Die Cast-CD zum neuesten Wildhorn-Musical „Bonnie & Clyde“ bietet alles, was eine gute Aufnahme braucht. Neben eingängigen Melodien und stimmigen Texten (von Don Black) sind es vor allem Jeremy Jordan und Laura Osnes in den Titelrollen, die wirklich begeistern.
Konnte man dem Fließband-Komponisten Frank Wildhorn in der Vergangenheit oft vorwerfen, dass er hauptsächlich austauschbare Powerballaden zu schreiben vermochte, so ist in der jüngsten Vergangenheit ein angenehmer Trend zu verzeichnen. „Wonderland“ war schon sehr abwechslungsreich, jedoch fehlte hier der musikalische rote Faden. Den hat „Bonnie & Clyde“ auf alle Fälle, ohne dabei in seichten Melodien oder Reprisen zu ertrinken. Auch wenn hier die wildhorntypischen großen Balladen ebenfalls nicht fehlen, klingen sie diesmal wie ausschließlich für dieses Stück geschrieben. Alles klingt nach dem Amerika der frühen Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts. Viel Country, Banjoklänge und Ukulelensounds – und die dazu passenden stimmlichen Interpretationen der gesamten Cast. Niemand klingt hier typisch „nach Musical“, alle haben ihre eigene (Countrysänger-) Stimmfarbe. So könnte man Melissa van der Schyff als Blanche Burrows in den ersten Takten von „You’re Goin‘ Back To Jail“ glatt für Country-Queen Dolly Parton halten.
Auch wenn die gesamte Cast sehr gut singt: Im Mittelpunkt stehen doch Jeremy Jordan und Laura Osnes. Was die beiden bis dato sehr unverbrauchten Darsteller auf „Bonnie & Clyde“ abliefern, ist bei Weitem kein Standard mehr. Jordan gelingt es, mit markant kratziger Stimme hervorragend, dem Bad Boy Clyde Leben einzuhauchen, er weiß allerdings auch in sanften Momenten zu überzeugen. Bei „When I Drive“ spürt man Clydes pure Freude am Autoknacken, während sein diabolisches „Raise A Little Hell“ dem Hörer eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Mit Laura Osnes harmoniert er hervorragend in den starken Duetten „Too Late To Turn Back Now“ und „This World Will Remember Us“. Selten hat man ein gesanglich so ausbalanciertes Streitgespräch gehört. Laura Osnes Stimme dürfte für so manchen Hörer die Neuentdeckung des Jahres sein, auch wenn sie bereits auf einigen anderen CDs zu hören war. „How ‚Bout A Dance“ ist einer der Höhepunkte der Einspielung, toll auch die große (Wildhorn-)Ballade „You Love Who You Love“.In den Nebenrollen glänzen vor allem die bereits erwähnte Melissa van der Schyff und Michael Lanning als Preacher. Besonders zu erwähnen sind noch die beiden Kinderdarsteller von Bonnie und Clyde. Talon Ackermann und Kelsey Fowler sind in ihren Songs wirklich gut und überzeugend – mit starken Stimmen, die gut zu ihren älteren Ichs passen. Wer einmal etwas schmunzeln und wissen möchte, wie die Ehefrauen von Kleinganoven so zurecht gekommen sind, wenn ihre Männer mal wieder im Gefängnis saßen, sollte sich unbedingt ganz genau „You’re Goin‘ Back To Jail“ anhören.
Auch mehr als Standard ist das umfangreiche Booklet mit den kompletten Liedtexten und vielen Showfotos, das eine sehr gute Ergänzung zu dieser hervorragenden Castaufnahme darstellt. Nach dem Hören der CD bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Wieso hatte diese Show keinen großen Erfolg? An Musik und Cast kann es nicht gelegen haben.