Martin Berger: Warum lässt man sich schöpfen?

[Drei Fragen an …] Am 16. November erlebt das Musical „Galathea bleibt“ seine Uraufführung im Zebrano-Theater Berlin. Zusammen mit Musiker Jasper Sonne und Schauspielerin Julia Klotz hat Regisseur und Texter Martin Berger einen „Musical-Monolg“ entwickelt, der den Pygmalion-Mythos zum Thema hat. Für die muz beantwortet er drei Fragen zur Entstehung und Erarbeitung dieses Projekts.

„Galathea bleibt“ ist ein Musical über den Pygmalion-Mythos aus der griechischen Mythologie. Was reizte Sie an dem Thema?
Griechische Mythen sind mit die ältesten uns überlieferten Geschichten – und es ist unglaublich, wie aktuell sie noch sind. „Pygmalion“ ist außerdem auch in den 400 Jahren Musiktheater ein sehr beliebtes Thema gewesen: Sei es im Melodram von Rousseau von 1775, das den Stoff bereits verarbeitet hat, im Schauspiel von Shaw von 1913 oder im in Deutschland wohl bekanntesten Musical „My Fair Lady“ von Loewe und Lerner, das aus dem Jahr 1956 stammt.
Das Spannende an diesem Stoff ist nach wie vor die Beziehung von Geschöpf und Schöpfer. Kann man etwas lieben, das man selbst geschaffen hat? Was ist diese Liebe wert? In den übertragenen Varianten des 20. Jahrhunderts geht es dann aber auch um die Frage: Warum lässt man sich schöpfen? Was bedeutet es für die eigene Selbstwahrnehmung, zu wissen, dass man das Geschöpf eines anderen ist?
„My Fair Lady“ und „Pygmalion“ gingen uns da zum einen nicht weit genug (der interessanteste Teil, nämlich die auf Dauer ausgelegte Beziehung, wird ja mit dem Ende ausgespart) und erschienen uns überdies nicht mehr zeitgemäß. Wir wollten wissen, was das Geschöpf selber dazu sagt und wie es sich im Hier und Jetzt des neuen Jahrtausends verhalten würde – wo es ganz neue Beziehungsformen gibt, ganz neue Möglichkeiten und eine ganz andere Gesellschaft.

Das Werk wird als „Musical-Monolog mit Klavierbegleitung“ angekündigt. Wieso lassen Sie nur eine Person erzählen und bauen keine weiteren Personen, wie beispielsweise Pygmalion, in die Geschichte ein?
Ein Ein-Personen-Stück bedeutet eine starke Perspektivierung und Subjektivierung, d.h. das Publikum sieht durch die Augen einer einzelnen Person auf das Geschehen. Das ist immer ungeheuer reizvoll, weil die Erinnerungen und Erzählungen emotional gefärbt und verfremdet sind. Es ist unklar, ob die Person eine Absicht mit dem Erzählten verfolgt, ob sie sich nur halb daran erinnert oder ob sie vielleicht sogar lügt.
Alle bisherigen Varianten des Stoffs schilderten einen Blick von Außen: die ursprüngliche Galathea, die als Statue zunächst gar keinen eigenen Willen hat genau so wie Shaws Eliza, die wir aufgrund ihrer Naivität unter Umständen belächeln. In „Galathea bleibt“ tritt einem die erwachsene, gereifte Frau am Ende der unheilvollen Beziehung entgegen. Sie beschreibt und erklärt ihre Motivationen, ihre Gefühle und ihre Gedanken und macht damit die Problematiken viel greifbarer.
Diese Konstellation fordert eine unheimliche Konzentration und Intimität. Zwei Personen bilden Situationen, helfen und behindern sich, verlassen sich aufeinander und reiten sich rein. Eine einzelne Person hat keine Chance. Sie ist dem Publikum ausgeliefert wie auf dem Seziertisch, mit allem was sie hat. Ich kenne in Deutschland nur wenige Darsteller, die diese Aufgabe so fantastisch meistern wie Julia Klotz. Sie ist ein echter Glücksfall und wer sie kennt, weiß, dass sie allein schon der Grund sein kann, ein Stück ohne andere Personen zu schreiben.

Ein solch komprimiertes Projekt – Komponist, Regisseur, Arrangeur und Darstellerin – verlangt nach einer intensiven Zusammenarbeit und sicherlich einer anderen Erarbeitung als eine personell stärker besetze Produktion. Wie sah bzw. sieht Ihre Zusammenarbeit aus?
Julia und ich wollten schon seit längerer Zeit etwas Gemeinsames erarbeiten. Als mir die Idee zum konkreten Stück kam, war klar, dass ich meinen langjährigen Komponisten Jasper Sonne mit an Bord hole. Wir hatten das große Glück, dass die Staatsoper Hannover, an der ich seit 2011 engagiert bin, uns die Möglichkeit gegeben hat, das Stück in ihren Räumlichkeiten zu entwickeln. Julia war zuvor dort bei „Kiss Me, Kate“ als Bianca zu sehen und vor Ort. Mit Arrangeur Oliver Imig, der ebenfalls fest am Haus ist, hatte ich schon in kleineren Projekten hervorragend zusammen gearbeitet.
Ein kleiner, familiärer Apparat, wie wir ihn bilden, ist natürlich ungemein flexibel. Wir können das Material auf unsere konkrete Fähigkeiten zuschneiden, benötigen keine Hierarchien und wissen gegenseitig um unsere absolute Unersetzbarkeit. Das schafft eine wahnsinnig konstruktive und schöne Arbeitsatmosphäre – jede Probe ist eine Freude.

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