[Drei Fragen an …] Stefan Tilch, Intendant des Landestheaters Niederbayern, bringt das Musical „Spamalot“ ab Freitag auf die Bühnen der drei Spielstätten des Theaters. In der Rubrik „Drei Fragen an…“ spricht er über den Humor Monty Pythons und den Weg eines Broadway-Erfolgs auf eine deutsche Stadttheaterbühne.
Herr Tilch, Sie holen das Musical „Spamalot“ nach der deutschsprachigen Erstaufführung in Köln als Erster in ein deutsches Mehrspartenhaus. Schon bei der Broadway-Premiere schrieb das US-Magazin „Slate“, dass dieses Musical der „Höhepunkt einer langen, unlustigen Tradition der kommerziellen Ausbeutung von Monty-Python-Kalauern“ ist. Muss man Monty Python mögen, um mit dem Musical etwas anfangen zu können? Wie begegnen Sie einer solchen Kritik?
Python-Humor basierte nie auf Kalauern (das war Heinz Erhardt), und von einer „Tradition seiner kommerziellen Ausbeutung“ weiß ich nichts. Die fünf lebenden Pythons kontrollieren sich ja bis heute gegenseitig und stellen sicher, dass da, wo „Python“ draufsteht, auch Python drin ist. Das einzige, was inflationär angewachsen ist, ist die Verwendung der Redewendung „im Stile der Monty Pythons“, um alles zu beschreiben, was sich tradierten Zuordnungskriterien entzieht. Dafür kann aber wiederum „Spamalot“ nichts.
Eines stimmt natürlich: Das Wirken der Monty Pythons liegt gute 40 Jahre zurück, vieles, was in den 70ern massive subversive und ancharchische Sprengkraft hatte, ist mittlerweile familientauglich geworden und wirkt gegenüber vielem, was uns heute als „Comedy“ verkauft wird, regelrecht harmlos. Das Musical bemüht sich nicht, den alten Skandalgeist in die Gegenwart zu transportieren. Es „fleddert liebevoll“, wie auf der Titelseite steht, einen alten Film und holt ihn über ein neues Genre in unsere Tage. Dem haftet natürlich etwas Nostalgisches an: Python-Fans aller Länder, vereinigt Euch und feiert, was ihr schon immer liebtet! Daran allerdings, dass dieser Humor grundsätzlich die Geister scheidet, und dass eben nicht jeder Ritter mit Kokosnüssen für lustig hält, hat sich nichts geändert.
Trotz diverser Negativrezensionen hat das Musical einen Siegeszug um die Welt angetreten und am Broadway 14 Tony-Award-Nominierungen erhalten. Was macht diese Show so sehenswert, gerade auch für Besucher des Landestheaters Niederbayern?
Das Stück ist fabelhaft kalkuliert und konstruiert. In der langen Tradition von Musicals, die auf Filmen basieren, von „Promises, Promises“ bis „Women on the verge of a nervous breakdown“ sticht es sehr wohltuend heraus, weil es nicht einfach das Drehbuch nimmt und an einigen Stellen kürzt, um Platz für eine Musiknummer zu schaffen, sondern weil es als Musical gleichsam frei über den Originalfilm fantasiert, der Bühne gibt, was der Bühne gehört und so etwas ganz Eigenes schafft. Der Anteil an Originaldialogen aus dem Film liegt vermutlich bei unter 10 Prozent, dennoch hat man nach der Show das Gefühl, den Film wieder erlebt zu haben.
Unsere Produktion zeichnet sich durch das Wirken eines (außer mir) hundertprozentig britischen Teams aus: Die musikalische Leitung liegt bei unserem Generalmusikdirektor Basil Coleman, die fabelhafte Ausstattung kommt von Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels und die Choreographie ist von Jonathan Lunn. Da ist sehr viel Wissen um den richtigen Umgang mit dem Stoff versammelt. Das koppelt sich mit einem hoch motivierten und für diesen Humor hoch begabten männlichen Schauspieler-Ensemble. Letztlich wollen wir den Beweis antreten, dass es viel mehr gar nicht braucht, um sich über dieses Stück den Broadway ins heimische kleine Stadttheater zu holen.
Die Monty Pythons waren nie politisch korrekt. Das ist eines ihrer Markenzeichen und machte sie bekannt. Für Köln wurden einige Änderungen an der Show vorgenommen, die in New York oder London funktionierten, in Deutschland aber „entschärft“ werden mussten, beispielsweise Sir Robins Song über Juden am Broadway, eingerahmt von Tänzern mit Davidstern-Amulett. Wie halten Sie es mit dieser oder ähnlichen Szenen?
Als jemand, der seine Kindheit in den 70ern erlebte, bin ich traumatisiert von der damaligen Synchronpraxis, Filme durch wildes und freies „über das Bild Sprechen“ für den deutschen Sprachraum „noch passender“ und vor allem „noch witziger“ zu machen. Wir erinnern uns mit Grausen an die deutschen Synchronfassungen von „Holy Grail“ oder „Brian“, aber auch von Mel Brooks, dem frühen Woody Allen oder selbst Bud Spencer/Terence Hill und Louis de Funès. Von daher bin ich im Umgang mit diesen Dingen von einem unendlichen Purismus durchdrungen und weiche kaum um ein Komma vom Originaltext ab, ohne Ansehen des gesellschaftlich-politischen Kontextes. Was zum Beispiel die kirchlichen Passagen angeht, das Nonne-Mönch-Ballett oder natürlich die „heilige Handgranate von Antiochia“, kann es durchaus passieren, dass etwas, was am Broadway niemanden aufregt, im heutigen Niederbayern immer noch Diskussionen auslöst. Die nehme ich gerne in Kauf.
Dass auch wir uns, nach sehr langer Diskussion, dazu entschieden haben, den „Juden-Song“ als „Broadway-Song“ zu singen, hat überhaupt nichts mit politischer Korrektheit zu tun, sondern ganz einfach mit dem Umstand, dass ich nicht davon ausgehe, in unserem Publikum den Hauch eines Bewusstseins für die Thematik „die Juden, das Show-Business und der Broadway“ vorzufinden. Selbst ich, als relativ regelmäßiger Broadway-Besucher, kann darüber nur so halb schmunzeln, wie kann ich dann erwarten, dass ein niederbayerisches Publikum es lustig findet? Wir berufen uns hier auf die englische Tournee-Produktion, die den Text auch veränderte, und das sicher nicht aus Furcht vor Antisemitismus-Vorwürfen, sondern weil auch der englische Theaterbesucher außerhalb Londons für den Witz einfach nicht das nötige Vorwissen haben dürfte.