[Drei Fragen an …] Am Samstag feiert das Musical „Die Hexen von Eastwick“ Deutschlandpremiere in Gelsenkirchen. Das Musical über die drei Hexen, die sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen, wird dort von Gil Mehmert in Szene gesetzt. Im Interview erläutert er kurz vor der Premiere den Unterschied zwischen Buch, Film und Musical und berichtet davon, dass Musical nicht zwingend als „Publikums-Köder“ fungieren muss, sondern gerade die weniger bekannten Shows einen hohen Unterhaltungswert haben.
Ein Film auf der Musicalbühne – kann funktionieren, muss aber nicht. Was macht das Musical rund um die „Hexen von Eastwick“ aus? Worin unterscheidet es sich von der Filmvorlage?
Wichtig ist erstmal, dass der Film nicht das Original-Medium ist, sondern eben der Roman. Natürlich bedient sich das Musical auch einiger dramaturgischer Entscheidungen der filmischen Verdichtung, aber der Roman bleibt Ausgangspunkt. Jedes Medium erzählt und wirkt anders und insofern hat eine Musical-Bühnenfassung wieder ihre eigenen Gesetze. Der Mehrwert einer Musical-Fassung ist sicherlich die weitere Konzentration der Geschichte auf Personage und Handlungsstränge, die emotionale Ebene der Musik und die Wirkung von Choreographien. Aber die wichtigste Komponente ist das Theater an sich! Die Story wird live performt, in Echt-3-D. Das ist immer ein Wagnis, so „ungeschützt“ anzutreten, aber es ist nunmal unser Beruf.
Eine eigentliche Aussage des Materials erscheint mir in der Musical-Fassung viel greifbarer, die Metaphern der Geschichte werden deutlicher. Denn man könnte die Begegnungen in diesem Plot auch ganz realistisch, ohne überhöhte Magie erzählen. Aber so wird klarer, dass Darryl als Sinnbild männlicher Urkräfte einen Kampf mit dem Weiblichen eingeht, welches in seiner Vielschichtigkeit durch gleich drei Frauen vertreten ist. Darryl selber, der „göttliche Teufelskerl“, erfährt schon im Film, sowohl dramaturgisch als auch in der charismatischen Besetzung mit Jack Nicholson, eine Aufwertung gegenüber dem Roman, die auf der Bühne durch seine Songs noch weiter ausgebaut wird. Andererseits wirkt die Bühnenfassung in ihrer Verknappung stellenweiser auch etwas naiver, was den Märchen (für Erwachsene) – Charakter verstärkt und zu einer dementsprechenden Ausstattungsästhetik einlädt.
Die Grund-Konflikte zwischen den Geschlechtern werden im Musical außerhalb der bekannten Protagonisten, aber auch noch in einer neuen Konstellation durchgespielt. Felicia Gabriel, die Gegenspielerin der teuflischen Sippe und Sinnbild von Moral und Ordnung, hat hier mit ihrem Mann die Tochter Jennifer, die nun ausgerechnet mit Michael, Sohn der Hexe Alexandra, eine zunächst höchst romantische und unschuldige Beziehung führt. Damit ist auch ein „richtiges“ Liebespaar dabei, das aber ordentlich in den teuflischen Strudel hineingerissen wird, und hier folgt das Bühnenwerk wieder dem Roman: Der verlassene Teufel nimmt sich eine wesentlich Jüngere, um die drei Hexen tief zu verletzen.
Als Regisseur kommen Sie in Deutschland viel herum und haben Einblick in viele verschiedene Häuser. Wo in Deutschland sind, Ihrer Meinung nach, derzeit die engagiertesten und innovativsten Musicalproduktionen zu sehen?
Der erste Teil der Frage ist erstmal eine sehr optimistische Unterstellung. Dieser Satz könnte auch so weitergehen: „Als Regisseur kommen sie in Deutschland viel rum, … weil sie während ihrer Proben dennoch zu Vorbereitungsgesprächen, Besetzungstreffen und Bauproben unterwegs sind – dann noch die Folkwang-Professur und Familie – haben sie da noch Einblick…?“ Natürlich versuche ich viel mitzubekommen und über den Tellerrand zu schauen, aber da gibt es größere Fachleute, die über diese Szene einen viel besseren Überblick haben. Mein Plus ist aber vielleicht, dass ich gleichzeitig die anderen Genres, eben Schauspiel, Oper und Film auch noch im Visier habe. Das befruchtet hoffentlich meine Arbeit. Grundsätzlich finde ich Entwicklungen wie in Hildesheim und Linz großartig, wo allein durch die Gründung einer eigenen Sparte anderes, neues, ungewöhnliches Repertoire auf den Spielplänen erscheint. Danach lechzen ja auch die Darsteller, die Geheimtipps ihrer CD-Sammlungen endlich auf der Bühne spielen zu können. Daneben fallen natürlich Häuser wie St. Gallen, Magdeburg, Salzburg oder das Gärtnerplatztheater in München auf, die sich jeweils unter ihren aktuellen Intendanzen um das Genre verdient machen. Auch in größere, vermeintlich statischere, Betriebe kommt in letzter Zeit Bewegung, da macht die komische Oper in Berlin eine spektakuläres „Kiss Me, Kate“ oder Hannover eben „Lady in the Dark“. Aber auch viele weitere Intendanten entdecken immer mehr die Möglichkeiten des Musicals, nicht nur als Publikums-Köder, sondern als ein Genre mit ungeheuren und längst nicht ausgeschöpften erzählerischen Möglichkeiten zur zukünftigen Belebung des Theaters.
Sie haben sich an einige Produktionen herangewagt, die in Deutschland bisher weniger bekannt sind, wie z. B. die „Bloodbrothers“ oder jetzt die „Hexen von Eastwick“. Sehen Sie darin die Zukunft der deutschsprachigen Musicalszene? An welche Stücke aus dem Westend oder vom Broadway würden Sie sich gerne noch „heranwagen“?
Natürlich gibt es tolles Material aus dem anglo-amerikanischen Raum, aber entweder sind die Produktionen zu erfolgreich (dann kommen sie als Lizenz-Produktion herüber, also schon fertig inszeniert) oder sie sind so gut, weil sie ganz nahe an den jeweiligen Verhältnissen entlang erzählen: „Book of Mormon“, „Catch Me, If You Can“, etc. Die großen Geschichten erzählen eben etwas über die Menschen und ihre Konflikte dort vor Ort. Und so kann doch die Zukunft unseres Musicals nur in unseren eigenen Geschichten liegen. Und da kommt in Kürze anscheinend auch einiges auf uns zu. Kann man ja auf musicalzentrale alles verfolgen: „Kein Pardon!“, „Timm Thaler“, „Alles auf Zucker“.
Dennoch gibt es natürlich immer wieder Perlen, die man dann doch auf der anderen Seite des Teiches fischt. Auffälligerweise waren meine letzten drei Musical-Erstaufführungen dort keine großen Hits, „High Fidelity“, „Ein Mann geht durch die Wand“ und jetzt „Die Hexen von Eastwick“ waren nicht massenkompatibel genug, um das Touristen-Publikum einzufangen, umso interessanter aber manchmal für einen Regisseur, denn das heißt ja nicht, dass die Stücke schlecht sind, im Gegenteil. Der Erfolg hat eben viele Komponenten. Absurderweise konnten wir die beiden erstgenannnten Werke sogar als Erstaufführungen an die Folkwang-Uni holen. Unser Glück, aber schade, dass die Stadttheater nicht zubeißen. Beides ist aber ohne viele Gäste auch schwer zu realisieren.
Um die letzte Frage nun konkret zu beantworten: Bei „Once“ dachte ich sofort, als ich den Film im Kino sah, dass man diesen noch ausbauen und mit den schönen Songs auf die Bühne bringen kann. Das haben andere nun auch gedacht. Aber vielleicht darf man hier ja auch mal dran denken, wenn es die Rechte gibt.