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„Ich bin groß. Es sind die Filme, die klein geworden sind“, erklärt Norma Desmond voller Verachtung: Eine große Diva braucht große Auftritte. Ein Stück wie „Sunset Boulevard“ braucht die große Bühne – sollte man meinen. Dass es auch anders geht und man die Geschichte um Glamour und Abstieg, Träume und zerstörte Illusionen auch auf einer kleinen Bühne überzeugend und eindrucksvoll in Szene setzen kann, beweist die Produktion des Mittelsächsischen Theaters.
Ivan Alboresis Inszenierung von „Sunset Boulevard“ beschwört das Flair alter Hollywood-Filme herauf – angefangen mit dem Vorhang, auf dem der Stück-Titel weiß auf schwarz wie in klassischen Opening Credits im Film geschrieben steht, über die musikalische Umsetzung bis hin zu vielen kleinen Details der Inszenierung.
Dabei leisten Sandra Dehler und Kristopher Kempf (Ausstattung und Kostüme) Beachtliches und holen fast schon mehr aus den logistischen Gegebenheiten heraus, als es das Freiberger Theater eigentlich hergibt. Wo man an die Grenzen stößt, da wird gekonnt getrickst, wie etwa bei der rasanten Verfolgungsjagd im Auto oder auch die Fahrt zum Studio. Diese gibt es nicht live auf der Bühne, sondern als Filmsequenz in so perfekter an das Goldene Hollywood-Zeitalter angelehnter Optik, dass man zweimal hinsehen muss, um sich zu vergewissern, dass es nicht etwa Ausschnitte aus einem echten Film der 40er-Jahre sind. Bemerkenswert auch das opulente Interieur von Norma Desmonds Villa, wo mit großer Liebe zum Detail gearbeitet und auf Symbolik gesetzt wurde: Alle Szenen in den Räumlichkeiten der Stummfilmdiva sind komplett monochrom gehalten – von der aufwändig gestalteten Innenausstattung bis hin zu den wunderbaren Kostümen Normas. Ein großartiger Kontrastpunkt zu den farbenfrohen Szenen im Paramount-Studio! Wenn am Ende Betty Schaefer in ihrem bunten Kleidchen in Normas Foyer auftaucht, dann bricht das die schwarz-weiße Optik auf eine Art und Weise, die bewusst das perfekt abgestimmte Bild zerstört.
Auch die Arrangements von Juheon Han, der die Musiker der klangvollen Mittelsächsischen Philharmonie mit Präzision und Engagement leitet, nehmen Anklang am Sound der alten Hollywood-Streifen und fügen sich damit hervorragend in das runde Gesamtbild ein. Ärgerlich ist nur, dass der Ton streckenweise – vor allem am Anfang des Stückes – so schlecht ausgesteuert ist, dass man zwar das wohlklingende Orchester hört, den Gesang des Ensembles aber tatsächlich nur anhand der Mundbewegungen erahnen kann.
Die Inszenierung an sich überzeugt, wirklich begeistern kann sie aber vor allem dank ihrer Hauptdarstellerin. In dem Moment, wenn Susanne Engelhardt die Bühne betritt, zieht sie mit überwältigender Bühnenpräsenz und differenziertem Spiel alle Aufmerksamkeit auf sich. Das Charisma der Norma Desmond ist spürbar – man versteht, warum diese Frau einst der große Stern am Hollywood-Himmel war. Gleichzeitig gelingt es Engelhardt, Normas Verletzlichkeit, ihren Hang zur Realitäts-Verweigerung und ihren Wahn glaubhaft und ungeschönt darzustellen, ohne jemals mit Normas Exzentrik ins Lächerliche abzutriften. Auch stimmlich kann die Sopranistin auftrumpfen – singt mal kraftvoll und energisch, mal leise und gefühlvoll, und glänzt auch und vor allem in den Momenten, wo das Orchester verstummt und ihre Stimme ganz allein den Saal füllt.
Ansonsten ist die (übrigens komplett hauseigene) Besetzung eher durchwachsen. Den stimmlichen Anforderungen ist Joe-Gillis-Darsteller Jens Winkelmann mehr als gewachsen. Auch gibt es Momente, in denen seine Darstellung des desillusionierten Autors, der sich von der reichen, alternden Diva aushalten lässt, überzeugt – aber es bleibt eben bei einzelnen Momenten. Den arroganten, zynischen jungen Schnösel will man ihm über weite Strecken nicht so recht abnehmen – nicht nur deshalb, weil er vom Alter her nicht ganz dem Rollenbild entspricht. Die Dynamik zwischen Norma und Joe leidet darunter, dass kein großer sichtlicher Altersunterschied zu erkennen ist, und Winkelmann gelingt es mit seinem Spiel nicht, über diesen Umstand hinwegzutäuschen.
Guido Kunze legt als Max von Mayerling gesanglich eine wunderbare Leistung an den Tag und intoniert seine Soli mit angenehmer, sonorer Stimme, kommt aber schauspielerisch hölzern und fast schon wie eine Parodie eines steifen Butlers daher. Die Tragik der Rolle geht dadurch verloren. Barbora Fritscher singt die Betty Schaefer durchgängig mit Kopfstimme, was nicht nur unangenehm gekünstelt klingt, sondern ihr auch die Fähigkeit nimmt, Emotionen im Gesang äquivalent zu transportieren. Im Gegensatz dazu können Sergio Raonic Lukovic als Regisseur Cecil B. De Mille und Martin Gäbler als Bettys Verlobter Artie mit ihren kurzen Auftritten einen positiven Eindruck hinterlassen.
Wenn am Ende Norma in kompletter geistiger Umnachtung zu ihrem letzten großen Auftritt die geschwungene, mit ihren Initialen verzierte Treppe erhobenen Hauptes herunterstolziert und sie triumphierend „Endlich! Norma ist zurück!“ verkündet, dann hat man die nicht komplett überzeugende Cast und die Akustik-Probleme jedoch längst vergessen und verziehen. Es ist Normas Show – alles andere ist nur Beiwerk.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Juheon Han |
Regie | Ivan Alboresi |
Ausstattung | Sandra Dehler |
Ausstattung | Kristopher Kempf |
Chorleitung | Tobias Horschke |
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CAST (AKTUELL) |
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Norma Desmond | Susanne Engelhardt |
Joe Gillis | Jens Winkelmann |
Betty Schäfer | Barbora Fritscher |
Max von Mayerling | Guido Kunze |
Cecil B. De Mille | Sergio Raonic Lukovic |
Artie Green | Martin Gäbler |
Ensemble | Diana Chudzinski Stefanie Goyal Urte Jung Stefanie Metzler Birgit Meyer Kathrin Moschke Sabine Sattler-Sowade Antoaneta Tcherniradeva; Stefan Burmester Markus Gille Sang Tee Lee Dimitro Moses Frieder Post Ulrich Sattler Jaromir Sedlmajer Uwe Selle Michael Zeiske |
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