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Die noch einigermaßen frischgebackene zweifache Tony-Preisträgerin Shaina Taub (bestes Buch und beste Musik für „Suffs“) hat Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ geschickt in ein Musical verwandelt. Auch wenn der melancholische Grundton der elisabethanischen Vorlage ein wenig dem Spaß- und Revuetheater geopfert wird, ist Taub mit abwechslungsreichen, dramaturgisch gut eingearbeiteten Songs ein Stück gelungen, das hoffentlich hierzulande auf vielen Spielplänen auftauchen wird. Beim Jungen Staatsmusical in Wiesbaden übertragen sich Spaß und Energie schon mit dem energiegeladenen Opener.
Doch bevor es in die Vollen geht, wird das Publikum erst mal entspannend empfangen. Der Narr Feste sitzt auf der Bühne und ahmt mit einer Ocean Drum Meeresrauschen nach. Ein sich bewegendes blaues Tuch symbolisiert das Meer, das gleich Viola an Illyriens Strand spülen wird. Es wirkt, als hätte eine fahrende Schauspieltruppe die Bühne gekapert und würde hier ihr Stück aufführen.
Dieses Stück handelt von falschen Identitäten, Verwechslungen und sehr viel Liebe: Viola konnte sich nach einem Schiffbruch an Land retten. Ihren Zwillingsbruder Sebastian hält sie für tot. Um in der fremden Umgebung zu überleben, verkleidet sie sich als Mann und tritt als Cesario in die Dienste des Herzogs Orsino. Dieser ist in Olivia verliebt, doch die erwidert seine Liebe nicht. ‚Cesario‘ wird zu ihr geschickt, um sie umzustimmen. Doch Olivia verliebt sich nun in ‚ihn‘, ebenso wie Orsino und auch Viola selbst entwickelt Gefühle für den Herzog. Ein zweiter Handlungsstrang dreht sich um Sir Toby, Olivias Onkel, der mit seinen Kumpanen einen Plan schmiedet, um den arroganten Haushofmeister Malvolio hereinzulegen.
Shaina Taub bringt mit ihren Songs Shakespeare ordentlich zum Grooven. Sie bedient sich einer Mischung aus Funk, Gospel, R‘n‘B und Balladen. Die Lieder sind höchst eingängig und man verlässt das Theater mit diversen Ohrwürmern. Durch die Instrumentation, u.a. mit mehreren Blasinstrumenten, entsteht ein gewisses Südstaaten-Feeling. Unter der Leitung von Frank Bangert erweist sich die zehnköpfige Band gerade durch diesen satten Bläsersound als perfekte Begleitung.
Taub erarbeitete die Musicalfassung zusammen mit dem Schauspieler, Regisseur und Dramatiker Kwame Kwei-Armah. Inhaltlich halten sich die beiden eng an Shakespeare. Hier und da haben sie etwas gekürzt oder mehrere Szenen des Schauspiels in einem Song gebündelt, etwa die geraffte Vorstellung der Charaktere im energetischen Opener „Spielt fort“. Für die deutsche Fassung zeichnet Robin Kulisch verantwortlich. Die Dialoge bedienen sich einer Adaption der klassischen Übersetzung von August Wilhelm Schlegel, die Songtexte lehnen sich an Shakespeare an, benutzen aber sowohl in der deutschen Fassung wie auch im englischen Original eine heutige Sprache. Die Lieder sind in die Handlung eingebunden und bringen sie voran. Insgesamt ist eine sehr gute Adaption des Shakespeare-Klassikers gelungen.
Regisseurin und Choreographin Iris Limbarth hält ihr 28-köpfiges Ensemble mit leichter Hand und sicherer Personenführung zusammen. Dass sie dabei ihre Darstellerinnen und Darsteller mit großer Gestik und Mimik vom Bühnenrand in den Zuschauerraum sprechen lässt, unterstreicht stimmig den Eindruck, dass wir hier einer fahrenden Gauklertruppe zusehen. Die vom Jungen Staatsmusical gewohnte Spielfreude ist auch in dieser Produktion ungebrochen.
Allerdings bleibt bei der komödiantischen Verve teilweise die Shakespearesche Melancholie auf der Strecke, die „Twelfth Night“ aus dem Komödien-Kanon hervorhebt. Orsino, den Maximilian Schneider als selbstverliebten Charakter darstellt, sieht Olivias Ablehnung eher als persönlichen Affront und leidet nicht sonderlich unter ihrer unerwiderten Liebe. Außerdem scheint er sich kein bisschen darüber zu wundern, dass er sich – wie er glauben muss – gerade in einen Mann verliebt. Und nachdem Malvolio sich vor Olivia bis auf die Knochen blamiert hat, wird er in der Vorlage für geisteskrank erklärt und weggesperrt. In Limbarths Inszenierung geht er dem Ruf der Natur folgend in ein Toilettenhäuschen und wird von der Zofe Maria und Sir Toby dort eingesperrt. Eine plumpe szenische Lösung, außerdem nimmt sie Malvolio die existenzielle Verzweiflung, die ihn zu einem der tragischsten Charaktere der Komödienliteratur macht.
Nichtsdestotrotz wird Malvolio von Tim Speckhardt furios verkörpert. Er ist im positivsten Sinne eine Lachnummer – hochnäsig, verklemmt, nach Höherem strebend – und der Song „Graf Malvolio“ wird zum Abräumer des Abends. Als das Quartett, das ihm so übel mitspielt, bilden Cecinho Feiertag (Sir Toby), Luna Lange (Maria), Sarah Zimmermann (Fabian) und Angelika Krauß (Sir Andrew) eine komödiantische Einheit, bei der Krauß zusätzlich durch akrobatischen Tanz überrascht.
Anders als bei Shakespeare, wo der Narr Feste die in Poesie verpackte Stimme des gesunden Menschenverstandes ist, legt ihn Lilli Trosien über allen Dingen stehend und mit leicht arroganter Divenhaftigkeit an. Ihr Gesang lässt aber bezaubernd magische Momente entstehen.
Die vielschichtigsten Charaktere des Stücks sind Olivia und Viola. Olivia trägt die Trauer um ihren verstorbenen Bruder wie einen Wall vor sich her, der sie auch vor Orsinos Liebesbekundungen schützen soll. Viktoria Reese zeichnet glaubhaft und stimmlich berührend, wie ihre Figur sich wieder der Liebe öffnet. Diese Liebe ist Cesario, die verkleidete Viola. Denia Gilberg zieht in dieser Rolle alle Register. Sie hat aber auch durch ihre Songs viele Möglichkeiten, ihrem Charakter Tiefe zu geben. Die Trauer um ihren Bruder, das Sich-Verstellen-Müssen, die Liebe zu Orsino, die sie nicht eingestehen, und die Liebe von Olivia, die sie nicht erwidern kann, dazu eine Körpersprache, die in ruhigen Momenten Verletzlichkeit ausdrückt, aber auch die übertrieben coole Haltung eines jungen Mannes einnimmt – Gilberg bietet eine grandiose darstellerische und gesangliche Leistung.
Auch Heike Korns wilde Kostüm-Mischung unterstützt den Wanderbühnen-Charakter. Von Seeräuber- und Musketier-Romantik über Hawaiihemden bis zum Businessanzug mit Rüschen sind hier viele Stile vertreten. Und doch wirkt dieses kunterbunte Allerlei überraschend rund. Das Bühnenbild macht dagegen den Anschein, noch von einer anderen Aufführung auf der Bühne übriggeblieben zu sein – was wiederum auch auf seine Art zur herumziehenden Theatertruppe passt. Die üppigen Blumenornamente unterstützen den Südstaaten-Flair der Musik, die Drucke der „großen Welle von Kanagawa“ schaffen eine Verbindung zu Violas und Sebastians Schiffbruch. Im hinteren Teil der Spielfläche befindet sich eine Varietébühne, auf der auch einige der zehn Musiker sichtbar sind. Rechts und links sind Hausfassaden mit jeweils einem Eingang und einem Balkon angedeutet. Die linke wird als Olivias Haus sinnvoll bespielt, die rechte als Zugang zu ihrem Salon benutzt; auf dem rechten Balkon taucht nur wenige Male jemand auf. Außerdem gibt es vorne rechts noch eine Strandbar. Das ist schön atmosphärisch ausgeleuchtet, nur eine echte Verbindung zum Stück hat Britta Lammers Bühnenbild nicht.
Das soll aber den Spaß nicht schmälern. „Twelfth Night“ ist mit seiner fantastischen Ensembleleistung und der harmonischen Verbindung von Schauspiel, Tanz und Shaina Taubs fabelhaften Songs unbedingt sehenswert. Und diese Produktion hat etwas, was „Was ihr wollt“ bei Shakespeare nicht hat: beim Happy End ein glückliches Paar mehr als gewohnt.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung und Choreographie | Iris Limbarth |
Musikalische Leitung | Frank Bangert |
Bühne | Britta Lammers |
Kostüme | Heike Korn |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Fr, 29.11.2024 19:30 | Kleines Haus, Wiesbaden | |
Mi, 11.12.2024 19:30 | Kleines Haus, Wiesbaden |
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TERMINE (HISTORY) |
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Fr, 25.10.2024 19:30 | Kleines Haus, Wiesbaden | Premiere |
Sa, 26.10.2024 19:30 | Kleines Haus, Wiesbaden |