Vulgär-peinliche Musicaladaption des antiken Lysistrata-Stoffes in einer Inszenierung, in der unklar bleibt, wie ernst sie eigentlich genommen werden will (Heiko Stang). Die alles andere als zeitgemäß wirkende Musik von Florian Fries enttäuscht.
Worum kreist alles Handeln eines Mannes? Natürlich um Sex. Und bekommt er einmal nicht, was er begehrt, dann geht es ihm schlecht. In der „Inselkomödie“ leiden vier griechische Bauern so stark unter der Verweigerungshaltung ihrer Ehefrauen, dass für ihre angeblichen Rechte und die entsprechenden weiblichen Pflichten demonstrieren. Auch wenn sie noch so aufgebracht Plakate mit Texten wie „Melk-Notstand“ oder „Nieder mit der Onanie“ schwenken, die Objekte ihrer Begierde bleiben stur. Angeführt von der Intellektuellen Dr. Lysistrate Soudidis wollen die Frauen per Ehestreik ihr Eiland vor amerikanischer Kriegsmaschinerie bewahren. Verwerfen ihre Gatten den Plan, Land für die geplante Militärbasis zu verkaufen, dürfen sie sich wieder körperlich im Ehebett austoben. Abseits dieser Streitigkeiten lässt Kellner Stavros gleich in der ersten Szene die Hosen runter, um die Triebe mit seiner offenherzigen Kollegin zu befriedigen. Als Streikbrecherin vergnügt sich Kalonike allerdings auch im Weinkeller ihres Chefs.
Heiko Stang setzt dieses lockere Treiben wie einen deftigen Schwank für eine Bauernbühne in Szene: Klischeehaft gieren und toben die tölpeligen, sexuell ausgehungerten Männer ihren in modernen Mini-Outfits gehüllten langmähnigen Weibchen hinterher (Kostüme: Elisabetta Pian). Wenn im Verlauf der Handlung das griechische Militär aus dem dramaturgischen Nichts auf der Insel strandet, entpuppt es sich als hirnlose Trottel-Truppe. Noch peinlicher wird es, wenn ein ausgemusterter, schmierig-korrupter Minister im Glitzerslip über die Bühne wackelt und einen Song über Hotpants schmettert. Nicht nur hier driftet die „Inselkomödie“ in Richtung Musical-Parodie ab. Wenn sich im Finale die geschmackvolle, ohne Touristen-Kitsch dekorierte Insel-Taverne mit Hilfe einschwebender Aufbauten zu einem Kriegsschiff mit Flitter verschießenden Kanonen verwandelt (Bühnenbild: Lutz Brandt) und das Ensemble in übertrieben wirkenden Posen tanzt (Choreografie: Andrea Heil), dann endet ein missratener Abend zumindest als witzige Persiflage auf eine seichte Broadway-Show.
Fraglich ist, ob die „Inselkomödie“ überhaupt Unterhaltungstheater sein will. Rolf Hochhuths vulgäre Texte von 1974 strotzen vor derben Zoten aus der untersten Schublade, stecken andererseits aber auch voller politischer Botschaften. Die Darsteller mühen sich durch die langen, sperrigen Dialoge, die auf dem Weg ins Publikum verpuffen, weil der Wortschwall schlichtweg überfordert. Das gilt auch für die beiden endlos wirkenden Monologe, die der greise Johannes Heesters (Der König) als Prolog und unmittelbar nach der Pause auf einem Thron sitzend rezitiert. Dass der 106jährige dabei zwischendurch die Erlebnisse eines holländischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Originalsprache spricht, verwirrt mehr, als dass es Sinn stiftet.
Auch musikalisch enttäuscht das Stück. Florian Fries hat für seine Musical-Adaption Songs im Stil einer Revue-Operette aus den späten 1920ern komponiert. Unter seinem Dirigat trotzt das Orchester den schwierigen akustischen Bedingungen, durch die Walzer, Marsch, Foxtrott und jazzige Einsprengsel etwas dünn aus dem Graben klingen. So wie bei „Vier Beine im Bett“ oder dem Solo „Glück“ fehlt Fries‘ Musik häufig ein nachvollziehbarer, dramaturgischer Grund, warum ein Song an einer bestimmten Stelle in die Handlung eingebaut worden ist. Umgekehrt besticht das Duett „Großer Pan“ durch eine wunderschöne Melodie, lässt allerdings offen, warum sich Oberst Manussis und Lysistrate wie aus heiterem Himmel ineinander verlieben. Andreas Goebels und Caroline Beils Stimmen harmonieren in diesem Song vortrefflich und sorgen für Gänsehaut. Beil kann zudem in der Titelrolle als selbstsichere Frau, die weiß was sie will, beweisen, dass sie eine vortreffliche Sängerin und Darstellerin ist.
Aus dem soliden, gesanglich gut aufgelegten Darsteller-Ensemble ragen vor allem Isabel Dörfler als schlampige Kellnerin mit voller, bis in die Höhe leicht geführter Stimme und der basswuchtige Christoph Sommer (Der Pope) hervor. Beide verleihen ihren Figuren Charme, Witz und eine glaubwürdige Identität. Genau hier krankt es bei Michael Marwitz (Minister a. D.): Mit wirrem Blick, und wie ein altgriechischer Philosoph mit einem weißen Tuch umwickelt, trifft er in seinem Song „Kontinuität“ kaum einen Ton richtig. Absicht oder Unvermögen? Eine Frage, die für den gesamten Abend gilt.
Do, 29.07.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | öffentliche Generalprobe |
Fr, 30.07.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | Premiere |
Sa, 31.07.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
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So, 01.08.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
Do, 05.08.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
Fr, 06.08.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
Sa, 07.08.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
So, 08.08.2010 20:00 | Theater Am Schiffbauerdamm, Berlin | |
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