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Ingos Fernsehsessel - "Summer Holiday"

Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, da wollte ich doch nochmal ein bisschen Urlaubsfeeling heraufbeschwören. Meine Wahl fiel auf “Summer Holiday”, der in Deutschland unter dem Titel “Holiday für dich und mich” lief.

Don und seine drei Freunde bauen einen roten Londoner Doppeldeckerbus zu einem Wohnmobil um und wollen damit nach Südfrankreich fahren. Unterwegs gabeln sie drei junge Frauen auf, die in einem ebenso bunten wie klapprigen Oldtimer auf dem Weg nach Athen sind, wo sie als Gesangstrio “Do-Re-Mi” ein Engagement haben. Weil deren alte Kiste nicht mehr fährt – woran die Jungs nicht ganz unschuldig sind -, ändern Don und seine Kumpel ihre Urlaubspläne und nehmen die Sängerinnen mit an Bord, um sie über Frankreich, die Schweiz, Österreich und das damalige Jugoslawien nach Athen zu bringen. Unterwegs entdecken sie einen blinden Passagier im Bus, der von sich behauptet ein vierzehnjähriger Junge zu sein. Weder Alter noch Geschlecht stimmen, aber immerhin kann diese Barbara weiter verheimlichen, dass sie eine bekannte US-amerikanische Sängerin ist, die sich eine Weile der Kontrolle ihrer Mutter und ihres Agenten entziehen will. Diese beiden wiederum wollen den durch Barbaras Verschwinden entstandenen Presserummel noch für ihre Zwecke nutzen. Sie finden recht schnell heraus, wo sich der Gesangsstar befindet und sabotieren die Weiterfahrt des Busses, damit der Fall sich noch möglichst lange in den Schlagzeilen hält.

Der Film ist natürlich nichts anderes als ein Starvehikel für Hauptdarsteller Cliff Richard, den erfolgreichsten britischen Popstar der Prä-Beatles-Ära. Ähnlich wie Elvis Presley vermarktete man auch ihn in Filmen. “Summer Holiday” war in Großbritannien ein Riesenerfolg – der zweiterfolgreichste Film 1963 nach “Liebesgrüße aus Moskau”. Außerhalb des Vereinigten Königreichs war der Erfolg überschaubar. Nichtsdestotrotz genießt der Film dort nach wie vor große Popularität. 1996 gab es auch eine Bühnenversion davon, die mehrere durch Großbritannien tourende Revivals erfuhr.

Ich hatte die Befürchtung, dass es sich um nichts anderes als ein Schlagerfilmchen handelt, in dem die neuen Cliff-Richard-Songs beworben werden, ähnlich wie bei den Elvis-Filmen. Machen wir uns nichts vor, die Handlung ist ganz furchtbar hanebüchen und nur dazu da, schöne Breitwand-Postkarten-Bilder von unterwegs zu zeigen und Cliff Richards singen zu lassen. Die musikalische Bandbreite reicht von luftig-leichtem Sixties-Pop über Bigband-Swing zu typischen Musicalsongs, die – für mich überraschend – die Handlung voranbringen.

Es wird aber auch viel und akrobatisch getanzt. Die Choreografien stammen von Herbert Ross, der als Tänzer und Choreograf am Broadway arbeitete, bevor er ins Regiefach wechselte und u.a. “Funny Lady” und “Footloose” drehte.

Darstellerisch, stimmlich und sogar tänzerisch macht Cliff Richard seine Sache sehr gut. Er spielt natürlich, sympathisch und locker. Mir hat besonders gefallen, wie sich die vier Freunde und die drei Sängerinnen die Slapstick- und Pointen-Bälle zuwerfen. Das hat Tempo und Witz. Una Stubbs und Teddy Green stechen dabei durch Ausstrahlung und ihr tänzerisches Können besonders hervor.

Eigentlich sollte der Film Richards Sprungbrett zu Starruhm in den USA werden. Deshalb besetzte man seinen Love Interest Barbara mit der US-Amerikanerin Lauri Peters, die für “The Sound of Music” eine Tony-Nominierung als beste Nebendarstellerin erhalten hatte. Sie singt gut, aber hat keine besonders mitreißende Leinwand-Präsenz. Auch die Romanze zwischen Barbara und Don verläuft vorhersehbar nach Schema F. Die Drehbuchautoren Peter Myers und Ronald Cass, die auch die meisten Film-Songs schrieben, haben sich um ihre Figuren nicht wirklich geschert. Der Gesangstrio-Handlungsstrang verschwindet irgendwann nahezu, um Barbara Platz zu machen.

Peter Yates hat den Film in einem fröhlichen, fast albernen Tonfall inszeniert. Auch auf der Bildebene arbeitet er sehr kreativ. Der Film startet in Schwarz-Weiß mit einer Blaskapelle, die am Strand im Regen ihre Version von “Summer Holiday” spielt, unterschnitten mit weiteren wirklich ungemütlichen Schlechtwetterbildern eines britischen Sommers. Erst mit Dons Ankunft in dem roten Bus wird die Szenerie farbig.

Optisch auch sehr schön: die Episode, in der die Busbesatzung “The Great Orlando” und seine Künstlertruppe ein Stück mitnehmen. Sie landen alle zusammen vor Gericht und um zu beweisen, dass sie wirklich Theaterleute sind, spielen sie eine Pantomime. Die ist als eine Mischung aus Commedia dell’arte und Stummfilm-Slapstick inszeniert; knallbunt und ziemlich lustig. Dass die Episode um “The Great Orlando” nicht wirklich viel mit dem Rest der Handlung zu tun hat – egal, unterhaltsam ist sie auf jeden Fall.

So sehr ich mich beim Anschauen des Films auch amüsiert habe, eins ist mir doch etwas sauer aufgestoßen: Don und seine Kumpane benehmen sich wie Elefanten im Porzellanladen und tun das mit einer “Wir dürfen das”-Selbstverständlichkeit. Dass in Österreich beim Walzertanzen natürlich Männer mit Lederhosen dabei sind, ist ein gerade so verzeihbares Klischee, aber dass im Jugoslawien-Teil die Bevölkerung als unzivilisierte Bauern, deren Welt irgendwann in grauer Vorzeit stehengeblieben ist, dargestellt wird, ist auch für einen Film aus den frühen 60ern ärgerlich.

Aber unterm Strich hatte ich schönen Abend mit Cliff Richard und seinen Kumpanen. Bunte Sommerbilder aus schönen Ecken Europas, eingängige Musik, ein gutgelauntes Ensemble – perfekte Sommer-Unterhaltung.

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