Armin Kahl, Kasper Holmboe © Ulrich Niedenzu
Armin Kahl, Kasper Holmboe © Ulrich Niedenzu

Zorro (2015)
Freilichtspiele, Tecklenburg

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Zündende Rhythmen, eine Volkshelden-Geschichte, die sich – einfallsreich und flott inszeniert von Ulrich Wiggers – ausgewogen im Spannungsfeld zwischen Dramatik und Humor bewegt, pfiffige Choreographien, aufwändig gestaltete Kostüme und eine passgenau besetzte Cast: So wünscht man sich kurzweilige Musical-Unterhaltung. Die Freilichtspiele Tecklenburg liefern auch in dieser Saison ab – mit einem Stück, das einer einzigen langen Flamenco-Siesta-Nacht gleicht.

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„Baila Me“, „Bamboleo“ und „Djobi Djoba“ – keine Frage, die Hits der Gipsy Kings begeisterten in den 80er und 90er Jahren nicht nur die Party-Strandmeilen rund um den Mittelmeerraum, sondern auch Deutschland – aber ist die charakteristische Flamenco-Pop-Musik abwechslungsreich genug, um einen ganzen Musical-Abend zu tragen? All denen, die sich das nicht vorstellen konnten, beweist „Zorro“ das Gegenteil: Es sind gerade die spanisch-lateinamerikanischen Rhythmen und damit der erfrischend andere Sound, die das Stück zu einem Hörerlebnis fernab der gewohnten Broadway- und West-End-Musik machen. Das Orchester unter Leitung von Klaus Hillebrecht meistert die Flamenco-Rhythmen mühelos. So fließt die Gitarren-dominierte Musik mit einer Leichtigkeit, die nicht nur das herausragende Tanz-Ensemble auf der Bühne antreibt, sondern die Zuschauer auch sofort imaginär an die Handlungsspielorte nach Spanien und Los Angeles transportiert.

Ein aufwändiges Bühnenbild wird da nicht gebraucht. Diesbezüglich holt Susanna Buller wie gewohnt das Optimum aus den gegebenen Möglichkeiten der Burgruine heraus. Im Hintergrund dominiert ein eingeschossiger, gelb-rot gestrichener Bühnenaufbau, der vielseitig benutzbar ist (so etwa mal als Wohnresidenz, mal als Hinrichtungs- und Versammlungsstätte). Auch das kleine Steinpodest links wird als Seitenbühne bespielt. Ein Konstruktion mit drei nach oben bewegbaren Schiebetoren erfüllt diverse Zwecke; am stärksten aber bleibt die witzig gespielte Beichtstuhl-Szene in Erinnerung.

Die Handlung folgt der Buchvorlage von Stephen Clark, die auf Isabel Allendes fiktionaler Biographie „Zorro – A Novel“ basiert. Im Wesentlichen geht es um Bruderneid und dessen Folgen: Don Alejandro (Reinhard Brussmann) ist der Alkade (Bürgermeister) des spanischen Pueblos in Kalifornien Er schickt seinen jüngsten Sohn Diego (Armin Kahl) nach Barcelona, um ihn dort ausbilden zu lassen, damit er später in seine Fußstapfen treten kann. Dies weckt die Missgunst des älteren Bruders Ramon (Kasper Holmboe), der es als sein Geburtsrecht ansieht, diesen Posten zu übernehmen. Sein Vater sieht ihn jedoch eher als Anführer der Armee. Jahre später erfährt Diego in Spanien von seiner Kindheitsfreundin Luisa (Maxine Kazis), dass sein Vater tot sei und Ramon die Macht übernommen habe, diese jedoch gnadenlos missbrauche. Schweren Herzens entscheidet sich Diego, nach Kalifornien zurückzukehren und der Schreckensherrschaft seines Bruders ein Ende zu setzen. Dazu muss er sich einer List bedienen: Während er sich einerseits gegenüber Ramon als unterwürfiger Trottel ausgibt, von dem keinerlei Gefahr ausgeht, maskiert er sich heimlich immer wieder als Zorro, um dem Unrecht ein Ende zu setzen. Stets dabei: Die Zigeunerin Inez (Patricia Meeden), die den feigen Sergeant Garcia (Benjamin Eberling) bezirzt und ihn auf ihre Seite zieht, wo er schließlich eine nicht unwesentliche Rolle zum guten Ausgang der Geschichte spielen wird.

Die Story mag einfach gestrickt sein, doch die Figuren und ihre Motive sind komplexer angelegt. Die Cast schafft es durchgängig, diese Vielschichtigkeit glaubwürdig darzustellen – ein sicheres Zeichen dafür, dass Tecklenburg bei der Besetzung erneut das sprichwörtliche goldene Händchen hatte. Vor allem das Hauptdarsteller-Quartett Kahl, Holmboe, Meeden und Kazis ist auf den Punkt besetzt und agiert gesanglich wie darstellerisch auf hohem Niveau. Armin Kahl als Titelheld schafft den Spagat zwischen der Darstellung des Diego und dessen Alter Egos ohne sichtbare Anstrengung und kann dabei viele Facetten seines Schauspiels anbringen. Vor allem sein komödiantisches Talent ist oft gefragt, aber auch in den dramatischeren Momenten erscheint Kahl nicht weniger glaubwürdig. So zählt seine Interpretation von „Hope“ – Diegos Solo im Gefängnis – zu den atmosphärisch dichtesten Momenten der Inszenierung. Gleiches gilt für den Augenblick, in dem Inez und Ramon aufeinander treffen und sie ihn fast bezwingt. Die plastische Darstellung des Wortgefechts im Tanz (unterstützt durch drei weitere tanzende Paare in Ramon-Inez-Optik) ist ein weiterer Regie-Einfall, der sich gut ins große Ganze einfügt.

Bei einer so stark besetzten Titelrolle braucht es einen würdigen Gegenspieler. Der wurde in Kasper Holmboe zweifelsohne gefunden. Holmboes Darstellung ist unglaublich intensiv, da er nicht nur in Gestik und Mimik mit seiner Rolle verschmilzt, sondern sich offensichtlich auch gedanklich in den Geisteszustand seines Charakters versetzt. Er brilliert als Ramon – kein Bösewicht, wie er im Buche steht, sondern ein Mann, dessen Missgunst und zwanghafter Wahn, sich beweisen zu müssen, aus der falschen Vorstellung heraus gewachsen ist, nie vom Vater geliebt worden zu sein. Dies stellt Holmboe durch sein schlüssiges Spiel heraus. Dabei zieht sich die Matador-Stier-Metaphorik leitmotivisch durch seine gesamte Rolleninterpretation.

Die weiblichen Hauptrollen sind ebenso glücklich besetzt. Die Newcomerin Maxine Kazis ist zwar noch ein relativ unbeschriebenes Blatt, zeigt aber viel Potential und weiß sich neben der erfahreneren Patricia Meeden, die als Zigeunerin Inez eine Glanzleistung abliefert, gut zu behaupten. Kazis‘ Luisa ist von Anfang an eine starke Frau, die für das, was sie glaubt, einsteht und kämpft. Zunehmend gewinnt sie dafür auch den Respekt von Inez, die in Spanien Diegos Geliebte war und in Luisa zunächst nur eine Konkurrentin sieht – einen Aspekt, den Kazis und Meeden in ihrem Spiel verdeutlichen. Auch musikalisch harmonieren die beiden Leading Ladies gut miteinander („Djobi, Djoba“). Meeden sticht nicht nur durch ihr leuchtend rotes Zigeuner-Kleid optisch hervor, sondern ebenfalls durch ihre starke Bühnenpräsenz. Sie verkörpert die Inez mit der richtigen Mischung aus Mysterie, Sexiness und Verruchtheit. Ihre Soul-Stimme passt zu musikalischen Nummern wie „Bamboleo“ und „Baila Me“, die sie gemeinsam mit dem in bunte Gipsy-Kostüme gekleideten Ensemble interpretiert. Zoltan Fekete und Shane Dickson stehen dabei als „Gipsy Princes“ an ihrer Seite und gefallen in ihren Rollen ebenso gut wie Reinhard Brussmann als Don Alejandro und Benjamin Eberling als Sergeant Garcia.

Die blau-rot gehaltenen und gold gesäumten Uniformen der Soldaten, die farbenprächtigen, opulenten Kostüme der Zigeuner und die schlichte, weiß-beige Kleidung des einfachen Volkes – für all das zeichnet Kostümbildnerin Karin Alberti verantwortlich. Die Stoffe wirken hochwertig, die Kostüme detailverliebt. Darüber hinaus ermöglichen sie dem Zuschauer gerade bei den Massenszenen, wie etwa dem „Flamenco Opening“ und der „Fiesta“ am Ende des Stückes eine eindeutige Zuordnung der vielen Statisten, Ensemble- und Chormitgliedern zu den einzelnen Gruppen der Zigeuner, Soldaten und des Volkes.

Kati Heidebrecht sorgt dafür, dass Bewegung in die Sache kommt: Sie choreographiert die actionreiche Inszenierung schwungvoll und verwendet dabei nicht nur klassische Elemente aus Flamenco und Paso Doble. Es gibt viele starke weibliche Ensemble-Szenen, etwa wenn die Frauen des Pueblos „Libertad“ oder gemeinsam mit Kazis „In One Day“ singen. Einige Songs werden auf Spanisch dargeboten, andere – wie etwa das Duett „A Love We’ll never live“ (Kahl/Kazis) – auf Deutsch. Holger Hauer und Jürgen Hartmann haben die Gesangstexte und Dialoge ins Deutsche übertragen und dabei solide Arbeit geleistet.

„Zorro“ wäre jedoch nicht „Zorro“, wenn es nicht auch jede Menge durchchoreographierte Fechtszenen gäbe. Diese hat Fight Director David Pellerin flott in Szene gesetzt und verlangt dabei den Darstellern körperlich einiges ab. Am härtesten hat es diesbezüglich wohl Kahl getroffen, der nicht nur fechtet, sondern sich auch aus luftiger Höhe abseilt und an einem Seilzug befestigt vom äußeren linken Rand des Zuschauerraumes mit großer Geschwindigkeit quer über die Bühne rast – nur einer von vielen einfallsreichen Special Effects, mit denen die Inszenierung zusätzlich punktet. Doch nicht nur das Ensemble ist ständig in Bewegung. Auch der Chor und die Statisterie müssten Kilometergeld erhalten, so oft erscheinen sie an jeweils anderen Stellen der Burgruine. Sie tragen das großartige Ensemble und sorgen für Gänsehaut-Momente bei den Massenszenen.

Kurz: „Zorro“ funktioniert und dürfte auch Skeptiker überzeugen. Die kurzweilig inszenierte Story vermischt dramatische, humorvolle und romantische Momente und bietet so für jeden etwas. Dazu vermittelt der besondere Sound spanisches Urlaubs-Flair. Übrigens: Auch die sommerlichen Temperaturen an diesem Premierenabend passen dazu. Hoffentlich sind diese richtungsweisend für die weitere Spielzeit. „Zorro“ – ein Glücksgriff für Tecklenburg.

 
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KREATIVTEAM
RegieUlrich Wiggers
Musikalische LeitungKlaus Hillebrecht
ChoreografieKati Heidebrecht
Fight ChoreografieDavid Pellerin
BühneSusanna Buller
KostümeKarin Alberti
 
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CAST (AKTUELL)
DiegoArmin Kahl
LuisaMaxine Kazis
InezPatricia Meeden
RamonKasper Holmboe
GarciaBenjamin Eberling
AlejandroReinhard Brussmann
Gipsy PrincesZoltan Fekete
Shane Dickson
EnsembleNils Haberstroh
Marco Herse Foti
Brett Hibbert
Andrew Hill
Tobias Joch
Mathias Meffert
Daniel Messmann
Anna Carina Buchegger
Marta Di Guilio
Theano Makariou
Luisa Mancarella
Taryn Nelson
Marthe Römer
Silja Schenk
Celine Vogt
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 13.06.2015 20:00Freilichtspiele, TecklenburgPremiere
Fr, 19.06.2015 20:00Freilichtspiele, Tecklenburg
Sa, 20.06.2015 20:00Freilichtspiele, Tecklenburg
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