Amani Robinson als Mrs. Van Hopper (DomplatzOpenAir Magdeburg) © Thomas Lander
Amani Robinson als Mrs. Van Hopper (DomplatzOpenAir Magdeburg) © Thomas Lander

"Das Singen wird immer an erster Stelle stehen" - Amani Robinson im Interview

Amani Robinson feiert kommendes Jahr ihr nunmehr zehntes Jahr als Musicaldarstellerin und schaut mit uns im Rahmen ihres Doppelengagements bei „Rent“ in Dortmund und der „Dreigroschenoper“ in Lüneburg auf ein paar ihrer bisherigen Stationen zurück. Außerdem erfahren wir bei unserem etwa 45-minütigen Gespräch in der Kantine des Lüneburger Theaters ein wenig über Amani ganz privat.

Wie schön, dass es trotz der turbulenten Anreise nach Lüneburg doch noch geklappt hat mit dem Interview! Du hast dich ja förmlich durch Schnee und Eis gekämpft…

 Ich freue mich auch! Gestern habe ich noch bei „Rent“ gespielt und bin heute direkt mit dem Auto nach Lüneburg gefahren. Nach der Show heute Abend geht es dann direkt wieder zurück Richtung Ruhrgebiet.

Da hast Du Dir aber was vorgenommen!

Naja, ich fahre schnell! [lacht] Autofahren ist okay, jedenfalls bis drei Stunden Fahrtzeit. Wenn alles gut geht, brauche ich für die Strecke unter drei Stunden. Die Zeit Zuhause ist einfach enorm wertvoll für mich, deswegen fahre ich direkt heim.

Du bist ja ein richtiges Nordlicht…

Amani Robinson mit Sascha Littig und Philip Richert, Theater Lüneburg „Dreigroschenoper“ © Andreas Tamme

Nicht so wirklich! Ich habe zwar in Lübeck studiert und liebe den Norden, aber aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf zwischen Dortmund und Paderborn, das keiner kennt. Ich mag aber die Norddeutschen sehr, sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen: Gerade heraus, ohne Umschweife. Außerdem können sie einfach auch mal ruhig sein – es gibt nichts Schöneres, als auch mal gemeinsam zu schweigen. Im Norden zu sein, fühlt sich für mich an, wie nach Hause zu kommen – obwohl ich ursprünglich Westfälin bin!

Wie hat es Dich dann nach Lübeck verschlagen?

Ich wollte einfach weiter weg von zu Hause studieren. Ich habe zwar auch die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Detmold bestanden, aber durch einen Freund bin ich auf Lübeck gekommen. Eine wunderschöne Stadt und eine schöne Zeit war das! Klar war das Studium anstrengend, aber meine Erinnerungen sind durchweg positiv. Ich habe neben der Hochschule gewohnt, was natürlich ein Hit war – lange ausschlafen, das war toll! Auch heute fahre ich noch ab und zu nach oben, um frühere Kommilitonen zu besuchen.

Wie bist Du denn eigentlich auf Musical als Beruf gekommen?

Wie das Leben so spielt… Ich bin eigentlich diplomierte Opernsängerin, nämlich Sopranistin. Sieben Jahre lang habe ich Bühnen- und Konzertgesang sowie Operngesang studiert. Mein Theaterdebüt war im Kieler Opernhaus. Als ich eine Familie gegründet habe und schwanger wurde, hat sich meine Stimme durch die Hormone verändert – ich war eine hohe Souprette, dann kamen die ersten Jahre mit meinem Kind und die Stillzeit. Danach war zwar die Stimme wieder da, aber einige Jahre vergangen – mir war natürlich mein Familienleben in der Zeit wichtiger.

Amani Robinson in „Songs for A New World“, Theater Lüneburg © Andreas Tamme

Als es dann um das „Wie geht es jetzt weiter?“ ging, hat mein guter Freund und Mentor Dennis Legree – übrigens ein großartiger Sänger, der letztens erst Zweiter bei „The Voice Senior“ geworden ist – mich über Umwege auf den Musicaljob gebracht. Es waren wirklich viele Umwege! So viele, dass die allein das Interview schon sprengen würden, wenn ich davon erzählen würde! Jedenfalls fand ich mich in Darmstadt in einer Produktion wieder und stellte fest: Ich kann richtig gut belten! Das war überraschend und machte mich neugierig, was da noch so geht …

Also eine richtige Quereinsteigerin?

Absolut! Und ich liebe diese Branche, ich liebe die Arbeitseinstellung, ich liebe die lockere Art der Kollegen. Dass man, anders als im Klassischen, nicht vom Kopf aus einen Song interpretiert, sondern ihn aus dem Bauch und Gefühl heraus entwickeln kann, ist großartig. Klar hilft der technische Hintergrund meines Studiums auch beim Singen. Schauspiel hatte ich ja im Klassikstudium auch und habe von tollen Professoren viel Handwerkzeug gelernt. Dass ich auch Tanzen darf, ist aber auch toll! Mittlerweile konnte ich so schon viele wunderbare Rollen für mich entdecken. Es ist mir eine Ehre, dass ich auch schon so tolle Powerhouse-Rollen wie Oda Mae Brown in „Ghost“ oder Deloris Van Cartier in „Sister Act“ verkörpern durfte!

Schauspiel, Tanz und Gesang – was gefällt dir davon denn am meisten?

Definitiv der Gesang. Natalie Weiss oder Audra McDonald, Jordan Fisher oder Eva Noblezada sind großartige InterpretInnen, die mich inspirieren. Aber auch meine Kollegen sind wahnsinnig inspirierend. Ich schockverliebe mich oft in tolle musikalische Darbietungen! Ich liebe aber auch gute Schauspielstücke wie „Die Dreigroschenoper“, aber das Singen wird immer an erster Stelle stehen. Ich lebe für und durch Musik und definiere mich auf jeden Fall vor allem anderen als Sängerin. Konzertsängerin könnte ich auch sein, aber dabei eine Geschichte zu erzählen, ist noch reizvoller. Dabei mag ich eigentlich jedes Musikgenre. Außer Schlager vielleicht…

In der „Dreigroschenoper“ musst Du ja Blues, Jazz und volkstümliche wie klassische Lieder singen. Deine Rolle ist die Polly – wie würdest Du diese Figur beschreiben? Und was findest Du an dem Stück bemerkenswert?

Aus heutiger Sicht ist Polly eine etwas schwierige Figur, die sich ziemlich unterbuttern lässt. Sie hat aber einige Momente, in denen sie auch auf den Tisch hauen und sich selbst geltend machen kann. Sie bricht aus ihrer Familie aus und begehrt äußerlich gegen ihre Eltern auf. Dabei ist am Ende nicht ganz klar, ob sie wirklich rebelliert oder nicht. Aber mir ist es ein Anliegen, Polly in dieser Inszenierung eigenständig und stark zu zeichnen. Dabei spielt sie natürlich eine große Rolle in der Gesamtaussage des Stücks: Wie viel ist was wert? Brecht hat viele kluge und wahre Sprüche, die er bringt – und viele davon sind nach wie vor spannend!

Amani Robinson als Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“ am Theater Lüneburg © Andreas Tamme

Das ist ja nicht Deine erste Rolle am Theater Lüneburg…

Stimmt! Während der Coronapandemie habe ich mit „Songs for a New World“, einem Herzensstück vieler Musicaldarsteller, hier angefangen. Trotz der Pandemie hat dieses großartige Theater es etappenweise geschafft, das Musical aufzuführen. Um eine richtige Dernière hat uns Corona aber dann leider gebracht. Die Zeit hat uns aber zusammengeschweißt. Danach haben wir „Jesus Christ Superstar“ gespielt, wo ich Maria Magdalena war. Hier herrscht eine familiäre Atmosphäre und das Haus ist klein, aber fein – und hier kommt man gerne zur Arbeit. Außerdem ist die Beziehung zwischen Theater und Publikum hier super – es ist immer gut gebucht! Ich arbeite schon das vierte Mal mit diesem tollen kleinen Theater zusammen. Dass sie so mutig waren und „mich“ als PoC auf gerade diese Rolle besetzt haben, hat mich richtig glücklich gemacht – ich habe mich im Grunde colourblind gecastet gefühlt.

Sowas passiert nicht allzu häufig, nehme ich an?

Letztes Jahr wurde ich ja als Mrs. Van Hopper für „Rebecca“ in Magdeburg gecastet. Als ich die Rolle so erarbeitet habe, war ich nicht die einzige, der auffiel: Diese Rolle müsste eigentlich schwarz sein! Die Attitude und das, was Van Hopper singt, passt einfach. Das war übrigens das erste Mal, nach mir kam dann Ana Milva Gomez in Wien! „Ich hab Blues in den Venen“ oder sowas singt die Figur ja! War der Text so? Ohje, ich und Zitate…

Amani Robinson als Mrs. Van Hopper in „Rebecca“ beim Domplatz Open Air in Magdeburg © Andreas Lander

Aber auf der Bühne bist du immer textsicher?

Während der Show schon, aber ansonsten lasse ich sprichwörtlich meinen Text manchmal an der Abendkasse. Bei Soundchecks zum Beispiel! Letztens vor „Rent“ haben sie beim Soundcheck zu mir gesagt: „Sing‘ mal einen deiner tieferen Songs!“ und mir ist einfach der Text nicht eingefallen – dann musste der Tontechniker selbst mir den Text vorsprechen, dann ist er mir eingefallen! Aber auf der Bühne ist der Text sofort wieder da, es ist wie „muscle memory“ – sobald die Bewegungen und das Drumherum da ist, kommt alles ganz natürlich.

Da sind wir schon beim nächsten Thema: „Rent“! Eine wunderbare Produktion, die Ihr da in Dortmund auf die Beine gestellt habt. Wie sind deine Rolle Joanne und das Stück für dich?

Eine sehr spannende Rolle, weil sie immer etwas außen vor ist. Sie gehört nicht ganz zu den Bohemians, ist aber eine wichtige Stütze und repräsentiert ein anderes soziales Umfeld. Sie ist Anwältin, kommt aus einer gut situierten Familie – anders als die anderen Figuren im Stück. In der Probenphase war das auch sehr spannend zu erarbeiten. Manchmal war es herausfordernd, in der Rolle immer ein wenig eine Außenseiterin zu sein. Ich wollte auch mit den anderen Spaß haben! Andererseits war es wegen der hochkarätigen und super professionellen Cast ein sehr angenehmes Arbeiten. Ich bin jetzt schon traurig, weil es am 1. April schon wieder endet…

Amani Robinson als Joanne in „RENT“ am Theater Dortmund © Thomas M. Jauk

Im Gegensatz zu 2022, wo Du wirklich wahnsinnig viele Jobs hattest, ist es aktuell mit „Rent“ und „Dreigroschenoper“ ja recht entspannt für Dich. Was machst Du so, wenn Du frei hast?

Ich bin wahnsinnig gerne im Garten, aber noch nicht wirklich weit gekommen. Außerdem versuche ich kreativ und handwerklich zu arbeiten. Letztens habe ich zum Beispiel ein schönes Moosbild gebastelt. Und den Rest der Zeit nimmt meine Familie ein. Letztes Jahr war die Familienzeit etwas weniger, was uns Körner gekostet hat. Ich mache daher auch aktuell keine Longruns mehr, denn um ständig von Zuhause weg zu sein, habe ich keine Familie gegründet!

Ist „mehr Zeit für die Familie“ ein Vorsatz für das nächste Jahr?

Vielleicht. Außerdem auf jeden Fall: An meiner Fitness arbeiten! Für „Hairspray“ als Dynamite nächstes Jahr muss ich richtig fit sein. Auf die Rolle freue ich mich trotz der anspruchsvollen Choreographien sehr, denn ich liebe Chorarbeit. Mit anderen zusammen tighte Harmonien zu kreieren, die man spüren kann, ist sehr erfüllend. Der Sport wird aber herausfordernd – Routine ist in dem Job eigentlich so wichtig, aber wird dann, wenn ein Engagement endet, ganz schnell wieder vernachlässigt.

Eine Frage zum Schluss: Was ist dein aktuelles Lieblingsmusical?

Auf jeden Fall „Hadestown“ – ich bin obsessed damit! Da würde ich extrem gerne mitspielen, wenn das mal nach Deutschland käme – am liebsten als Persephone oder sogar Eurydike. Das wäre ein Träumchen!

Vielen Dank für das offene und unterhaltsame Interview! Wir wünschen Dir alles Gute für das nächste Jahr und Deine kommenden Engagements – und freuen uns schon, dich demnächst wieder auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu sehen!

 
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