Wenn Profis Laien spielen, die versuchen sich wie Profis zu verhalten, dann ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Das TfN wagt sich mit „Das Geheimnis des Edwin Drood“ an genau diese Aufgabe und besteht sie nur zum Teil.
Noch bevor das Licht im Saal ausgeht, werden die Seitentüren wieder aufgerissen. „Kinder, beeilt Euch doch mal!“ schreit Alexander Prosek flappsig ins Foyer. Der von Anfang an geöffnete Vorhang gibt den Blick auf ein halbfertiges Bühnenbild frei; allerlei Bühnenarbeiter sitzen herum oder laufen umher. Nachdem auch die übrigen Schauspieler durch die Saaltüren eingetreten sind, startet das Intro und das Chaos verwandelt sich in eine Bühne auf der Bühne. Ein gelungener Auftakt mit interessanten Einblicken und großer Wirkung.
Regisseur Craig Simmons war bereits bei vielen Produktionen als Regisseur in Hildesheim zu Gast und ist der künftige Leiter der hiesigen Musical-Company. Bei seiner jüngsten Regiearbeit lässt er seinem Ensemble sehr viel freie Hand – so wirkt es zumindest. Die Schauspieler haben Spaß in ihren oft schrulligen Rollen. Auch das (gewollte) aus-der-Rolle-Fallen zelebrieren sie überschwänglich.
Aber genau hier liegt auch das Problem: Der Parodie auf den (bei einigen Amateurtheatern wohl üblichen) Szenenapplaus neu auftretender Schauspieler versucht die Produktion noch „einen draufzusetzen“. So fallen die Schauspieler komplett aus der Rolle. Sie treten hervor, verbeugen sich zum Teil mehrmals und werden anschließend mit Realnamen und einer Anekdoten vorgestellt. Auch sonst wird gerne Bezug auf Stadt und Spielorte genommen. Und spätestens hier gerät der eh schon dünne Handlungsfluss komplett ins Stocken. Immer wieder werden Unterbrechungen eingebunden, die so stark in den Vordergrund geschauspielt werden, dass es schwer fällt, der eigentlichen Handlung des ‚Edwin Drood‘ noch zu folgen. Der gut gemeinte Kniff entwickelt sich zu einem immer wiederkehrenden Bremskeil in der sonst sehr rasanten Erzählung.
Beim später notwendigen Abstimmen fährt die Produktion unnötig einen Gang zurück. Nach einem gut inszenierten Stopp des Stücks am Ende des zu Grunde liegenden Originalwerks von Charles Dickens kommt es zu einer recht nüchternen Erklärung des Abstimmmodus. Keine Jeopardy-Musik, keine Lichteffekte, kein Countdown über die sonst genutzte Rückprojektion. Gelungen ist allerdings die letzten Abstimmung des Abends (der Wahl des Täters), die an den Auftritt von Nummerngirls beim Boxen erinnert.
Als echtes Highlight entpuppt sich hingegen das Hildesheimer Bühnenbild. Eine Bühne auf der Bühne sorgt mit eigenem Vorhang für einen flüssigen Szenenwechsel. Obwohl oft schlicht gehalten und mit kargen Requisiten ausgestattet, entstehen abwechslungsreiche Spielflächen und das Set hält bis zum Finale immer wieder neue Überraschungen bereit. Das Lichtdesign unterstützt hier optimal, Schwarzlicht, Nebel und Schnee reichern die Dramaturgie an. Und den Opiumkeller von Prinzessin Puffer hätten auch die großen Musicaltheater in Hamburg nicht viel besser hinbekommen. Die Choreographien von Katja Buhl fallen ebenfalls positiv auf. Ganz ohne komplizierte Verrenkungen und Hebefiguren entstehen mit oft einfachen Mitteln viele schöne Bilder auf der Bühne.
Die Finessen aus Bühnenbild, Effekten und Choreopraphie vermögen es allerdings nicht, den zu rasanten Erzählstil aufzufangen. So fällt ‚Edwin Drood‘ deutlich hinter Craig Simmons‘ hervorragender ‚Dracula‘-Inszenierung zurück.
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