Peter Dorsch: Aufklärungsunterricht inklusive

[Drei Fragen an …] Das Schleswig-Holsteinische Landestheater bringt am Samstag die Premiere des Musicals „Beate U. – Aus einem Frauenleben in Schleswig-Holstein“ auf die Bühne, das der Flensburger Ehrenbürgerin Beate Uhse gewidmet ist. Bietet diese Lebensgeschichte mehr als die intimen Details einer Sexpionierin? Was erwartet den Zuschauer? Darüber spricht Peter Dorsch, Regisseur der Show, im muz-Interview.

Ihr Musical handelt von Beate Uhse, einer Frau, die viele mit dem Erotik-Business in Verbindung bringen. Dennoch war sie mehr als das…
Genau. Beate Uhse ist eine spannende und vielschichtige Figur; eine starke, unkonventionelle Frau, die sich schon jung in der Männerwelt durchgesetzt hat, bzw. durchsetzen musste.
Sie begann als Sport- und Kunstfliegerin und war bald die erste (und einzige) Stunt-Pilotin Deutschlands. Sie doubelte in verschiedenen Kinofilmen männliche Schauspieler, wie z.B. im Jahr 1940 René Deltgen im Streifen „Achtung, Feind hört mit“. Im Zweiten Weltkrieg war sie Testpilotin und überführte (im Range eines Hauptmanns) reparierte Kriegsflugzeuge.
Auch im Nachkriegsdeutschland hat sie sich nicht um Konventionen geschert. Sie verfasste Aufklärungsschriften und vertrieb diese zusammen mit Verhütungsmitteln in ihrem Versandhandel. Damit wurde sie im Laufe der Jahre eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Unternehmerinnen Deutschlands. Ihre Ideen fanden weltweit Nachahmer; so eröffnete sie in Flensburg 1962 den ersten Sex-Shop der Welt. Auf dem Schild über der Ladentür des kleinen Geschäfts stand damals allerdings noch nicht „Sex-Shop“, sondern „Fachgeschäft für Ehehygiene“.
Beate Uhse kann somit als eine sehr emanzipierte Frau und Vorreiterin der Frauenbewegung bezeichnet werden. Gleichzeitig war sie jedoch seit den 70er Jahren als Produzentin von Pornofilmen auch einer starken feministischen Kritik (als Ausbeuterin von Frauen) ausgesetzt.

Die Show ist als eine Art Revue aufgebaut, in der Beate Uhses Leben wie in ihren berühmt gewordenen Aufklärungsfilmen öffentlich präsentiert wird. Worauf haben Sie bei Ihrer Inszenierung besonderen Wert gelegt? Ist es eher der korrekte Umgang mit der Geschichte der Person oder geht es vielmehr um ihr Bild in der Gesellschaft?
Der Autor Peter Schanz hat viel über Beate Uhse und ihr zeitgeschichtliches Umfeld recherchiert. Er orientiert sich an ihren Lebensstationen ab Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrer Ernennung als Ehrenbürgerin der Stadt Flensburg im Jahre 1999. Das Stück will aber nicht akribisch die Lebensgeschichte der Beate Uhse erzählen. Es ist stattdessen eine Revue, in der in lockerer Reihenfolge ihr Leben mit Stationen der Geschichte der Bundesrepublik verwoben wird. Es gibt viele musikalische Szenen und Songs aus den jeweiligen Geschichtsepochen mit tanzenden Hippies, singenden Ossis, schüchternen Sexshopkunden, strippenden Hausfrauen, mit der biederen Familie Mustermann aus Neumünster, einer ausartenden Talkshow und natürlich auch vielen nachgespielten Szenen aus bekannten Aufklärungsfilmen der 60er Jahre. Durch den Abend führen zwei Figuren aus dem Beate-Uhse-Katalog – Helga und Bernd – die u.a. auch ihr mittlerweile legendäres Aufklärungsfotobuch „Helga & Bernd zeigen 100 Liebesstellungen“ auf der Bühne lebendig werden lassen.

„Beate U.“ wurde für das Schleswig-Holsteiner Landestheater erarbeitet und versprüht – verständlicherweise – reichlich Lokalkolorit. Lohnt sich die Anreise auch für Musicalinteressierte außerhalb des Bundeslandes?
Unbedingt! Das Stück spielt zum größten Teil in Schleswig-Holstein, weil Beate Uhse seit Ende des Zweiten Weltkrieges hier lebte. Aber mit Themen wie Geld, Macht, Kommerz, Heimat, Sex und vor allem auch der Rollenverteilung von Mann und Frau ist es allgemein gültig.
Und selbstverständlich gibt es jede Menge eingängige Melodien, bekannte Ohrwürmer, nackte Haut, knisternde Erotik und mehrere augenzwinkernde Medleys (etwa ein Sexmedley!), die die Handlung schwungvoll mit sehr viel Komik, aber auch berührenden und ernsten Momenten vorantreiben.
Aufklärungsunterricht inklusive: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber sich bisher nicht zu fragen wagten – wir liefern Ihnen amüsante Antworten.
Das ist wohl eine Reise in den hohen Norden wert, oder?

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