Gelungene Komplettaufnahme des The-Who-Klassikers. Hier überzeugen Ensemble, Technik und Umsetzung der nicht unbedingt mainstreamtauglichen Musik.
In Zeiten, in denen Fan-Petitionen auf Facebook gestartet werden, um neue CD-Aufnahmen von großen Longrund-Produktionen zu fordern, liefert das kleine English Theatre in Frankfurt bereits seine zweite Aufnahme zu einem der dort aufgeführten Musicals. War es in der Spielzeit 2010/11 die sehr gute Aufnahme zu „Spring Awakening“ ist es diesmal die Rock-Oper „Tommy“ von The Who, die auf CD verewigt wurde. Zu hören ist das Ensemble der regulären „Tommy“-Laufzeit, das in der Verlängerung und der kommenden Tour leider nicht mehr auf der Bühne steht.
Gilt „Spring Awakening“ als derzeitiges „In-Musical“, ist die Entscheidung mutig, den Klassiker „Tommy“, von dem es bereits unzählige Aufnahmen gibt, als Komplettaufnahme neu aufzulegen. Auch wenn die Musik vielleicht nicht direkt beim ersten Mal hören ins Ohr geht: Schnell wird die gute Qualität der Einspielung deutlich. Vorteil an der Gesamtaufnahme ist außerdem, dass Hörer, die sich bisher noch nicht zu sehr mit dem Stück beschäftigt haben, der Handlung gut folgen können. Allerdings wird hier nicht die Erzählstruktur der Broadway-Produktion beibehalten – nach dem Mord, der Tommy traumatisiert, wirkt vieles vielmehr wie Bruchstücke aus Albträumen eines gebrochenen Geistes. So wird auch hier Tommy nicht geheilt, sondern man lässt die Frage offen, ob die Heilung nur ein Traum war.Schwierig wird es, einzelne Personen des Ensembles besonders hervorzuheben, da alle Rollen durchweg gut besetzt sind. Besonders authentisch wirkt die Einspielung durch die starken britischen Akzente der Darsteller. Sind viele Szenen allein schon beim Hören ein wenig verstörend, so wirken die Stimmen der jungen Tommys (Elias Klockow und Lewis Link) in diesem Moment umso mehr; ihr immer wieder gesungenes „See Me, Feel Me“ jagt dem Hörer Gänsehaut über den Rücken. Der bekannteste Song dürfte wohl „Pinball Wizzard“ sein – und er ist auch hier das Highlight der Aufnahme, angeführt von den Pinball-Champions James Ballanger und Callum Train, sowie Giovanni Spanó als Cousin Kevin. Auch Kimmy Edwards begeistert als Acid Queen. Eine kleine schöne Ruhepause im Klangbild ist der Song „I believe My Own Eyes“, sehr emotional gesungen von Mark Powell und Natalie Langston als Tommys Eltern. Hauptakteur Leo Miles überzeugt in seiner Rolle als Tommy, der auch gleichzeitig die Geschichte erzählt.
Alles in allem ist die „Tommy“-Aufnahme aus dem English Theatre ein wunderbarer Beweis dafür, das Musical-CDs keine großen Starnamen oder Megakonzerne brauchen, wenn sie wirklich gut gemacht sind. Hoffentlich nicht die letzte Castaufnahme aus der Schmiede des English Theatre.