Craig Simmons zweiter Streich als neuer Musicaldirektor des TfN? Er schickt seinen Cast ‚Ab in den Wald‘ und die Akteure fühlen sich dort sichtlich wohl.
Es ist sicherlich schwierig, einer Märchenfigur eine tiefere persönliche Geschichte zu geben. Daher ist das Maß der Dinge wohl eher, wie klischeehaft bzw. klischeebrechend die Figuren in diesem Stück angelegt sind. Kindlich naiv beginnt z.B. Elisabeth Köstner ihre Darstellung des Aschenputtels, mit strahlenden Augen träumt sie vor sich hin. Auch wenn ihre Figur im Laufe des Stückes reift, strahlt das Kind in ihren Augen weiter. Und genau so sollte Märchen auch sein! Ebenso naiv und weltbejahend legt auch Sandra Pangl ihr Rotkäppchens an. Dabei nutzt sie ihr starkes mimisches Talent. Wenn sie im Verlaufe des Stücks ihren roten Mantel gegen einen Pelzmantel eintauscht und dabei immer noch jung-naiv strahlt, hat das etwas – gekonnt – Absurdes. Auch Jens Krause scheinen sowohl der Erzähler als auch der geheimnisvolle Mann auf den Leib geschrieben. Seine Figuren wirken trefflich überspitzt.
Am TfN sind in dieser Saison viele neue Gesichter dazugekommen, die allesamt hervorragende Arbeit leisten. Der Cast funktioniert gemeinsam und in Solos perfekt.
Franziska Becker hat mit der Hexe eine der Absahnerrollen im Stück erhalten. Mit einer gehörigen Portion Ironie in ihren Gesten – unterstützt von allerlei Pyrotechnik und Nebel – werden so nicht nur ihre Auf- und Abgänge zu einem echten Hingucker und Becker schnell zum Publikumsliebling. Gesanglich verlangt die Rolle ihr einiges ab. Zum Ende des zweiten Aktes und nach über 140 Minuten Spielzeit wirkt ihre Stimme leicht brüchig. Schauspielerisch ist sie – wie das gesamte Ensemble – bis zum Schlussvorhang in Höchstform.
Das Orchester um Achim Falkenhausen liefert den gewohnt sauberen Klang und spielt die schwierige Partitur mit viel Elan. Die Musik Sondheims hat selten einen Ohrwurmcharakter, und so bleiben außer dem Leitmotiv aus „Ab in den Wald“ wenig Melodien am Ende des Abends im Ohr. Durch starke Bilder im Stückverlauf lenkt das Kreativteam die Aufmerksamkeit zusätzlich vor allem auf die Bühne und weniger in den Orchestergraben. Der Ton ist überwiegend gut, nur hin und wieder werden Mikrofone auftretender Darsteller zu spät aufgezogen und Satzanfänge verhallen im Bühnenportal.
Esther Bätschmann gelingt es, unzählige Orte im Wald mit einem einfachen Trick entstehen zu lassen: Viele Reihen von Schals aus verschiedenen grünen Stoffen hängen aus der Bühnendecke herab. Sie lassen sich von oben einsetzen und fahren in Gruppen seitwärts. Sie verbinden sich zu dicken Stämmen, geben den Blick auf hinterliegende Bühnenteile frei, schimmern mal grün, mal weißlich, mal blau. Liebevoll gestaltete Kulissenteile wie das Haus des Bäckers oder Rapunzels Turm bereichern die Szenerie.
Gobo- und Beamerprojektionen simulieren Sonnenstrahlen, Laub oder projizieren Aschenputtels Mutter. Das Lichtdesign ist erfreulich farbintensiv in Grün und Blau gehalten, arbeitet mit viel Schlaglicht und ist dennoch an keiner Stelle „too much“. Die Spots sind immer an der richtigen Stelle. Im gesamten Stück gibt es nur zwei Umbauten, bei denen Bühnenarbeiter auf der Bühne zu sehen sind. Diese wenigen Sekunden erscheinen wie eine Ewigkeit, so fließend wechseln Szenenbilder im übrigen Stück ineinander. Auch Bätschmanns Kostüme könnten direkt aus einem Märchenbuch entstammen. Überwiegend klassische Schnitte, z.T. aus modernen Materialien gefertigt, dominieren das Stück und fügen sich stimmig ins Gesamtbild ein. Das Kostüm der Hexe im ersten Akt sticht besonders durch die starke Maske positiv hervor.
Craig Simmons gelingt mit „Ab in den Wald“ ein optisch hervorragendes Werk, das viel Spaß macht. Eine Märchenstunde für Erwachsene mit einem fast träumerischen ersten Akt in perfekter Feel-Good-Stimmung. Der handlungsbedingt „nicht mehr so bunte“ zweite Akt ist optisch ebenfalls stark umgesetzt, kommt für Stückneulinge allerdings wie ein Paukenschlag, den Simmons mit seinem Ensemble genüsslich auskostet.
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