Puppenschauspiel oder Schauspiel mit Puppen? Diese Frage stellt sich immer wieder beim Betrachten der ‚Avenue Q‘ auf der Bühne des Theaters für Niedersachsen. Zweifellos macht das Stück eine Menge Spaß. Die Tabubrüche im jungfräulichen Sesamstraßenstil sitzen und bereiten allen Darstellern sichtlich Freude. Unklar bleibt hingegen, wer im Mittelpunkt des Stücks stehen soll – Klappmaulpuppe oder Spieler.
Besonders wer Figuren wie Timon und Zazuu im „König der Löwen“ oder die Bewohner der „Villa Sonnenschein“ (Schmidts/Hamburg) gesehen hat, weiß um die starke Wirkung von Figuren, deren Puppenspielern sich während des Spiels mit ihrem Puppet statt dem Publikum beschäftigen – ihre Figur also nahezu durchgehend anschauen und so in den Mittelpunkt des Handelns heben. Nur die zum Teil eingeschränkten mimischen Fähigkeiten der Klappmaulpuppen werden durch Spiel und Mimik der Darsteller ergänzt, sie konkurrieren allerdings nicht mit der Puppe.
Intendant und Regisseur Jörg Gade orientiert sich bei seiner Inszenierung hingegen stark an der Broadway-Version des Musicals und geht einen anderen Weg: Seine Darsteller spielen ihre Figur überwiegend parallel zum Puppet und fast immer im direkten Kontakt zum Publikum. Das für Puppets übliches „Overacting“ wird auch von den Schauspielern übernommen. Dieser Kniff könnte in den USA funktionieren, in Deutschland wirkt er irritierend. Verstärkt wird der Effekt durch die Kostümwahl. Die Spieler in Hildesheim tragen durchgängig schwarze Kleidung, die nur dezent im Stil der jeweiligen Puppets angepasst ist. Das macht sie optisch noch stärker zu Puppenspielern (statt zu einem Teil der Figur) und steht so im deutlichen Widerspruch zu ihrer Spielweise. Besonders bei Tim Müller (Princeton u.a.) fällt das auf. Durch sein durchgängiges eigenes Spiel über die Rampe verkommen seine Puppets so zu Requisiten und die eigentlich gemeinsame Rollenbeziehung tritt in den Hintergrund. Auch die mimisch stets sehr starke Sandra Pangl lässt ihrer Figur „Kate Monster“ oft wenig Chance auf eigene Wirkung.
An anderen Stellen klappt das prima. Besonders bei Theresa Scherhag (Lucy the Slut und Hand diverser Figuren) wirkt das Zusammenspiel. Obwohl Scherhag besonders als „Lucy“ die Mimik des Puppets mitspielt, konzentriert sie sich dabei in der Regel auf ihre Figur. Nur an Stellen, in der sie ihre Puppe wirklich durch Mimik unterstützen kann, spielt sie ins Publikum. Auch Jens Krause hinter „Schrekki Monster“ fällt angenehm wenig als Person auf – seine Figur rückt dafür umso stärker in den Mittelpunkt. Bei den menschlichen Darstellern punktet vor allem Björn Schäffer. Er spielt seinen „Daniel Küblböck“ so schrullig und extrovertiert, dass 13 Jahre nach dem Ausscheiden des ehemaligen DSDS-Teilnehmers die Erinnerung an ihn 1:1 auf die Bühnenfigur passen.
Das Bühnenbild in Hildesheim ist bunt, dessen Nutzung gut gelöst. Das Licht ist eher unaufgeregt, aber immer stimmig. Die neuen LED-Scheinwerfer tauchen die Handlung in überraschend satte Farben und auch der blau überstrahlte Hauptvorhang wirkt. Die Musik kommt zeitweise etwas zu leise im Zuschauerraum an – besonders das Schlagzeug hätte etwas mehr Verstärkung vertragen.
Aber egal wer nun im Mittelpunkt der Hildesheimer „Avenue Q“ steht: Die Spielfreude aller Darsteller – und die genutzte Chance, mit Puppen all das auf einer Bühne machen zu dürfen, was ohne sie vielleicht nie denkbar gewesen wäre – macht auf jeden Fall viel Spaß beim Zuschauen und die Inszenierung sehenswert..
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