Blu-ray, DVD und Digital "Ich war noch niemals in New York", Universal Pictures
Blu-ray, DVD und Digital "Ich war noch niemals in New York", Universal Pictures

Ingos Fernsehsessel – "Ich war noch niemals in New York"

Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.

Zur Sommerferienzeit ist meine Wahl auf das deutsche Kreuzfahrt-Musical gefallen. Ich sage es gleich vorweg: Ich habe IWNNINY nie live gesehen. Ich bin eigentlich kein Freund von Jukebox-Musicals; deswegen hat es mich nie gereizt. Also spare ich mir einen Vergleich mit der in vielen Punkten abweichenden Bühnenversion und beschränke mich auf die Verfilmung von 2019.

Lisa Wartberg (Heike Makatsch) ist Moderatorin eines TV-Glamour-Magazins, das schon bessere Tage gesehen hat. Ihre Mutter Maria (Katharina Thalbach) hat einen Unfall in der Küche und verliert ihr Gedächtnis. Das Letzte, was sie vor dem Sturz im Radio hörte, war Udo Jürgens mit “Ich war noch niemals in New York”. Mit dieser Idee im Kopf flüchtet Maria aus dem Krankenhaus und schmuggelt sich als blinde Passagierin auf ein Kreuzfahrtschiff. Durch einen Hinweis auf den Verbleib ihrer Mutter landet auch Lisa – mit ihrem Make-Up-Artist Fred (Michael Ostrowski) im Schlepptau – auf der MS Maximiliane, schafft es aber nicht mehr rechtzeitig wieder von Bord. Maria, Lisa und Fred werden entdeckt und müssen zur Strafe fürs Schwarz-Fahren als Bord-Personal arbeiten. So trifft Lisa auf den alleinerziehenden Axel (Moritz Bleibtreu), der mit seinem Sohn Florian (Marlon Schramm) nach New York will, um dort die Asche seiner verstorbenen Frau zu verstreuen; Fred beginnt eine Beziehung mit dem Bordzauberer Costa (Pasquale Aleardi) und Maria trifft auf den Gigolo Otto (Uwe Ochsenknecht), mit dem sie eine frühere Liebschaft verbindet.

Im Gegensatz zur verschwenderischen Ausstattung bewegt sich die Handlung trotz dreier Handlungsstränge auf monotonen Pfaden. Wobei die Geschichte von Fred und Costa nur zu existieren scheint, um “Griechischer Wein” irgendwie sinnvoll unterzubringen. Allzu bekannt Bausteine aus dem Romcom-Musterkatalog werden ohne großen Elan zusammengesetzt. Auch die Dialoge entfachen keinen Humor-Orkan auf hoher See, sondern verwehen als flaue Wortwitz-Lüftchen. Die Udo-Jürgens-Songs sind mal eleganter, mal plumper in die Handlung eingewoben. Richtig entfalten können sie sich nicht. Sie sind fast alle stark gekürzt oder werden durch Dialoge unterbrochen. Christoph Israels pathetische Arrangements für großes Orchester machen aus ihnen Futter für die Mitklatsch- und Schunkel-Fraktion, als wollte man mit aller Gewalt schon im Vorfeld dafür sorgen, dass das Publikum im Kino entsprechend mitgeht.

Christopher Tölle nimmt sich die frühen Hollywood-Filmmusicals als Vorbild für seine Choreografien. Das hat – wie die Kostüme – Charme, ist aber oft unübersichtlich verwuselt. Schon der Einstieg mit “Vielen Dank für die Blumen” verbreitet zappelige Hektik statt komödiantisches Tempo.

Dabei ist der Film von Philipp Stölzl alles andere als langweilig anzusehen. Die knallbunte Künstlichkeit und das übertriebene Schauspiel haben Methode. Die bis ins kleinste Detail durchkomponierten Bilder und die perfekt durchgetakteten Bewegungen wirken aber so klinisch rein, dass mich das als Zuschauer außen vor gelassen hat. Gezielt an das Gefühlszentrum gerichtete Szenen – etwa wenn Florian für seinen Vater “Liebe ohne Leiden” singt – sind bei mir nicht als “berührend emotional”, sondern als “sentimentaler Kitsch” angekommen.

Bei der Besetzung hat man wohl einfach nur auf bekannte Name gesetzt. Außer Pasquale Aleardi und Uwe Ochsenknecht singen alle Schauspieler Fremdscham-auslösend schlecht. Die Chemie zwischen der anfangs überbetont unsympathischen Heike Makatsch und dem unglaubwürdig trockenen Moritz Bleibtreu stimmt in keiner Szene. Dafür aber bei Katharina Thalbach und Uwe Ochsenknecht. Die beiden legen bei ihrer Schauspielkunst für meinen Geschmack sonst gern eine Schippe zu viel auf. Aber hier ist es ganz wunderbar zu sehen, wie sie sich glaubhaft die Bälle zuspielen. Ihr Tanz bei “Siebzehn Jahr, blondes Haar” – leichtfüßig locker bei Ochsenknecht und unbeholfen tapsig bei Thalbach – hat das gewisse Etwas, bei dem mir dann wirklich ein wenig warm ums Herz wurde. Auch Andreja Schneider, die durch ihre pure Präsenz und ihr Timing schon einige flaue Bühnenproduktionen, die ich gesehen habe, veredelt hat, sticht als Reinigungskraft Edita aus dem Ensemble heraus.

Ich hatte den Eindruck, als wollte man hier unter allen Umständen einen Kultfilm à la “Mamma Mia” kreieren – einen bonbonbunten Retro-Schlager-Spaß, der gerne auch ein bisschen liebenswert trashig wäre, aber durch die gelackten Bilder wirkt, als hätte man eine abwaschbare Folie draufgeklebt.

Eins hat der Film aber geschafft: Jetzt möchte ich zum Vergleich die Bühnenversion sehen!

 
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