY NIGHT FEVER ist in der Darmstädter Version dramaturgisch gut durchdacht, rasant und aufwändig umgesetzt und ausgesprochen unterhaltsam.

kevin (205 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne)


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(ig)

Inszenierung

Musik

Besetzung

Ausstattung

Charakterstudien statt Party. Während der erste Akt an karikaturhaften Momenten krankt, überzeugt der dramatische zweite. Stark: Choreografie und Ensemble, schwach: der Ton.

06.03.2022

 Termine

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