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Ein wahrer Klassiker der Open-Air-Musicals findet in diesem Sommer zum ersten Mal seinen Weg auf die beeindruckende Felsenbühne der Luisenburg-Festspiele. Soweit so gut. Dieser „Jesus Christ Superstar“ kann allerdings mit einer Besonderheit aufwarten: Die mittlerweile über 50 Jahre alte Übersetzung von Anja Hauptmann wurde durch eine neue Fassung von Timothy Roller ersetzt, die der gesamten Show einen modernen und zeitgemäßen Anstrich gibt. Zusammen mit einer klugen Inszenierung, großen stimmungsvollen Bildern, einem symbolischen Design und der großartigen Besetzung gelingt den Luisenburg-Festspielen eine tolle Wiedererweckung des Werks, das den Ruhm des Teams Andrew Lloyd Webber und Tim Rice einst besiegelt hat.
Die Symbolik der Inszenierung (Birgit Simmler) setzt bereits bei der Ouvertüre ein: Eine trauernde Gruppe folgt einer Bahre, auf der ein Leichnam von einem Tuch bedeckt liegt. Jesus und Judas stehen mit einigem Abstand entfernt und beobachten die Szene. Der Eindruck, dass Jesus hier seiner eigenen Trauergemeinde zuschaut, drängt sich bis zu jenem Zeitpunkt auf, bis er zu der Gruppe geht und den Toten, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht, wiedererweckt. Mit der gleichen Szene endet die Show nach dem Kreuzigungstod Jesu auch wieder, nur dass er dieses Mal tatsächlich selbst der Tote auf der Bahre ist und die trauernden Menschen seine Jünger und Maria Magdalena sind. Die gesamte Inszenierung scheint auf die Botschaft ausgerichtet zu sein, dass alles vorbestimmt ist und Jesus bereits weiß, was auf ihn zukommt.
Auch das Bühnenbild scheint die Symbolik der Vorbestimmung aufzunehmen. Jeweils auf den Seiten der Bühne stehen große Steinsäulen, die von einem Gerüst aus Bambusstäben umhüllt sind. In der Kreuzigungsszene werden diese Säulen zusammengeschoben und die bis zu diesem Zeitpunkt beinahe zufällig aufgebaut wirkenden Gerüste ergeben zusammengeschoben das große Kreuz, an dem Jesus hängt. Damit entsteht das Bild, dass Golgatha von Anfang an auf der Bühne zu sehen und alles schon für das Ende vorbereitet war.
Insgesamt passen sich Inszenierung und Bühnenbild den Gegebenheiten der felsig zerklüfteten Bühne sehr gut an. Die vielen Zu- und Abgänge der Bühne werden optimal genutzt, so zum Beispiel in der Szene, in der Jesus von den Armen und Kranken bedrängt wird, ihnen zu helfen und sie von ihren Leiden zu erlösen. Von allen Ecken und hinter jedem Felsen kommen sie auf lange Stöcke gestützt hervor, stürzen zu Boden, kurz bevor sie Jesus erreichen, und robben die letzten Meter zu ihm hin. Das bedrückende und beinahe schon unheimliche Gefühl der Bedrängung Jesu ist in dieser Szene bis in das Publikum hinein spürbar. Adam Nees Bühnenbild und Ausstattung setzt ganz überwiegend auf Holz und Stein und nimmt damit die Elemente der Naturbühne sehr passend und stimmungsvoll auf. Seine Kostüme zitieren den Kleidungsstil der Zeit, der Gegend und der verschiedenen gesellschaftlichen Stände, denken diese allerdings fantasievoll weiter und geben der Show einen modernen, manchmal an Punk erinnernden Anstrich. Die Choreografien von Tim Zimmermann gehen spielerisch von Spielszenen in den Tanz über und lassen die Inszenierung sehr fließend und in sich geschlossen wirken.
Die neue Übersetzung von Timothy Roller klingt an vielen Stellen viel flüssiger und mehr der Sprachmelodie Tim Rices folgend als die bisherige Fassung. Aus „Weil sie ach so heilig sind“ („Heaven on Their Minds“) wird ein viel poetischer klingendes „Blind vom Himmelslicht“ und aus „Was ist los?“ („What’s the Buzz?“) ein deutlich zeitgemäßeres „Was geht ab?“,
Die dreizehnköpfige Band unter der Leitung von Tomáš Küfhaber und Vojtěch Adamčík spielt die Partitur Lloyd Webbers intensiv, druckvoll und mit neuen und interessant klingenden Akzenten und Arrangements wie dem – beinahe wie romantisches Vogelgezwitscher klingenden – Piano-Arrangement bei „Wie soll ich ihn nur lieben“. In der besuchten Premiere war die Abmischung zwischen Band und Darstellern auf der Bühne allerdings in vielen Passagen (insbesondere bei Mischa Mangs Judas) alles andere als optimal. Die Stimmen waren oft viel zu weit im Hintergrund und klangen im Gegensatz zum satten Orchestersound merkwürdig hallend und blechern. Das ist umso mehr schade, als dass die Besetzung von „Jesus Christ Superstar“ auf der Luisenburg auf einem hohen Niveau singt und spielt.
In den kleineren Rollen sind Adam Demetz (Petrus), Dante Sáenz (Simon) sowie Markus Hareter, Alessio Ruaro und Mats Visser (Hohepriester) sowie Wolfgang Mirlach (Kajaphas) und Stefan Schößwendter (Hannas) zu sehen. Allen gelingt es, trotz der kurzen Auftritte, die ihnen in der Show zugedacht wurden, ihre Rollen so mit Persönlichkeit zu füllen, dass sie dreidimensionale Figuren auf die Bühne bringen, die weit mehr als bloße Stichwortgeber sind.
Mit dem Casting von AMY als Herodes haben sich die Luisenburg-Festspiele einen besonderen Showstopper an Bord geholt. In einer Badewanne, aus der Seifenblasen hervorsprudeln, erscheint dieser Herodes auf der Bühne und bringt „Herodes‘ Lied“ als bunte, schrille Shownummer auf die Bühne, die in der beginnenden Dämmerung besonders stark wirkt. Torsten Ankert, der neben seiner Rolle als Pilatus auch für die Regieassistenz und Abendspielleitung der Show fungiert, zeichnet einen zerrissenen römischen Statthalter, der immer mehr von der Bevölkerung unter Druck gesetzt wird, Jesus zum Tode zu verurteilen, und diesem Drängen schließlich verzweifelt nachgibt.
Miriam Neumaier ist eine ganz bezaubernde Maria Magdalena. Ihre Stimme strahlt in ihrem Solo „Wie soll ich ihn nur lieben“ und dem Duett mit Petrus „Wär’s doch wie am Anfang“. Neumaiers Maria Magdalena ist durch und durch sympathisch und ihre Zuneigung zu Jesus in jeder ihrer Worte und Gesten erkennbar. Dabei nutzt sie sehr gut Simmlers Inszenierung, die deutlich auch auf körperliche Kontakte zwischen den Figuren setzt (so gibt Maria Jesus zum Beispiel bei „Alles ist in Ordnung“ einen verliebten Klaps auf den Po).
Auch bei der Besetzung der beiden Hauptfiguren der Show, Judas (Mischa Mang) und Jesus (Gunnar Frietsch), haben die Verantwortlichen ein wirklich glückliches Händchen bewiesen: Stimmlich sind die beiden Gegenspieler enorm weit voneinander entfernt. Mischa Mang steht mit seiner dunklen, rauen und rohen Interpretation des Judas direkt im Gegensatz zu Gunnar Frietsch, der seinen Jesus ungewöhnlich hoch anlegt. Beide rocken ihre Rollen im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Zusammenspiel ist nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch überzeugend, vor allem in der direkten Konfrontation beim letzten Abendmahl, wenn die beiden Kontrahenten in Streit geraten und sich auch körperlich angehen.
Als der Spielplan der Luisenburg-Festspiele bekanntgegeben wurde, war die Ankündigung von „Jesus Christ Superstar“ nach der Uraufführung von Marian Lux’ und Kevin Schröders „Frankenstein“ mit dem Publikumsliebling Jonas Hein aus dem letzten Jahr vielleicht etwas ernüchternd. Doch mit dieser Inszenierung beweist das älteste Freilichttheater Deutschlands, dass es auch an den vermeintlich „alten Schinken“ Neues zu entdecken gibt, wenn nur die richtigen Leute dafür zusammenkommen.
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KREATIVTEAM |
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Regie, Künstlerische Leitung | Birgit Simmler |
Regieassistenz | Torsten Ankert Eva Theresa Beck |
Bühnenbild, Kostüme | Adam Nee |
Choreografie | Tim Zimmermann |
Musikalische Leitung | Tomáš Küfhaber Vojtěch Adamčík |
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CAST (AKTUELL) |
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Jesus Christus | Gunnar Frietsch (Adam Demetz) |
Judas Ischariot | Mischa Mang (Dante) |
Maria Magdalena | Miriam Neumaier |
Petrus | Adam Demetz |
Pontius Pilatus | Torsten Ankert |
Herodes | AMY |
Kajaphas | Wolfgang Mirlach |
Annas | Stefan Schößwendter |
Simon Zelotes | Dante Sáenz |
Priester | Mats Visser |
Priester | Alessio Ruaro |
Priester | Markus Hareter |
Apostel | Simon Tobias Hauser |
Soulgirls | Lilia Höfling Anna-Sophie Weidinger Tanja Beutenmüller |
Ensemble | Josephine Kindl Markus Hareter Maurice Daniel Ernst |
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