Koen Schoots: Meisterwerke brauchen keine Änderungen

[Drei Fragen an …] Koen Schoots ist musikalischer Leiter der Wiederaufnahme von „Elisabeth“ im Raimund Theater in Wien und zudem Experte in Sachen Frank Wildhorn im deutschsprachigen Sektor. Zum Anlass der anstehenden „Elisabeth“-Premiere am 5. September spricht er über die Erfolgsstory des Musicals und außerdem über die Broadway-Flops der jüngsten Wildhorn-Musicals.

Herr Schoots, Sie zeichnen verantwortlich für die musikalische Leitung bei der Wiederaufnahme von „Elisabeth“ in Wien. „Elisabeth“ ist das am häufigsten auf CD eingespielte deutschsprachige Musical. Gibt es bei der neuen Wiener Fassung Änderungen gegenüber vorangegangenen Produktionen?
Bei Elisabeth kann man mittlerweile von einem Meisterwerk der Musicalliteratur sprechen. Und Meisterwerke brauchen keine Änderungen, wohl aber einen sorgfältigen Umgang mit dem Material. Niemand würde ernsthaft über Änderungen bei etwa West Side Story nachdenken. Und obwohl die Werke nicht unmittelbar vergleichbar sind, so ist auch „Elisabeth“ ein Gesamtkunstwerk von Musik, Dramaturgie, Regie, Choreographie, Bühne und Licht. Ich lege großen Wert darauf, dass die Musik so interpretiert wird wie sie geschrieben wurde: die Melodieführung, der musikalische Bogen eines Songs oder einer Szene und vor allem auch die Rhythmik. In den 20 Jahren seit der Uraufführung haben sich gewisse Traditionen etabliert. Manche davon machen Sinn und sind in die Partitur eingeflossen. Einige sind aber beliebig und nach meinem musikalischen Verständnis unmotiviert. In enger Absprache mit Sylvester Levay und Harry Kupfer gehe ich mit dem Ensemble und den Solisten wieder frisch an die Sache heran, als hätte niemand die Show je gespielt. Es ist gerade auch für die Veteranen ein tolles Erlebnis, die Show neu zu entdecken.
Die einzige Änderung, wenn man so will, ist die Wiederherstellung des 1992-er Prologs, also mit den Solosätzen von Sophie, Ludovika, Franz-Joseph, Max, Rudolf als Kind und Erwachsener.

Welche ist die für Sie persönlich gelungenste Einspielung des Musicals?
Ich habe nicht unbedingt eine Lieblingsaufnahme. Jede Aufnahme ist durch die Interpretation der Hauptrollen geprägt und jede Elisabeth, jeder Tod, jeder Lucheni und jeder Rudolf haben ihre Persönlichkeiten mit eingebracht. Wenn ich unbedingt eine Aufnahme wählen müsste, wäre es das erste Cast-Album aus 1992 mit Pia, Uwe, Ethan und Andy. Großartige Künstler und Sänger!

Sie sind als Spezialist für die Musicals von Frank Wildhorn bekannt und haben einige seiner Stücke musikalisch inszeniert. Was denken Sie über die jüngsten Broadway-Flops von Wildhorn? Ist die Kritik berechtigt, dass Wildhorns Stil überholt ist?
Ich habe noch nicht gehört, dass der Stil von Frank Wildhorn überholt sein soll. Gerade Frank lässt sich auch nicht auf einen Stil festlegen. Natürlich ist er bekannt für seine Powerballaden. Das mag man, oder eben auch nicht. Aber wenn man sein jüngstes Werk „Bonnie & Clyde“ anhört, so ist das ein Stil, den man von Frank bisher nicht kannte. Mir ist es ein absolutes Rätsel wie diese Show floppen konnte. Ich habe sie von der ersten Preview in San Diego bis zur zweiten Serie in Sarasota, Flora und dem Final Workshop in New York begleitet und war überzeugt davon, dass die Show ein Erfolg werden würde. Alles hat gepasst: das Buch, die Lyrics, die Musik, die selten so atmosphärisch dicht war, und die Umsetzung. Die Hauptdarsteller waren sensationell. Ich bin nach wie vor erstaunt und kann es mir nicht erklären.
Obwohl ich persönlich die Musik von „Wonderland“ sehr gerne mag – es gibt wirklich tolle Nummern – so war ich vom Floppen dieser Show weniger überrascht. „Alice in Wonderland“ ist eine schwierige Geschichte, es sind ja eigentlich nur Einzelstationen und es ist nicht unbedingt geeignet für ein Bühnenstück. Die beste Version war eigentlich die erste „Out-Of-Town“-Produktion in Tampa. Da war es frisch und hatte Pep. Aber zu viele Köche haben den Brei dann verdorben – es haben zu viele Leute mitgeredet und es wurde herumgedoktert und „verschlimmbessert“. Die Broadway Produktion hatte keine persönliche Handschrift mehr, sondern war das überfrachtete Ergebnis der (zu) vielen Zutaten.
Wer „Frank Wildhorn und Friends“ in Wien gehört hat oder sich die CD besorgt hat, weiß, dass Frank eine enorme Bandbreite hat. Vielleicht ist es deswegen so schwierig für die Kritiker, ihn einzuordnen. Der Mann kann zu viel. Und auch wenn man den Broadway gerne als Zentrum der Welt sieht, Frank ist äußerst erfolgreich in Europa und Asien. Das kommt auch nicht von alleine….

Overlay