Boris Leisenheimer (Mitte), Ensemble, Opernchor, Tanztheater © Oliver Berg, Theater Münster
Boris Leisenheimer (Mitte), Ensemble, Opernchor, Tanztheater © Oliver Berg, Theater Münster

Curtains (2017)
Theater, Münster

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Mord bei der Musicalpremiere! Das Opfer: der unbeliebte Star der Westernmusical-Version von „Robin Hood“. Bis der Mörder gefunden ist, müssen nun alle an der Produktion beteiligten Personen im Theater bleiben. Das bietet die Möglichkeit, alle Klischees über Musicalproduktionen auf den Arm zu nehmen. Gleichzeitig will man aber auch einen nicht ganz ernst gemeinten Krimi erzählen. Das Ergebnis ist nicht Fleisch, nicht Fisch. Gäbe es nicht das Ensemble, bestehend aus allen Sparten des Münsteraner Theaters sowie ein paar Gästen, würde das Stück in völliger Belanglosigkeit versinken.

Peter Stone, Autor des Originalbuchs, und Textdichter Fred Ebb starben bevor „Curtains“ beendet werden konnte. Rupert Holmes und Komponist John Kander vervollständigten beides. Vielleicht ist das der Grund, warum die Geschichte nicht wirklich rund ist. Zu viele Ideen wurden zu einem Kessel Buntes verarbeitet. Es wird nie klar, ob sie vorrangig ein parodistisches Krimi-Musical oder lieber eine Show über das Chaos einer Musicalproduktion auf die Bühne bringen wollten. Zusätzlich zerfasert sich die Handlung in einer Vielzahl von Personen – schließlich braucht man viele Verdächtige – sowie kleineren Nebenhandlungen. Bis alle Knoten gelöst sind, vergehen drei Stunden.

Das Stück spielt im Jahr 1959, deshalb kann man John Kanders Musik noch als „nostalgisch“ durchgehen lassen. Die Songs sind eingängig, aber beliebig. Das „Robin Hood“-Musical ist eine gediegene Hommage an die großen Westernmusicals „Oklahoma!“ und „Annie Get Your Gun“, nicht deren Parodie. Etwas mehr gewitzte Frechheit hätte den Stück-im-Stück-Szenen musikalisch gut getan. Zumindest die Umsetzung stimmt: Kanders Partitur ist unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg leicht und schmissig.

Ulrich Peters‘ Inszenierung geht straff und temporeich über die Schwächen der Vorlage hinweg. Nur der zweite Mord ist nicht sehr geschickt umgesetzt. Dass ein potenzielles Mordwerkzeug demonstrativ verschwindet und dann nie zum Einsatz kommt, ist ein wenig geglückter Versuch, eine weitere falsche Fährte zu legen.

Für den geschmeidigen Ablauf des Abends ist auch das Bühnenbild von Bernhard Niechotz verantwortlich. Durch cleveren Einsatz von Vorhängen kann die Szenerie zügig von künstlicher Saloon-Welt zum nüchternen Probenraum wechseln. Die Kostüme schwelgen genüsslich in bunten Western-Klischees.

Die Choreographien von Annette Taubmann können dagegen nicht durchweg überzeugen. Die Nummer „Hinterher“ ist zu träge umgesetzt; dafür ist „Kansasland“ sehr gelungen, bei dem Kiara Lillian Brunken und die Mitglieder des TanzTheaterMünster zeigen können, was in ihnen steckt.

Überhaupt muss hervorgehoben werden, wie harmonisch das Ensemble miteinander agiert. Normalerweise knirscht es gewaltig im Gebälk, wenn Opernsänger Musical singen und Schauspieler ihre gesanglichen Fähigkeiten überhaupt unter Beweis stellen müssen. Aber hier funktioniert es ausgesprochen gut. Die Darsteller nehmen sich ihrer vorlagenbedingt sehr eindimensionalen Figuren mit sichtbarem Spaß an.

Lieutenant Cioffi ist einerseits der Polizist, der ruhig und geordnet seine Mordermittlungen betreibt – andererseits auch ein glühender Musicalfan, der es gar nicht fassen kann, seinen angebeteten Stars plötzlich so nah zu sein. Die offizielle Seite ist Boris Leisenheimer etwas blass und trocken geraten, dafür ist er als Fan einfach großartig. Jungenhaft, leicht verklemmt und dann doch beherzt sein Ziel verfolgend, sich der Darstellerin Niki Harris zu nähern und tatkräftig in die Musicalproduktion einzugreifen, kostet er die komischen Seiten seiner Rolle aus. Sein leichter Tenor passt gut zu dieser Seite seiner Figur. Die erst schüchterne, dann selbstbewusster werdende Tanzeinlage in „Wir wären der Knüller“ ist einfach hinreißend.

Corinna Ellwanger muss sich als Niki Harris dauernd verdächtig machen. Das tut sie auf sehr naive Art, aber immer bleibt bei ihr das Hintertürchen offen, dass ja alles gespielt und sie die Mörderin sein könnte – schließlich ist Niki die Zweitbesetzung, die nie zum Zuge kommt. Umso bedauerlicher, dass die musikalische Seite der Rolle ziemlich undankbar ist. Sie hat kein eigenes Solo, aber immerhin ein schönes Duett mit Lieutenant Cioffi.

Als Hauptdarsteller von „Robin Hood“, Bobby Pepper, ist Sascha Stead als Sänger, Tänzer und Darsteller gefordert und tut das mit bewundernswerter Leichtigkeit.

Der Handlungsstrang „Musicalstar wird Textdichterin wird plötzlich wieder Musicalstar“ könnte ein eigenes Stück tragen. Leider reißen die Autoren das Thema nur an, um es dann halbherzig verkümmern zu lassen. Dabei hat man zwei Darsteller, die die Geschichte gut tragen könnten: Julia Gámez Martin spielt Georgia Hendricks mit zurückgenommener Natürlichkeit, um dann in den Musical-im-Musical-Szenen, wenn sie die Rolle des ermordeten Stars übernehmen muss, stimmgewaltig zu beeindrucken. Ihr Ex-Ehemann und immer noch beruflicher Partner Aaron Fox hat mit „Mir fehl’n die Lieder“ ein schönes Solo, bei dem Ilja Harjes die Emotion sehr gut trifft, stimmlich aber an seine Grenzen stößt.

Suzanne McLeod stattet ihre Rolle als Theaterproduzentin Carmen Bernstein mit trockenem Humor aus. Die Hymne „Showleute“ und das sarkastische „Es ist Business“ zeigen einerseits, wie sie für das Theater brennt und andererseits, dass der Broadway auf Wirtschaftlichkeit aus ist.

Zum Publikumsliebling avanciert Christoph Rinke als Inspizient Johnny Harmon. Allerdings legt er die Rolle etwas arg tuntig-zapplig an. Kiara Lillian Brunken gibt ihrer Bambi Bernét, die sowohl Ensemblemitglied, Gewerkschaftsvertreterin und Tochter der Produzentin ist, eine freche Aufmüpfigkeit und beeindruckt durch ihr tänzerisches Können. Christian Bo Salle nutzt für die Darstellung des sarkastischen Regisseurs Christopher Belling sein gutes Gespür für Pointen.

Schade, dass der Star von „Robin Hood“, Jessica Cranshaw, schon nach wenigen Minuten ermordet wird. Claudia Hübschmann schafft es, sie in den wenigen Sätzen dummdreist und arrogant zu zeichnen und singt wunderbar falsch.

„Curtains“ in Münster ist ein Beispiel, wie gut Musical im Stadt- oder Staatstheater sein kann, wenn sich Darsteller auf Augenhöhe begegnen. Auch wenn das Stück kein Highlight des Broadways ist, bekommt der Zuschauer eine gut gemachte, unterhaltsame Show geboten.

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungThorsten Schmid-Kapfenburg
InszenierungUlrich Peters
ChoreografieAnnette Taubmann
Bühne & KostümeBernhard Niechotz
ChoreinstudierungInna Batyuk
DramaturgieRonny Scholz
 
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CAST (AKTUELL)
Lieutenant Frank CioffiBoris Leisenheimer
Niki HarrisCorinna Ellwanger
Georgia HendricksJulia Gámez Martin
Carmen BernsteinSuzanne McLeod
Aaron FoxIlja Harjes
Sidney BernsteinFrank-Peter Dettmann
Christopher BellingChristian Bo Salle
Bambi BernétKiara Lillian Brunken
Daryl GradyHelge Tramsen
Johnny HarmonChristoph Rinke
Oscar ShapiroWolfgang Scheiner
Bobby PepperSascha Stead
Jessica CranshawClaudia Hübschmann
Harv FreemontLars Hübel
Randy DexterChristian-Kai Sander
Detective O'FarrellFrank Göbel
Opernchor des Theaters Münster
Sinfonieorchester Münster
Tanztheater Münster
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 11.02.2017 19:30Theater, MünsterPremiere
Fr, 17.02.2017 19:30Theater, Münster
Fr, 24.02.2017 19:30Theater, Münster
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