Sunday
Samuel Schürmann singt Sondheim / 2007

Samuel Schürmann singt Sondheim, begleitet von Nikolai Orloff am Flügel. Ein guter Querschnitt für alle, die Sondheim entdecken oder einmal ganz anders hören wollen.


Kunst ist nicht einfach…, will man in seinem Werk aufgehen, muss man auch auf Traditionen sehen“, so heißt es im Titelsong. Der Berliner Sänger und Musicaldarsteller Samuel Schürmann nimmt sein Publikum mit auf einen Spaziergang durch die dichte und verwobene Musikwelt des amerikanischen Komponisten und Texters Stephen Sondheim. Der Bezug zur Tradition gelingt ihm und macht Lust aufs Musical. Die größten Broadwayerfolge des mit mehreren Grammys und Tony-Awards ausgezeichneten Komponisten sind zu hören, abwechslungsreich für Klavier arrangiert und interpretiert von Nikolai Orloff.

Viele der Songs sind durch Künstler wie Barbra Streisand und Liza Minnelli berühmt geworden – obwohl sie ursprünglich für Männer komponiert worden sind. Genau hier verdient Schürmann Dank, denn man hört die Lieder plötzlich mit anderen Ohren. Ausschnitte aus elf Musicals werden vorgestellt, darunter die bekanntesten „Follies“, „Into the Woods“ und „Sweeney Todd“. Für das titelgebende „Sunday in the Park with George“ erhielt Sondheim 1985 den Pulitzer-Preis. Die Dramaturgie der CD wechselt von Komplettaufnahme bis zu Querschnitten, wie sie früher gerne bei Operetten und Opernschallplatten dargeboten wurden. Dieses Konzept gelingt mal mehr, mal weniger. Interessant ist es immer dann, wenn nicht Vertrautes zu Gehör gebracht wird, sei es durch das Klavierarrangement oder die Neu- bzw. Erstübersetzung.
Nikolai Orloff am Flügel spielt farbig und exakt, vergisst dabei aber nie, die eigene Interpretation in den Dienst des Sänger zu stellen. Wunderbar, wenn man bei seinem Spiel die anderen Orchesterstimmen förmlich hinzudenkt, besonders bei den „Sweeney Todd“-Ausschnitten „Johanna / Pretty Women / Not While I’m Around“.

Die CD beginnt mit einer Übersetzung von Jürgen Fischer. „Setze es zusammen“ („Sunday In The Park With George“) ist textlich anspruchsvoll und deutet dem Hörer gleich an, in welche Richtung die CD gestaltet ist.

„Warten auf die Girls der Show / Ich verlier den Verstand“ („Follies“) ist eine kleine Entdeckung, denn die Übersetzung von Michael Kunze hört man selten und sie macht Lust auf das selten gespielte Werk. Hier passt die Klavierbegleitung wunderbar. „Into the woods“ muss natürlich dabei sein, wobei die Auswahl von „Hallo kleine Frau/Irgendwo im Wald“ nicht wirklich glücklich ist, man hätte sich gewünscht, dass dann auch der Hitsong „No One Is Alone“ vielleicht übersetzt wird, doch er wird im Original als Extraeinspielung präsentiert.

Interessant ist, dass Schürmann auch vor den Brüchen des Komponisten nicht Halt macht und seine ganze Brandbreite präsentiert, von den seichten Ausschnitten „Fügsame Frauen / Weekend auf dem Lande“ („A Little Night Music“) bis zu inhaltsschweren Songs wie „I Remember“ (Evening Primrose) oder „Everybody Says Don’t / Anyone Can Whistle“ („Anyone Can Whistle“). Vielleicht liegt es aber auch am Wechsel von (Neu)Übersetzung und Originalsprache. „Ein Hoch auf die Ladies / Am Leben zu sein“ („Company“) klingt halt einfach naiver, wenn man es in der deutschen Übersetzung hört. Auf der anderen Seite ist es interessant, selten zu hörende Songs wie „Sonntag“ („Sunday In The Park With George“) komplett zu verstehen und deutsch interpretiert zu bekommen.

Wer Sondheim noch nie mochte, wird ihn nach „Sunday“ auch nicht lieben, aber vielleicht zumindest sagen: „Ach, Loosing my mind“ ist von Sondheim, das würde ich ja gerne mal auf der Bühne sehen….“ Wenn es am Anfang heißt „Kunst ist nicht einfach“, dann stimmt das. Aber es ist gut, dass sich immer wieder Künstler auch der schweren und künstlerischen Seiten des Genres Musical annehmen und den Hörer mit einer hörbaren Begeisterung zum Zuhören motivieren. Samuel Schürmann und Nikolai Orloff geling das.

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