Willemijn Verkaik © Diana Vellema
Willemijn Verkaik © Diana Vellema

"Ich war am Anfang beim Musical manchmal etwas unbeholfen" - Willemijn Verkaik im Interview

Der niederländische Musical-Star Willemijn Verkaik ist eine der wenigen Darstellerinnen, die neben Deutschland, Österreich und den Niederlanden auch das West End und den Broadway erobert haben. Fast jede große Frauenrolle der Branche hat Willemijn schon verkörpert. Aktuell feiert sie als Elsa in Disney’s „Die Eiskönigin“ Erfolge in einer Bühnenrolle, die ihr schon bei der Synchronisation des Films begegnet ist. Wir sprechen mit Willemijn über ihren Weg als Quereinsteigerin ins Musical-Business, über ihre Arbeit als Elphaba in „Wicked“ rund um den Globus und über all das, was sie bewundert und ihr Kraft gibt.

Oft liest man von deinem Werdegang, dass du von einer Bandsängerin zur Musicaldarstellerin wurdest. Wie genau kam es dazu?

Ich habe immer sehr gerne in Bands gesungen, wollte aber irgendwann auch neue Erfahrungen machen. Dann hat mir eine Kollegin erzählt, dass es in den Niederlanden eine Audition für „Rent“ gibt. Das hat nicht geklappt, aber dann wurde ich vom gleichen Castingteam für die Audition von „Elisabeth“ in Scheveningen eingeladen – und das habe ich dann bekommen.

Ist es einfach, als Quereinsteigerin in der Welt der Musicals Fuß zu fassen? Welchen Herausforderungen bist du begegnet?

Es war definitiv eine neue Welt für mich und gewöhnungsbedürftig. Andere Arbeitszeiten, andere Ausdauer, das Publikum sitzt und ist still. Ich musste auf einmal schauspielern, womit ich keine Erfahrung hatte. Auch die Kultur ist anders. In der Popmusik ist alles eher ein bisschen unumwunden. Ich war am Anfang beim Musical manchmal etwas unbeholfen.

Dein Weg als Musicaldarstellerin führte dich ziemlich schnell nach Deutschland. Wie war das für dich, deine Heimat zu verlassen?

Es war am Anfang sehr schwierig; ich hatte großes Heimweh. Aber mit der Erfindung von Skype konnten mein Mann und ich nicht nur telefonieren, sondern ich konnte ihn auch auf dem Bildschirm sehen! Das hat mein Leben gerettet!

Willemijn Verkaik als Elphaba in „Wicked“, London © Matt Crockett, WLPL

An einigen Fragen zu deiner Paraderolle der Elphaba aus „Wicked“ kommen wir natürlich nicht vorbei. Wie denkst du an deine Zeit in dieser Rolle mittlerweile zurück, nachdem du dich 2017 offiziell von ihr verabschiedet hast?

Mit sehr viel Dankbarkeit. Für die Chancen, die ich bekommen habe. Die Deutschlandpremiere in Stuttgart, die Niederlande Premiere, und dann am Broadway und West End zu spielen – das ist das Größte. Ich bin immer mit dem Stück und der Rolle verbunden und unglaublich stolz darauf.

Du bist weltweit die einzige, die diese Rolle an so vielen unterschiedlichen Standorten gespielt hat. Wie war es für dich, Elphaba in verschiedenen Ländern und Sprachen zu verkörpern?

Ich habe es geliebt! Die Rolle hat soviel in sich und ich konnte immer wieder etwas neues entdecken, wenn ich in einer anderen Sprache gespielt habe. Sie war deswegen für mich immer ein bisschen anders. Das hat der Rolle für mich noch mehr Tiefe gegeben. Und es ist ein Luxus, überall auf der Welt so vielen talentierten Menschen zu begegnen, von denen ich lernen und mich inspirieren lassen konnte.

Wie war das Publikum? Gibt es da Unterschiede?

Das Broadway-Publikum traut sich mehr zwischendurch zu applaudieren oder zu reagieren. In Deutschland und Holland ist man da etwas reservierter und traut sich weniger. Obwohl die Kinder bei uns zum Beispiel bei „Die Eiskönigin“ sehr frei reagieren – ich liebe es!

Willemijn Verkaik als Elsa in „Disney’s Die Eiskönigin“ © Johan Persson

Wie war das generelle Leben an diesen Orten?

Sehr aufregend. Manchmal spannend, aber immer ein Abenteuer. Neue Umgebung, neue Begegnungen, neue Erfahrungen. Manchmal musste ich das Heimweh schon überwinden, aber die neuen Eindrücke helfen dabei sehr.

Es ist auffällig, dass in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland oftmals aktuellere Stücke aufgeführt werden. In zwei großen Musical-Neuheiten warst du in der niederländischen Uraufführung in Hauptrollen engagiert: In „Come From Away“ und in „Waitress“ (was ja leider aufgrund von Corona nicht zur Aufführung kam). Würdest du sagen, unsere Nachbarn sind, was Musicals angeht, ‚weiter‘ als die Deutschen? Oder ist das purer Zufall?

Das würde ich nicht behaupten. Ich kann nur sagen, dass ich es sehr begrüße, dass neue, kleinere, unbekanntere Stücke in Deutschland und den Niederlanden Aufmerksamkeit bekommen. Die Masse denkt bei Musical oft nur an die großen Titel wie „König der Löwen“ oder „Evita“. Aber Musical ist so unglaublich vielseitig. Die Cast von „Come From Away“ besteht beispielsweise nur aus zwölf Personen auf der Bühne, mit einem sehr kleinen aber klugen Bühnenbild; das Orchester ist auf der Bühne. Das Publikum war begeistert. Es war ein Fest!

Willemijn Verkaik in „Come From Away“ © Roy Beusker, Annemieke van der Togt, Medialane

Du hast bei „Die Eiskönigin“ die einzigartige Situation gehabt, einer Rolle schon deine Stimme geliehen zu haben, bevor du sie auf der Bühne verkörpert hast. Wie war es für dich, Elsa quasi doppelt zu begegnen? Hat dir die Arbeit im Synchronstudio bei der Kreation deiner Bühnen-Elsa geholfen, oder war es eher hinderlich für dich?

Obwohl Theater total anders ist als Synchronsprechen, hat es mir geholfen, dass ich Elsa schon sehr gut kenne. Beim Synchronsprechen muss man alle Emotionen ausschließlich in die Stimme legen. Deswegen wusste ich aber beim Probenstart für das Musical auch schon sehr genau, wer sie ist.

Viele deiner Rollen versprühen große Melancholie. Neben den Außenseiterinnen Elphaba und Elsa wären da zum Beispiel noch Molly in „Ghost“ oder auch Mrs. Danvers in „Rebecca“, die entweder dem Vergangenen nachtrauern oder generell einen melancholisch-sehnsüchtigen Lebensstil pflegen – sich dabei aber zumeist zu sehr starken und selbstbestimmten Frauen entwickeln. Sind solche Rollen dein ‚Steckenpferd‘ oder gibt es vielleicht Gründe, warum du dich oft bei dieser Art von Figur wiederfindest?

Für mich sind es tatsächlich doch sehr unterschiedliche Charaktere! Aber stark sind sie alle, das stimmt schon. Es ist und war richtig toll, sie alle zu spielen. Ich kann manchmal etwas davon lernen und ich weiß inzwischen, dass sie ein Vorbild für viele Zuschauer sein können –  und sogar Kraft geben. Das ist der Grund, weshalb ich meinen Job so liebe.

Willemijn Verkaik als Mrs. Danvers in „Rebecca“ © VBW – Deen van Meer

Nicht nur professionell bist du Disney offensichtlich sehr angetan. Hast du einen Lieblingsfilm von Disney und einen Lieblingssong?

Mein erster Disneyfilm, „Cinderella“, bleibt mein Lieblingsfilm. Es war so schön. Die kleinen Mäuse haben mich immer so zum Lachen gebracht. Einen richtigen Lieblingssong habe ich nicht, aber wenn ich einen jetzt sagen müsste – außer „Frozen“ natürlich – dann wäre es „How Far I’ll Go“ aus „Vaiana“.

Wenn Du gerade mal nicht auf der Bühne stehst, womit verbringst du deine Freizeit? Hast du Hobbys, denen du nachgehst, oder widmest du deine Ruhepausen vor allem der Regeneration?

Wenn ich in einer neuen Stadt bin, mag ich es immer, die besten Kaffee-Spots zu entdecken. Weitere Hobbys sind Lesen, Spazierengehen, Fahrradfahren – und Vögel beobachten.

Gibt es Künstler in den Bereichen Film und Serie, Musical und Theater oder Musik, von denen du ein Fan bist? Welche Stars inspirieren dich am meisten?

Ich bin inspiriert von vielen verschiedenen Menschen und Darstellern – Star oder nicht. Ich lerne auch noch immer von meinen Kollegen. Mich inspirieren vor allem die, die sich trauen stur zu sein, die bei sich bleiben und viel Leidenschaft für die Kunst haben.

Wir hatten ja schon darüber gesprochen, dass Du auf der Bühne oft starke Frauenrollen übernimmst. Wie schaffst du es, auch an schlechten Tagen, diese ‚Female Power‘ zu fühlen und zu versprühen? Wie gehst du mit negativen Gefühlen und Selbstzweifeln um?

Da lasse ich mich tatsächlich von den vielen Charakteren leiten, die ich spielen durfte. Auch meine Figuren sind große Inspirationen für mich. Sie haben gemeinsam, dass sie sich durch schwierige Situationen kämpfen müssen. Wenn meine Figur unter widrigen Umständen die Kraft finden kann, dann kann ich es doch auch!

Willemijn Verkaik © Dana van der Geer

Auf deinen vielen Reisen quer über den Globus für deine Engagements – welches Land oder welcher Ort ist dir besonders in Erinnerung geblieben und hat dich fasziniert, und warum?

Der Broadway hat mich richtig fasziniert. Die Kultur und der Vibe sind so speziell. Am Anfang, als ich dort ankam, ging es mir alles viel zu schnell und war es überwältigend. Aber irgendwann konnte ich ‚auf den Zug aufspringen‘ und hab mich mitbewegen können. Die positive Energie, der Ehrgeiz, die Motivation und so viele talentierte Menschen um mich herum – das war der Hammer!

Welche Orte in New York, Wien, Hamburg, und London würdest du unseren Lesern empfehlen, aufzusuchen, wenn sie dort auf ihrem nächsten Musicaltrip Urlaub machen?

Die Parks! Es gibt in allen Städten so schöne Parks mit Wasser und Wiesen.

Eine Frage zum Schluss, die ich meinen InterviewpartnerInnen immer gerne stelle: Wenn es keine Gender-, Geschlechts-, oder Typecasting-Grenzen in der Musicalbranche geben würde, welche Rolle(n) würdest du – wenn auch nur für einen Tag – gerne einmal übernehmen, und warum? 

Swing! Die Person, die mehrere Positionen in der Show übernehmen kann. Ich habe soviel Respekt davor. Sie muss soviel verschiedene Tracks kennen, mit anderer Choreografie und Gesangs-Harmonie. Was für eine Aufgabe und Leistung! Ein Shout-Out für die Swings. Hut ab!

Liebe Willemijn, vielen Dank für das offene Interview! Wir wünschen dir auf deinem weiteren Weg nur das Beste tolle Cafés, ruhige Parkspaziergänge und noch viele unvergessliche Momente bei „Die Eiskönigin“!

 
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