Marc Lamberty (Billy Flynn) © Schlossfestspiele
Marc Lamberty (Billy Flynn) © Schlossfestspiele

Chicago (2018)
Schlossfestspiele, Ettlingen

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Die Medien- und Gesellschaftssatire um die beiden „Jazz-Mörderinnen“ Roxie Hart und Velma Kelly und deren medienwirksame Selbstinszenierung hat nichts an Aktualität einbüßt. Heute ziehen Promis der unteren Kategorien in den sozialen Netzwerken und einschlägigen TV-Formaten Interesse auf sich und kämpfen darum, nicht sofort wieder von der Bildfläche zu verschwinden. „Chicago“ ist schon über 40 Jahre alt und dank des zeitlos guten Buchs und der pulsierenden Musik immer noch höchst lebendig – das zeigt sich auch in Ettlingen.

„Das alles hier ist ein Zirkus. Ein Riesenzirkus“, sagt der schmierige Anwalt Billy Flynn vor Prozessbeginn. Dieses Bild hat Udo Schürmer ins Zentrum seiner Inszenierung gestellt. Auch im Bühnenbild von Steven Koop spiegelt sich das wider: In der Mitte der dreigeteilten Bühne lacht ein überdimensionales Clownsgesicht. Sein Mund ermöglicht effektvolle Auftritte und wird ein roter Laufsteg ausgefahren, wirkt es, als strecke er seine Zunge aus. Rechts und links davon befinden sich eine Nachtclub-Bühne und ein Zellentrakt.

Nur wenige Songs sind in die Handlung integriert, die meisten spiegeln das Innenleben der Figuren wider. Schürmer und sein Choreograph Bart de Clerq finden dafür gute Bilder, etwa das perfekt umgesetzte Kinderwagen-Ballett bei „Ich und mein Baby“ und die Artisten bei „Hokuspokus“.
Auch der Auftritt der Freiheitsstatue, der bei Billy Flynns theatralischem Plädoyer im Gerichtsprozess schlecht wird, ist eine sehr schöne Idee. Dass man sich bei der Umsetzung von „Ich bin nur für die Liebe da“ bei der bekannten Broadway-Inszenierung bedient und die Federfächer einfach gegen Schirme austauscht, ist dagegen ein wenig einfallslos. Ebenso deutlich orientiert sich Birgit Barth mit den Kostümen des Ensembles an dieser Produktion: schwarze Höschen und Bustiers für die Damen, schwarze Hosen und durchsichtige Oberteile für die Herren. Die zeitgenössischen Kostüme der Solisten sind eigenständiger gewählt.

„Chicago“ ist ein Musical der starken Frauen. Die Charaktere wollen die gesellschaftlichen Veränderungen der 1920er Jahre nutzen und aus dem Hausfrau-und-Mutter-Korsett ausbrechen, selbstständig sein, berühmt werden und sich von Männern nicht mehr alles bieten lassen. Die wenigen Männer des Stücks sind entweder Schwächlinge oder Lackaffen.
Velma Kelly ist der Star des Gefängnisses – jedenfalls bis Roxie Hart zum Presseliebling wird. Dorothée Kahler hat den perfekten Groove in der Stimme, um Velma die entsprechende Coolness zu geben und schafft nuanciert den Wechsel, wenn sie um Aufmerksamkeit fast bettelt.
Roxie Hart ist zwar naiver als ihre Kontrahentin, aber nicht weniger durchtrieben und sogar geschickter im Umgang mit der Presse. Maria-Danaé Bansen zeichnet sie als quirligen Wirbelwind mit heller, klarer Stimme. Die anspruchsvollen Tanz-Parts meistern Kahler und Bansen – ebenso wie das wandelbare Ensemble – tadellos.

Als Mama Morton und Mary Sunshine glänzen Gudrun Schade mit rauer Stimme in Lack-und-Leder-Kostüm bzw. Anton Schweizer als Koloraturen singender Traum in Rosa.
Mit Ausstrahlung und Charme, wenn auch von der schleimigen Sorte, schlüpft Marc Lamberty in die Rolle des Billy Flynn. Seine schmeichelnde Stimme und geschmeidigen Bewegungen sind perfekt für den käuflichen Anwalt.

Roxies Ehemann Amos wird als ziemlicher Unsympath inszeniert. Durch steife Körperhaltung und aufgesetzte Sprechweise kann Adrian Kroneberger seiner Figur kaum Emotion geben. Es bleibt unklar, warum Amos Roxie so verfallen ist, dass er für sie lügt. Nur bei „Mr. Zellophan“ blitzt ein wenig Tragikomik durch.

Der musikalische Leiter Tobias Leppert lässt seine elf Musiker swingen, dass es eine Freude ist. Das Orchester und die Solisten sind perfekt aufeinander eingespielt. Durch den guten Ton kommen Solo-Instrumente zur Geltung, während der Text jederzeit gut verständlich bleibt.

Alles in allem eine rundum sehenswerte Aufführung dank einer abwechslungsreichen Inszenierung, starken Darstellern, sehr guten Musikern – „und all dem Jazz“.

 
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KREATIVTEAM
RegieUdo Schürmer
ChoreografieBart de Clercq
Musikalische LeitungTobias Leppert
BühneSteven Koop
KostümeBirgit Barth
 
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CAST (AKTUELL)
Velma KellyDorothee Kahler,
(Ellen Wawrzyniak)
Roxie HartMaria Danaé Bansen
Billy FlynnMarc Lamberty,
(Marc Trojan)
Amos HartAdrian Kroneberger,
(Wolfgang Schwingler)
Oberin "Mama" MortonGudrun Schade,
(Tina Podstawa)
Mary SunshineAnton Schweizer
EnsembleJulie Hall
Eva Müller
Tina Podstawa
Isabelle Vedder
Ellen Wawrzyniak
Vanessa Wilcek
Marco Fahrland-Jadue
Robert Lankester
Marc Trojan
Anton Schweizer
Wolfgang Schwingler
Bas Timmers
  
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TERMINE (HISTORY)
Do, 21.06.2018 20:30Schlossfestspiele, EttlingenPremiere
Fr, 22.06.2018 20:30Schlossfestspiele, Ettlingen
Sa, 23.06.2018 20:30Schlossfestspiele, Ettlingen
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