Antonia Kalinowski (Conny Walter) © Roland Breitschuh
Antonia Kalinowski (Conny Walter) © Roland Breitschuh

Kick Like a Woman (2024)
apiro Entertainment GmbH, Köln

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In Amerika wäre es wohl eine ‚Off-Broadway-Produktion‘, in Bergisch Gladbach nennt es sich ‚Vorpremiere‘. Dort wurde eine Geschichte rund um die inoffizielle Frauen-Fußball-WM von 1981 als neues Musical unter der Regie von Gil Mehmert aus der Taufe gehoben. Die historische Grundlage bietet allerdings lediglich den Rahmen einer ansonsten fiktiven Story. Trotz starker Leistung von Seiten der Darsteller und innovativer Ideen des Kreativteams kann das Stück jedoch noch nicht in allen Punkten überzeugen.

Basierend auf Berichten von Zeitzeuginnen – der ersten deutschen Fußballweltmeisterinnen aus Bergisch Gladbach – schuf Constanze Behrends nach einer Idee von Gil Mehmert das Stück, in dem die Charaktere jedoch fiktiv sind. Im Programmheft heißt es, auch die Rahmenhandlung sei frei erfunden, wobei im Auge des Betrachters liegt, welcher Erzählstrang Story bzw. Rahmen darstellt. Das Buch ist gespickt mit vielen spannenden Themen, die in ihrer Fülle jedoch etwas untergehen. Dem großen Überraschungserfolg der Bergisch Gladbacher Damen wird neben der Geschichte der Protagonistin Conny insgesamt zu wenig Raum zugesprochen.

Es geht um Rollen-, Generations- und Geschlechterkonflikte, die auf den individuellen inneren Konflikten der Protagonisten und der großen Herren des DFB beruhen. Die überspitzt dargestellte Frauenrolle steckt aus heutiger Sicht noch in den Kinderschuhen der Emanzipation („Lass´ mal ´nen Mann ´ran“). Es geht um Diskriminierung der Frau und Sexismus, dem Frauen bis heute, gerade im Fußballsport, oft noch ausgesetzt sind. LBGTQ, damals als Thema noch so gar nicht gesellschaftsfähig, wird hier in aller Heimlichkeit abgebildet.

Die junge Kellnerin Conny, die nach dem tödlichen Unfall der Mutter mit Vater und Bruder als Halbwaise aufgewachsen ist, scheint im Leben nicht recht anzukommen, fühlt sich immer ‚anders‘ und darin wenig von ihrem Vater akzeptiert („Nicht genug“). Conny liebt den Fußball, den ihr Vater ihr jedoch strikt verboten hat. Heimlich trainiert sie mit dem SSG 09 Bergisch Gladbach und reist mit der Damen-Elf schließlich 1981 als ‚Team Germany‘ – eine Nationalmannschaft gab es damals noch nicht – zur inoffiziellen Damen-WM nach Taipeh. Connys Familie scheint sich darüber zu entzweien. Sie selbst, im inneren Konflikt mit ihren Gefühlen gegenüber dem eigenen Geschlecht, erfährt während des Turniers, dass sie ihr persönliches Glück nur finden kann, wenn sie ihrem Herzen folgt – bis hin zum Weltmeisterschaftstitel.

Die abwechslungsreiche Partitur Stephan Kanyars will beiden Erzählsträngen – der WM in Taipeh wie Connys persönlicher Geschichte – gerecht werden. Sprechchöre und eigene Fußballhymnen („Wir fahren nach Taipeh“, „Kick like a Woman“) wollen jedoch nicht ganz zünden: Die Akustik im „Bergischen Löwen“ macht es gerade den Sprechchören schwer sich durchzusetzen, sodass die stimmungsvollen, rockigen Songs leider an Wirkung verlieren, obwohl sie mit eingängigen Texten und Rhythmen schnell ins Ohr gehen. Balladen und Popsongs, die die persönlichen Geschichten der Spielerinnen erzählen („Ich bin einfach ich“, „Mama, du wärst stolz auf mich“), greifen leider auch nicht sonderlich tief, da das Setting für das Vermitteln großer Gefühle nicht stimmig ist:

Auf der Bühne ist ein kleiner Vorhang installiert, der ein Tor, einen Durchgang zu verschließen scheint. So finden kleine Auf- und Abgänge zu raschen Kostüm- und Rollenwechseln statt. Die Kostüme von Claudia Pohle wirken authentisch der Sportschau und Kleiderschränken von 1981 nachempfunden. An beiden Seiten des Bühnenaufbaus befinden sich Showtreppen, die neben der Sportschau-Szene nur wenig effektiv genutzt werden. Die Treppen sind durch eine Brücke miteinander verbunden. Hier spielt die Band unter der musikalischen Leitung von H.C. Petzoldt im Sichtfeld des Publikums auf.

Des Weiteren ist die Bühne mit fest installierten Bildschirmen und beweglichen Videoklötzen versehen. Dieses sehr flexible, interaktive Bühnenbild von Britta Tönne ermöglicht, die Darsteller von einem Moment auf den anderen in eine völlig andere Kulisse zu versetzen – ganz ohne Umbau. Auf die Bildschirme werden rund zwanzig verschiedene Spielorte in Comic-Optik projiziert. Acht Hocker verleihen abgebildeten Sitzgelegenheiten (Sofa, Sessel oder Bett) Tiefe, sodass diese im Spiel tatsächlich als solche genutzt werden können. Die Bildschirme zeigen zudem ‚bewegliche‘ Requisiten: So scheint das Faxgerät tatsächlich zu laufen, Gläser und Flaschen werden in Regale ‚gestellt‘ und herausgenommen‘, die im weiteren Verlauf jedoch nur pantomimisch dargestellt werden. Selbst der lederne Fußball wird durch Einspieler auf die Videowände ersetzt, die Darstellerinnen spielen also mit virtuellen Bällen. Spätestens in der Szene auf dem Friedhof, als Conny ihre verstorbene Mutter besucht, wirken die Projektionen der Grabsteine jedoch kalt und hohl, geradezu unnatürlich. Bei aller ausgeklügelten Amination von Fabian Lehnhof fehlt es während des gesamten Stückes an Berührbarkeit – im wahrsten Sinne –, sodass nur wenig Emotionen glaubhaft transportiert werden können.

Die Showtanzeinlagen nach Choreographien von Faye Anderson sind nicht immer passend platziert. Tanzende Fußballerinnen wirken in Trainingsanzügen und Trikots unglaubwürdig. Denkbar authentischer wäre das choreographierte Spiel mit dem Fußball gewesen. Pedro Reichert als feuriger Physiotherapeut Claus Santos bringt jedoch glaubhaft die Salsa auf die Bühne.

Antonia Kalinowski als Conny Walter zeigt während des Stückes glaubhaft auf, wie ihre geglückte Suche nach sich selbst den Erfolg auf dem Platz und in der Liebe nach sich zieht. Trainerin Helga Schwarzberg, gespielt von Inga Krischke, wirkt zunächst sehr emotionsflach, was der Fortlauf der Geschichte aber zu klären weiß. Hier lässt sich die anfangs fehlende Berührbarkeit nachvollziehen und nach Entwicklung der Figur durch starke Präsenz und Performance der Darstellerin fast negieren. Joana Henrique-Jakobs als Schlumpf Bauer stellt die Figur mit dem stärksten Profil dar: Reisekauffrau, starke Stürmerin und freche, heimliche Geliebte des Physiotherapeuten – der Zuschauer nimmt ihr alles ab. Sharon Isabelle Rupa mimt als Astrid Greif eine emanzipierte Frau und Fußballspielerin. Sie überzeugt in Spiel und Gesang. Nina Links als Torhüterin Gaby Staubinger wirkt daneben eher blass. Michael Ophelders wirkt am stärksten in seiner Vaterrolle Gerd Walter, aber auch als chauvinistischer DFB-Präsident Harald Altburger. Stärkste Darstellerin in Mehrfachbesetzung ist Alina Simon, die gleich sechs Rollen im Wechsel spielt und somit ihr großes Können an Spielbreite und rascher Umstellung auf neue Stimmungen unter Beweis stellt. Selbst die ihr zugeschriebene Männerrolle, des Arbeitskollegen Connys Vaters, gibt sie humorig gekonnt zum Besten und auch Lai, der taiwanesischen Spielerin, schreibt sie glaubwürdig eine große Entwicklung zu. Gesanglich stark performt das gesamte Ensemble alle Songs technisch gut. Durch viele zu vermittelnde Inhalte, Stimmungen und Mehrfachbesetzungen wirken die Darsteller dennoch oft gehetzt, sodass auch dem Zuschauer die Atempausen fehlen.

Das Bergisch Gladbacher Publikum feiert über vierzig Jahre später den Damenkader seiner Stadt bei der Weltmeisterschaft in Taipeh. „Kick Like A Woman“ wirkt wie für das Gladbacher Publikum geschrieben: Dem auswärtigen Zuschauer entgeht aufgrund des starken Lokalkolorits die eine oder andere Pointe. Die ausgeklügelte Technik im Rahmen des Bühnenbildes beeindruckt, schafft jedoch leider oft wenig Authentizität und Berührbarkeit, was der Story an Kraft nimmt. Spannend, wie das Kreativteam mit der eingeplanten Kritik von Publikum und Presse umgehen wird, bevor das Stück auf die große Musicalbühne gehen soll.

 
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KREATIVTEAM
Buch und TexteConstanze Behrends
MusikStephan Kanyar
RegieGil Mehmert
Musikalische LeitungH.C. Petzoldt
ChoreografieFaye Anderson
BühnenbildBritta Tönne
KostümeClaudio Pohle
LichtdesignMichael Grundner
VideosFabian Lehnhof
SounddesignAndreas „Doc“
Technische LeitungAndré Lyrmann
 
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CAST (AKTUELL)
Conny WalterAntonia Kalinowski
Schlumpf BauerJoana Henrique- Jacobs
Helga SchwarzbergInga Krischke
Astrid GreifSharon Rupa
Gaby StaubingerNina Links
Erika Fuchs, Nancy, Lai, Tian, ValentinaAlina Simon
Torsten, Claus Santos, HansPedro Reichert
Werner Gutgesell, Harald Altburger, Gerd WalterMichael Ophelders
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Mi, 18.09.2024 19:30Bürgerhaus Bergischer Löwe, Bergisch GladbachPremiere
Do, 19.09.2024 19:30Bürgerhaus Bergischer Löwe, Bergisch Gladbach
Fr, 20.09.2024 19:30Bürgerhaus Bergischer Löwe, Bergisch GladbachGala-Show
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