Stephan Jaekel: Abläufe noch besser gestalten

[Drei Fragen an …] Die Massenentlassung von Dressern im Hamburger Operettenhaus sorgt derzeit nicht nur in Musicalkreisen für Wirbel und Unverständnis. Vom „Schlag ins Gesicht engagierter Mitarbeiter“ (ver.di) ist die Rede, welcher fähige Angestellte in die Arbeitslosigkeit treibe. Stephan Jaekel, Unternehmenssprecher der Stage Entertainment GmbH, nimmt zu diesen Vorwürfen hier exklusiv Stellung und erklärt was es bedeutet, eine Großproduktion auf die Beine zu stellen und das Interesse des Publikums zu wahren.

Herr Jaekel, im Operettenhaus in Hamburg haben 22 Dresserinnen ihre Kündigung erhalten und sollen für das kommende Musical „Rocky“ durch Billigarbeitskräfte einer Zeitarbeitsfirma ersetzt werden. Mittlerweile hat sich auch die Gewerkschaft ver.di eingeschaltet und in diversen Foren, so z. B. in Facebook, werden Stimmen laut, dass man die Stage-Produktionen aufgrund von solch „unglaublichen“ Schritten boykottieren sollte. Als besonders lächerlich wird die Sparpolitik bezüglich der Mitarbeiter im Hinblick auf die hohen Eintrittspreise – an einem Samstagabend durchaus 140€ pro Karte – und den Jahresumsatz von mehr als 300 Millionen Euro empfunden. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen? Hat ein wirtschaftlich erfolgreicher Konzern wie Stage Entertainment solche Entlassungen nötig? Und sind die Eintrittspreise dennoch gerechtfertigt?
Mehr als 1.700 Mitarbeiter sind zur Zeit bei Stage Entertainment beschäftigt. Dank unseres neuen – dann vierten – Theaters in Hamburg werden spätestens ab 2014 noch etliche neue Arbeitsplätze hinzukommen. Das ist für ein privates Kulturunternehmen eine stattlich große Familie. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Musicaltheater als gänzlich unsubventionierte Kulturform ein äußerst sensibles Geschäft mit hohen wirtschaftlichen Risiken ist. Niemand – auch nicht die erfahrensten Fachleute in unserer Welt – kann genau vorhersagen, ob eine neue Produktion oder eine Inszenierung vom Publikum angenommen wird. Es ist uns bei Stage im vergangenen Jahrzehnt nicht zuletzt deshalb gelungen, das Genre insgesamt und unsere Theater lebendig zu halten, weil wir laufend und in allen Bereichen prüfen, welche Abläufe wir noch besser gestalten können, welche Formen von Zusammenarbeit denkbar wären oder welche Ausgaben unabdingbar erforderlich sind. Unsere Eintrittspreise spiegeln die tatsächlichen Kosten unserer Theaterform wider. Auch wenn der Vergleich zwischen Repertoire- und Ensuite-Theater etwas hinkt: Wenn ein Haus wie die Bayerische Staatsoper mit einer Eigenfinanzierungsquote von 35 Prozent als das wirtschaftlich erfolgreichste nicht private Theater in Deutschland gilt und ebenfalls weit über 100 Euro für gute Plätze verlangt, so wird klar, wie kostenaufwändig eine qualitativ hochwertig gemachte Theateraufführung ist.

Wie ist Ihre allgemeine Konzernstrategie für den Umgang mit Dressern in anderen Häusern und Mitarbeitern aus weiteren „Randbereichen“? Wenn man den Outsourcing-Gedanken auf die Spitze treibt, ließe sich ja beinahe jeder Arbeitsplatz auslagern, der nicht direkt am künstlerischen Prozess beteiligt ist…
„Randbereiche“ gibt es im Theater ja nicht wirklich; für einen gelungenen Abend müssen sehr viele verschiedene Fachbereiche Hand in Hand arbeiten; dazu zählen die Dresser ebenso wie die Technik-Crew, die Lohnbuchhaltung oder der Vertriebsmitarbeiter. Es gibt allerdings Tätigkeiten, die ausschließlich im laufenden Spielbetreib zum Tragen kommen, so dass wir den Mitarbeitern in diesen Abteilungen in den Wochen eines Produktionswechsels schlicht keine Arbeit anbieten können. Dies trifft auf die Bereiche Vorderhaus und Dresser zu. In nahezu all unseren Theatern sind wir hier bereits seit einiger Zeit den Weg gegangen, die Aufgaben an einen dritten Dienstleister abzugeben. Das hat sich durchaus bewährt. Für alle anderen Berufsgruppen bei uns gilt, dass sie derart spezifische Ausbildungs- und Wissensanforderungen haben, dass eine Ausgliederung nicht sinnvoll wäre.

„Rocky“ in Hamburg ist Ihre nächste große Produktion hierzulande. Kann sich das negative Marketing, das die aktuelle Geschichte mit sich bringt, evtl. nachteilig auf Ihre neuen Stücke auswirken? Was erwartet den Musicalbesucher in nächster Zeit?
Ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen die – absolut legitime – Diskussion über das Ausgliedern der Dresser-Abteilung im Operettenhaus von dem Gestaltannehmen einer neuen Musicalproduktion wie „Rocky“ unterscheiden. Und dass wir mit „Rocky“ viele Menschen überraschen werden – wie gut es wird und wie sehr sich der Stoff für die Umsetzung auf der Musicalbühne eignet. Der kreative Entwicklungsprozess macht allen unglaublichen Spaß. Ein durchkomponiertes Musical mit klug gestaltetem Buch – dazu ein phantasiereicher Bühnenbildner und ein genialer junger Regisseur. Es ist klasse zu sehen, wer bei den Castings dabei ist, welche Neugierde schon jetzt überall herrscht, von welchen Seiten uns kreative Menschen ansprechen. Das ist ein außergewöhnlicher Entwicklungsprozess, den wir hier in Gang gesetzt haben, zumal wir bei diesem Stück nach der deutschen Uraufführung die realistische Chance auf weitere Produktionen auch im Ausland haben. Und neben dem Theater im Hafen ist die Baugrube für unser viertes Hamburger Theater schon komplett ausgehoben. Wir versprechen eine spannende Eröffnungspremiere 2014. Ob existierende Show auf dem Weltmarkt oder Stage-Eigenentwicklung wird fürs erste noch nicht verraten.

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