Als einer der größten Flops des Broadways schrieb „Carrie“, das 1988 uraufgeführte Musical nach Stephen Kings gleichnamigem Bestseller, unrühmliche Geschichte – und hat gerade durch den Flop nachhaltige Berühmtheit erlangt. In der komplett überarbeiteten Off-Broadway-Fassung ist „Carrie“ nun erstmals auf CD erschienen. Allerdings wird aus dem Desaster-Stück auch in der Neubearbeitung von 2012 kein Knüller.
Stephen King und Musical, im ersten Moment will das einfach nicht zusammengehen. Doch wenn einer der vielen Bestseller des Schocker-Königs für die Bühne geeignet ist, dann „Carrie“: Die Geschichte vom unscheinbaren Mädchen mit den unheimlichen Kräften, das an der Schule gemobbt wird und letztlich auf dem Abschlussball nach einer Attacke mit Schweineblut ein Inferno heraufbeschwört, bietet neben dem nötigen Show-Effekt auch viele Möglichkeiten für intime Reflektionen. Das Stück mit der Musik von Michael Gore und den Texten von Dean Pitchford setzt genau an diesem Punkt an. Die meisten Nummern sind recht getragen und balladenhaft und sollen das Innenleben der Figuren verdeutlichen. Die Texte sind allerdings nur wenig tiefgründig und die Figuren bleiben genauso stereotyp wie in der Vorlage. Der Titelsong „Carrie“ wird zwar von der talentierten Hauptdarstellerin Molly Ranson überzeugend und unterschwellig hasserfüllt interpretiert, die Lyrics schaffen es aber nicht, die Figur der Carrie White glaubwürdig und interessant zu machen. Die Musik bleibt zudem, wie fast das ganze Stück hindurch, flach und mit wenig Wiedererkennungswert.
Mit „In“ gelingt ein stimmungsvoller Einstieg, dessen düstere Stimmung im Verlauf allerdings nicht aufrechterhalten wird. Die bedeutungsschwangeren Songs werden mit schmissigen Ensemblenummern wie dem neukomponierten „The World According to Chris“ durchbrochen, die zwar das Schulleben gut illustrieren, aber im Allgemeinen zu gefällig sind und zu sehr an „High School Musical“ erinnern. Im zweiten Akt baut das Stück nochmals gewaltig ab. Die düstere Stimmung, die mit dem Intro versprochen wurde, ist hier fast komplett verschwunden. Auf einen würdigen Höhepunkt wartet man vergeblich. Stattdessen läuft die Aufnahme mit kurzen Resümee-Nummern und Reprisen aus, die zum verstohlenen Blick auf das Booklet und die verbleibende Spielzeit verleiten.
Das große Plus der Aufnahme ist Marin Mazzie als Carries fanatische Mutter. Mazzie gelingt eine beachtliche Leistung im Wechsel zwischen dem Liebevollen („There Is No One“) und dem Wahnhaften („And Eve Was Weak“). Diese Nummern sorgen dann auch als einzige für echtes Gänsehaut-Feeling. Die übrige Cast liefert zwar ansehnliche Leistungen, allerdings sind keine besonderen Höhenflüge auszumachen. Negativ fällt nur Christy Altomare als Schülerin Sue auf, deren Stimme mit unangenehm nervig-quäkendem Beiklang heraussticht. So hinterlässt die Aufnahme letztlich einen unbefriedigenden Beigeschmack. Die Musik bleibt insgesamt zu nichtssagend und eintönig. Die Aufgabe, die Spannung eines King-Romans zu übersetzen, ist bis auf wenige Ausnahmen nicht gelungen. Man kann nur zu gut erahnen, warum „Carrie“ 1988 auf der Bühne nicht funktioniert hat.