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Die Uckermärkischen Bühnen gehören zu den wenigen öffentlich finanzierten Theatern, die das Genre Musical ernst nehmen und es regelmäßig mit großer Kraftanstrengung sowie einem tollen Haus-Ensemble auf hohem Niveau aufführen. Das ist auch bei ihrer Fassung von „Romeo und Julia“ wieder so. Nur warum sind die eigenproduzierten Stücke immer so lang? Und müssen die Bücher wirklich so albern sein?
Capulet. Montague. Die Namen der beiden verfeindeten Clans werden bereits vor Beginn der Vorstellung wie in Blut gepinselt auf den Vorhang projiziert. „Ca-pu-let“ und „Mon-ta-gue“ sind dann auch die ersten Worte, die wiederholt gesungen werden.
Dass sich die beiden Familien nicht grün sind, unterstreicht das Bühnenbild von Frauke Bischinger. In der bühnenbreiten, schicken weißen Fassade mit angedeuteten Bögen, Öffnungen und einer fahr- und teilbaren Treppenkonstruktion residieren die Capulets auf der linken Seite. Dort wirbt „Capulet Fashion“. „Design Montague“ lautet die Antwort von rechts. Blau ist hier die dominierende Firmenfarbe, Rot die der Konkurrenz. Auch Simone Sommers atemberaubend verschwenderisch-schickes Kos-tümbild nimmt beide Töne auf und sorgt damit für eine atmosphärisch dichte, fast schon zeitlose Optik. Folglich fällt es dem Publikum leicht, die handelnden Personen klar einer der Sippen zuzuordnen.
Durchbrochen wird diese Blau-Rot-Einteilung lediglich bei Mercutio, eigentlich ein Montague: Er trägt zum weißen Hemd einen traditionellen dunklen Kilt und wirkt mit seinen blonden Zottelhaaren, als sei er direkt einem „Highlander“-Film entsprungen. Dirk Weidner gibt ihn dann auch ganz als kämpferischen Heißsporn, dessen Traumschilderung („Träume sind Schäume“) zu Video-Sequenzen mit einer blutverschmierten Vampirin unter die Haut geht. Ein tolles Solo, vorgetragen mit beweglicher Rockstimme.
Auch wenn die Textverständlichkeit manchmal leidet: Als Trumpf des Abends erweist sich die Verpflichtung von elf polnischen Musicalstudenten, die sowohl in Haupt- als auch in Ensemblerollen auf der Bühne stehen. Dies sichert eine höhere Qualität in Gesang und besonders im Tanz (Choreografie: Eliza Holubowska). So hat zum Beispiel Dagmara Rybak einen furiosen Auftritt auf dem Fest der Capulets: Mit laszivem Hüftschwung peppt sie als Gaststar Rosalind im Stil von Lady Gaga die Party auf. Rafal Kozok ist ein smarter Benvolio.
Wojciech Daniel (Romeo) und Nadine Aßmann (Julia) sind schon rein optisch ein Traumpaar. Beide harmonieren in Gesang – er mit strahlendem, hohem Tenor, sie mit zartem Sopran. Auch spielen sie die beiden Verliebten, die unter der Feindschaft ihrer Familien leiden, absolut glaubhaft. Einfach eine Traumbesetzung! Das gilt auch für Susanne von Lonski, die als Amme gekonnt, ohne zu übertreiben, komische Akzente setzt und mit „Du lernst das schnell“ einen tollen Showstopper hinlegt. Dies ist dann auch neben dem Leitmotiv „Seit ich dich sah“ der Song aus der Partitur, der am nachhaltigsten im Gehörgang verbleibt. Die Musiker der Band „takayo & Freunde“ (Uli Herrmann-Schroedter, Jan Kirsten, Kayode Eschrich, Tilman Hintze, Andreas van den Brandt) haben erstmals für die Uckermärkischen Bühnen ein komplettes Musical vertont. Unterm Strich solide Kompositionen zwischen Reggae, Rock und großen Balladen.
Regisseur Rainer Simon erzählt die Geschichte geradlinig, mit sicherer Personenführung und ohne Inszenierungs-Mätzchen. Vielfach peppt er das Geschehen optisch auf, wie zum Beispiel mit den von Fenster zu Fenster wandernden Video-Heiligenfiguren in der Gruft. Insbesondere dem dramatischeren Teil nach der Pause täte allerdings etwas mehr Tempo gut. Da wird zu ausgiebig gefochten (Kampfchoreografie: Claus Großer) und etwas zu sehr gelitten. Auch wirkt das Finale mit viel Pathos, Fackeln und waberndem Bühnennebel etwas zu aufgesetzt und lähmend. Überflüssig ist die Brief-Szene mit dem Narren Peter: Daniel Heinz, im Gesang nicht gerade ein Ass, darf sich hier im Slow-Motion-Tempo bewegen und zeigen, dass er gegen imaginäre Wände laufen kann oder sich eingemauert fühlt.
Achillesferse des Abends ist das Buch von Jan Kirsten (Mitarbeit: Max Beinemann, Uli Herrman-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon). Auch wenn die Verlegung der Story in die Glitzerwelt der Mode eine gute Idee ist – das Autorenteam führt sie nicht konsequent weiter. Zwar gibt es bei den Capulets eine gelungene Kollektions-Präsentation sowie eine Dessous-Engel-Parade zu sehen, doch die Konkurrenz, die zwischen den Design-Dynastien besteht und auf die deren Feindschaft begründet sein könnte, kann nur erahnt werden. Dazu orientiert sich die Handlung zu sehr am Shakespeare-Original mit all seinen Nebenhandlungen, sodass die reine Vorstellungsdauer auf anstrengende drei Stunden aufgebläht wird.
Problematisch ist auch der Sprachenmix. So spricht die Fürstin (distanziert und kühl: Claire Varga) französisch, während hauptsächlich die Montagues auch polnische Passagen haben. Warum das so ist, wird durch die Handlung nicht erklärt, zumal das Stück wie im Original in Verona spielt. Der Sprach-Mix hat allerdings den Vorteil, dass weniger der oft plump-dümmlichen deutschen Reime auf Büttenreden-Niveau zu hören sind: Bei „Ich hörte, er heißt Romeo / Ich muss mal schnell aufs Klo“ oder „Du kleine Schlampe / Ich mach‘ aus deiner Fresse Pampe“ dürfte sich Shakespeare im Grab umdrehen.
Musical nach der Tragödie von Wiliam Shakespeare
Musik: Uli Herrmann-Schroedter, Jan Kirsten, Kayode Eschrich, Tilman Hintze
Buch: Jan Kirsten, Max Beinemann, Uli Herrmann-Schroedter, Maren Rögner und Reinhard Simon
Koproduktion mit dem Teatr Muzyczny im.Danuty Baduszkowej, Gdynia und dem Kleist Forum Frankfurt (Oder)
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Reinhard Simon |
Musikalische Leitung | : Uli Herrmann-Schroedter |
Bühnenbild | Frauke Bischinger |
Kostüme | Simone Sommer |
Choreografie | Eliza Holubowska |
Kampfchoreografie | Claus Großer |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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