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KURZBEWERTUNG |
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Ideologische Grabenkämpfe bei der Bürgermeisterwahl? Heuchlerische Politiker, die Wasser predigen und Wein trinken? Private Verstrickungen von politischen Kandidaten? Im Super-Wahljahr versucht die neue Musical-Satire aus der Feder von Peter Lund (Text) und Thomas Zaufke (Komposition) das alles – überspitzt und mit einem Augenzwinkern – auf die Bühne zu bringen. Ein Wagnis, das mit Einschränkungen gelingt.
AfD oder Grüne? In der fiktiven Provinz-Kleinstadt Hohenpfaffenberg-Siegertsbrunn wird mit harten Bandagen um den Bürgermeister*innen-Stuhl gekämpft: Die Kandidatinnen Alina Deutschmann (Joel Zupan) und Regula Hartmann-Hagenbeck (Veronika de Vries), beide alleinerziehende Mütter von minderjährigen Töchtern, gönnen der jeweiligen Konkurrentin keinen Millimeter Terrain beim Straßenwahlkampf. Dazu diffamieren sie sich gegenseitig als „grüne Votze“ und „rechtsradikale Medienschlampe“ und versuchen in der örtlichen Fußgängerzone ihr eigenes politisches Image als Trumpf auszuspielen: Alina, die rechts-nationale Witwe mit biederer Gretchenzopf-Flechtfrisur lässt Rotkäppchen-Sekt ausschenken, obwohl sie privat viel lieber französischen Crémant schlürft und ihr Parteiprogramm noch nie gelesen hat. Ihre ambitioniert-toughe Gegnerin Regula, die ganz unökologisch Cornflakes vom Industrie-Giganten Nestlé verfrühstückt und klimaschädlich mit dem Billigflieger nach Kroatien in den Urlaub düst, hält klassisch intellektuell mit Flyern und Kulis dagegen.
Als die grüne Kandidatin erkennt, dass sie in der Wählergunst im Sinkflug ist, spannt sie Tochter Sophie (Maria Joachimstaller) für ihre Zwecke ein. Unter dem Vorwand, der deutschen Sache ja doch viel enger verbunden zu sein als dem Klimaschutz-Wahnsinn um Greta Thunberg, veranstaltet Sophie im Zuhause der Deutschmanns die Gründungsparty für eine „Reichsbürger- und Wählernachwuchs-AG“. Ihr eigentliches Ziel ist jedoch der Laptop der Hausherrin, von dem sie die bei allen Politikern gut gehütete „D-d-u-m-p-K-b-w“ (Datei, die umgehend meine politische Karriere beenden wird) per USB-Stick entwenden soll. Als Cliffhanger zur Pause wird Sophie dabei allerdings von Deutschmanns karriere- wie machtbesessener Wahlkampfmanagerin Claudia Zweitens (Clarissa Gundlach) ertappt.
So aberwortwitzig und spitz Peter Lunds Buch bis dahin Wahlkampfwahnsinn, Querdenkerszene und Fake-News auf die Schippe nimmt, so enttäuschend-lahm verheddert sich der Autor in den Handlungssträngen des zweiten Teils. Als Weg ins etwas bitter ausfallende Ende mit AfD-Sieg zieht Lund noch eine weitere, recht vorhersehbare Ebene ein, die hier jedoch fairerweise nicht verraten werden soll. In der Konsequenz ergeben sich neue Beziehungskonstellationen zwischen allen handelnden Personen. Hierzu zählen neben den bereits erwähnten noch der tumb-nationale Adolf „Dolfi“ Obermeyer (Fabian Sedlmeir), die trotzige Deutschmann-Tochter Gerlind (Mascha Volmerhausen), die lesbische Deutschmann junior-Freundin Anuk Gritli Hürlimann (Gwen Johannson) und der als Weltverbesserungs-Gutmensch gezeichnete Albert von Mattersdorf (Soufjan Ibrahim).
Peter Lund hat allen acht Musical-Studenten ihre Rollen passgenau auf den Leib geschrieben, sodass sie rollendeckend und mit viel Spielfreude in der flott-frechen Inszenierung zeigen können, was sie während ihres Studiums gelernt haben. Pandemiegeschuldet fällt der tänzerische Teil in den Modern-Dance-Choreografien mit viel Bodenkontakt von Cristina Perera etwas verhaltener als bei früheren Abschlussjahrgängen aus.
Ein großer Wurf ist Ausstatterin Ulrike Reinhard gelungen. Passend zum Titel des Stücks gestaltet sie den leeren Raum als überdimensionale, schwarz-rot-goldene Deutschlandkarten-Spielfläche, die sich von den norddeutschen Bundesländern als zu öffnendem Bühnenhintergrund bis hin nach Bayern vor die Füße des Publikums zieht. Zwei verschiebbare Leinwandstreifen sowie schlichte schwarze Holzwürfel und -schränkchen schaffen Atmosphäre und deuten die Spielorte an. Reinhards zeitgemäßen Kostümentwürfe huldigen sowohl Nationalismus und Ökologie, fallen aber im Fall von Bürgermeisterkandidatin Alina Deutschmann auch glamourös aus.
Schon rein körperlich überragt der sehr große Joel Zupan mit schier endlosen Beinen in dieser Hosenrolle das restliche Ensemble. Ohne jegliche Travestie-Übertreibungen bringt er eine Bürgermeister-Anwärterin glaubhaft auf die Bühne, die nur an dem Posten interessiert ist, aber weniger weiß, für welche fragwürdige Positionen sie eigentlich einsteht. Zupan schwingt sich mit seinem geschmeidigen Counter-Tenor sehr sicher in die höchsten Tonlagen seiner Kopfstimme hinauf, sodass so manch klassisch ausgebildete Koloratursopranistin vor Neid erblassen dürfte. Eine darstellerisch wie gesanglich großartige Leistung.
Ihr Seelenleben offenbart Bürgermeister-Kandidatin Numero zwei gleich zu Beginn des Stücks. Im Solo „Ich drehe durch“ bringt Veronika de Vries mit schönem Musicalsopran Burnout, Siegeswille und Verzweiflung zu Gehör. Auch im Spiel überzeugt sie als Politikerin mit Ambitionen. Im zweiten Teil zieht sie mit „Falsch Gedacht“ eine bittere Bilanz ihres bisherigen Lebens, in dem sie Politik und Familie bsiher nicht unter einen Hut bringen konnte.
Stimmlich sehr stark ist auch Gwen Johansson, die in der etwas undankbaren Rolle der Anuk Gritli Hürlimann mit Powerstimme im ersten Akt durch ihre wunderschön-melancholischen Ballade gleitet. Mit viel Verve schmeißt sich Clarissa Gundlach in ihren dankbaren Showstopper „Ich will nicht mehr Zweite sein“. Unter der souveränen Leitung von Hans-Peter Kirchberg (alternierend: Tobias Bartholmeß) begleitet die hinter der rückwärtigen Norddeutschland-Silhouette sitzende 5-Mann-Band den gesanglich insgesamt sehr gut aufgestellten Cast. Thomas Zaufkes eingängige Kompositionen, die unterschiedliche Stile der deutschen Musikgeschichte von Beethoven über Mitklatsch-Schlager bis hin zum naiven Kinderlied zitiert, ist anders als bei vorherigen seiner Musical-Partituren abwechslungsreich, melodisch und lädt zum Nocheinmal-Hören ein.
„Eine Stimme für Deutschland“ endet mit einer Reprise des „Entschuldigung-Songs“, in dem sich Macher und Darsteller für das schlechte Ende des Stücks rechtfertigen und um Vergebung bitten bei den vermeintlichen Opfern ihres Spotts – also Hauptschüler, Grüne, die LGBT-Gemeinde und die real existierenden Städte Pfaffenberg und Siebertsbrunn als Namenspaten für den Handlungsort. Nur die Entschuldigung an die AfD wird zurückgenommen – und das ist auch gut so!
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KREATIVTEAM |
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Kompostition | Thomas Zaufke |
Arrangements, Klavier | Markus Syperek |
Musikalische Leitung, Synthesizer | Hans-Peter Kirchberg Tobias Bartholmeß Markus Syperek |
Text, Inszenierung | Peter Lund |
Ausstatung | Ulrike Reinhard |
Choreografie | Cristina Perera |
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CAST (AKTUELL) |
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Claudie Zweitens | Clarissa Gundlach |
Albert von Mattersdorf | Soufjan Ibrahim |
Sophie Hartmann-Habenbeck | Maria Joachimstaller |
Anuk Gritli Hürlimann | Gwen Johansson |
Adolf "Dolfi" Obermeyer | Fabian Sedlmeir |
Gerlind Deutschmann | Mascha Volmershausen |
Regula Hartmann-Hagenbeck | Veronika de Vries |
Alina Deutschmann | Joel Zupan |
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CAST (HISTORY) |
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AfD oder Grüne? In der fiktiven Provinz-Kleinstadt Hohenpfaffenberg-Siegertsbrunn wird mit harten Bandagen um den Bürgermeister*innen-Stuhl gekämpft | Die Kandidatinnen Alina Deutschmann (Joel Zupan) Regula Hartmann-Hagenbeck (Veronika de Vries), beide alleinerziehende Mütter von minderjährigen Töchtern, gönnen der jeweiligen Konkurrentin keinen Millimeter Terrain beim Straßenwahlkampf. Dazu diffamieren sie sich gegenseitig als "grüne Votze" "rechtsradikale Medienschlampe" versuchen in der örtlichen Fußgängerzone ihr eigenes politisches Image als Trumpf auszuspielen: Alina, die rechts-nationale Witwe mit biederer Gretchenzopf-Flechtfrisur lässt Rotkäppchen-Sekt ausschenken, obwohl sie privat viel lieber französischen Crémant schlürft ihr Parteiprogramm noch nie gelesen hat. Ihre ambitioniert-toughe Gegnerin Regula, die ganz unökologisch Cornflakes vom Industrie-Giganten Nestlé verfrühstückt klimaschädlich mit dem Billigflieger nach Kroatien in den Urlaub düst, hält klassisch intellektuell mit Flyern Kulis dagegen. | |||
Als die grüne Kandidatin erkennt, dass sie in der Wählergunst im Sinkflug ist, spannt sie Tochter Sophie (Maria Joachimstaller) für ihre Zwecke ein. Unter dem Vorwand, der deutschen Sache ja doch viel enger verbunden zu sein als dem Klimaschutz-Wahnsinn um Greta Thunberg, veranstaltet Sophie im Zuhause der Deutschmanns die Gründungsparty für eine "Reichsbürger- und Wählernachwuchs-AG". Ihr eigentliches Ziel ist jedoch der Laptop der Hausherrin, von dem sie die bei allen Politikern gut gehütete "D-d-u-m-p-K-b-w" (Datei, die umgehend meine politische Karriere beenden wird) per USB-Stick entwenden soll. Als Cliffhanger zur Pause wird Sophie dabei allerdings von Deutschmanns karriere- wie machtbesessener Wahlkampfmanagerin Claudia Zweitens (Clarissa Gundlach) ertappt. | ||||
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So aberwortwitzig und spitz Peter Lunds Buch bis dahin Wahlkampfwahnsinn, Querdenkerszene und Fake-News auf die Schippe nimmt, so enttäuschend-lahm verheddert sich der Autor in den Handlungssträngen des zweiten Teils. Als Weg ins etwas bitter ausfallende Ende mit AfD-Sieg zieht Lund noch eine weitere, recht vorhersehbare Ebene ein, die hier jedoch fairerweise nicht verraten werden soll. In der Konsequenz ergeben sich neue Beziehungskonstellationen zwischen allen handelnden Personen. Hierzu zählen neben den bereits erwähnten noch der tumb-nationale Adolf "Dolfi" Obermeyer (Fabian Sedlmeir), die trotzige Deutschmann-Tochter Gerlind (Mascha Volmerhausen), die lesbische Deutschmann junior-Freundin Anuk Gritli Hürlimann (Gwen Johannson) und der als Weltverbesserungs-Gutmensch gezeichnete Albert von Mattersdorf (Soufjan Ibrahim). | ||||
Peter Lund hat allen acht Musical-Studenten ihre Rollen passgenau auf den Leib geschrieben, sodass sie rollendeckend und mit viel Spielfreude in der flott-frechen Inszenierung zeigen können, was sie während ihres Studiums gelernt haben. Pandemiegeschuldet fällt der tänzerische Teil in den Modern-Dance-Choreografien mit viel Bodenkontakt von Cristina Perera etwas verhaltener als bei früheren Abschlussjahrgängen aus. | ||||
Ein großer Wurf ist Ausstatterin Ulrike Reinhard gelungen. Passend zum Titel des Stücks gestaltet sie den leeren Raum als überdimensionale, schwarz-rot-goldene Deutschlandkarten-Spielfläche, die sich von den norddeutschen Bundesländern als zu öffnendem Bühnenhintergrund bis hin nach Bayern vor die Füße des Publikums zieht. Zwei verschiebbare Leinwandstreifen sowie schlichte schwarze Holzwürfel und -schränkchen schaffen Atmosphäre und deuten die Spielorte an. Reinhards zeitgemäßen Kostümentwürfe huldigen sowohl Nationalismus und Ökologie, fallen aber im Fall von Bürgermeisterkandidatin Alina Deutschmann auch glamourös aus. | ||||
Schon rein körperlich überragt der sehr große Joel Zupan mit schier endlosen Beinen in dieser Hosenrolle das restliche Ensemble. Ohne jegliche Travestie-Übertreibungen bringt er eine Bürgermeister-Anwärterin glaubhaft auf die Bühne, die nur an dem Posten interessiert ist, aber weniger weiß, für welche fragwürdige Positionen sie eigentlich einsteht. Zupan schwingt sich mit seinem geschmeidigen Counter-Tenor sehr sicher in die höchsten Tonlagen seiner Kopfstimme hinauf, sodass so manch klassisch ausgebildete Koloratursopranistin vor Neid erblassen dürfte. Eine darstellerisch wie gesanglich großartige Leistung. | ||||
Ihr Seelenleben offenbart Bürgermeister-Kandidatin Numero zwei gleich zu Beginn des Stücks. Im Solo "Ich drehe durch" bringt Veronika de Vries mit schönem Musicalsopran Burnout, Siegeswille und Verzweiflung zu Gehör. Auch im Spiel überzeugt sie als Politikerin mit Ambitionen. Im zweiten Teil gibt zieht sie mit "Falsch Gedacht" eine bittere Bilanz ihres bisherigen Lebens, in dem sie Politik und Familie bsiher nicht unter einen Hut bringen konnte. | ||||
Stimmlich sehr stark ist auch Gwen Johansson, die in der etwas undankbaren Rolle der Anuk Gritli Hürlimann mit Powerstimme im ersten Akt durch ihre wunderschön-melancholischen Ballade gleitet. Mit viel Verve schmeißt sich Clarissa Gundlach in ihren dankbaren Showstopper "Ich will nicht mehr Zweite sein". Unter der souveränen Leitung von Hans-Peter Kirchberg (alternierend | Tobias Bartholmeß) begleitet die hinter der rückwärtigen Norddeutschland-Silhouette sitzende 5-Mann-Band den gesanglich insgesamt sehr gut aufgestellten Cast. Thomas Zaufkes eingängige Kompositionen, die unterschiedliche Stile der deutschen Musikgeschichte von Beethoven über Mitklatsch-Schlager bis hin zum naiven Kinderlied zitiert, ist anders als bei vorherigen seiner Musical-Partituren abwechslungsreich, melodisch lädt zum Nocheinmal-Hören ein. | |||
"Eine Stimme für Deutschland" endet mit einer Reprise des "Entschuldigung-Songs", in dem sich Macher und Darsteller für das schlechte Ende des Stücks rechtfertigen und um Vergebung bitten bei den vermeintlichen Opfern ihres Spotts | also Hauptschüler Grüne, die LGBT-Gemeinde die real existierenden Städte Pfaffenberg Siebertsbrunn als Namenspaten für den Handlungsort. Nur die Entschuldigung an die AfD wird zurückgenommen – das ist auch gut so! |
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