La Cage Aux Folles (2005)
Domfestspiele, Bad Gandersheim

„Nimm dies als männlichen Toast…“ Travestie-Star Georges nimmt Nachhilfe im bürgerlichen Leben – der Familienehre wegen. Die Domfestspiele zeigen das Musical von Jerry Herman und Harvey Fierstein Open-Air.

Nun ist er also in Bad Gandersheim angekommen, der Travestie-Club von der Riviera, in dem das schwule Paar Georges und Albin seit über 20 Jahren alle Höhen und Tiefen einer Beziehung miteinander auslotet.
Es liegt eine große Gefahr in diesem Musical, nämlich darauf zu vertrauen, dass die Show der Männer in Frauenklamotten für genügend Lacher im Publikum sorgen wird, um das Stück zu tragen. Doch Regisseur Olaf Strieb beweist ein glückliches Händchen. In seiner Inszenierung wird das Lachen über die schrillen Manierismen der Tunten immer wieder durch stille Momente unterbrochen. Und obwohl die Welt, die auf der Bühne präsentiert wird, ja so weit von der eigenen der meisten Zuschauer entfernt zu sein scheint, erkennt man sich doch in den Problemen wieder, die Georges und Albin mit sich herumschleppen.
Das funktioniert natürlich nur mit guten Schauspielern: Stefan Nagel ist als Sänger ganz passabel, und er versteht es, all die Ängste und Zweifel, die in der schillernden Zaza stecken, aufzuzeigen. Erfrischend untuntig tritt er in seiner ersten Szene in Bademantel und Hausschuhen auf, aber natürlich verwandelt auch er sich in einen Paradiesvogel, nachdem er ein bisschen Mascara aufgelegt hat. Und zwar in einen sehr charmanten! Volker Niederfahrenhorst stellt als Gegenpol einen ruhigen ausgeglichenen Albin dar, der seinen Partner immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Jean-Michel, der Sprössling der beiden, wird mit ausdrucksstarker Musical-Stimme von Jörg Hilger verkörpert.
Publikumsliebling wird ganz schnell Guido Kleineidam in der Absahnerrolle der Zofe Jacob, der in seinen kurzen Auftritten herrlich aufdrehen kann. Und das ist auch gut so.
Denn was die große bunte Travestie-Show anbelangt, wird vor dem Gandersheimer Dom ansonsten wenig geboten. Die Cagelles sind ziemlich langweilig gekleidet, es ist nicht viel zu sehen von dem oft beschworenen Glanz und Glitter (Ausstattung: Birgitta Weiss). Auch die Choreographie (Jörg Löwer) ist nicht sehr einfallsreich gelungen und wird noch dazu asynchron ausgeführt. Die Bühne ist einfach eingerichtet, ein paar wenige Requisiten deuten die verschiedenen Spielstätten an; das verhindert zwar große Umbaupausen, doch auch hier fehlt der nötige Glamour im Nachtclub, ein bisschen mondäner hätte das schon ausfallen können.
Aber das gerät schnell zur Nebensache, wie schon gesagt, wird das Augenmerk immer wieder auf das zentrale Paar gelenkt und seinen Umgang mit Alter, Angst vor Einsamkeit und Intoleranz der Mitmenschen…und wenn auf Georges bittere Bemerkung „Nach Meinung der Masse ist eine Säuferin eher vorzeigbar als eine Tunte“ verständnisvolles Gemurmel unter den Zuschauern zu hören ist, dann zeigt sich, dass dieses Musical seine Aussage auch nicht verliert, wenn die Travestie-Show auf Sparflamme gekocht wird.