Ensemble © Martin Kaufhold
Ensemble © Martin Kaufhold

Something Rotten! (2023 - 2024)
The English Theatre, Frankfurt am Main

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Eine unterhaltsame Reise in die Zeit von William Shakespeare mit viel schwarzem Humor und unzähligen Musical-Parodien – all das und einiges mehr bietet das 2015 in New York uraufgeführte und nun in Frankfurt als englischsprachige Europapremiere neu inszenierte „Something Rotten!“ von Karey und Wayne Kirkpatrick. Mit einem Score voller Showstopper und einer cleveren Inszenierung von Ewan Jones wird das diesjährige ETF-Musical zur Liebeserklärung an das Genre selbst.

Im Jahr 1595, während der Blütezeit der Renaissance in England, leiten die Brüder Nick und Nigel Bottom eine Theatertruppe, deren Existenz durch die Übermacht von ‚Rockstar‘ William Shakespeare bedroht ist. Nigel bewundert den Barden und versucht, ihn nachzuahmen, Nick sehnt sich jedoch nach seinem eigenen Platz im Theaterhimmel, und so fragt er einen Wahrsager, was denn „das nächste große Ding“ im Theater sein wird. Orakel Nostradamus sagt den Erfolg von Musicals voraus. Also machen sich die Brüder auf, das erste Musical ihrer Zeit zu schreiben. Was darauf folgt, ist eine Verkettung urkomischer Missverständnisse (Nostradamus ist nicht mit einer hundertprozentigen Vorhersage-Trefferquote gesegnet), die letztlich auf den finalen Kampf zwischen den Bottom-Brüdern und Shakespeare hinausläuft.

Der große Coup dieses Musicals ist die Verneigung vor – und auch die Parodie – der Sparte selbst. Das Buch von Karey Kirkpatrick und John O’Farrell strotzt nur so von Anleihen aus diversen Broadway-Shows, und alleine der Song „A Musical“, den Nostradamus gemeinsam mit Nick Bottom im ersten Akt singt, enthält mehr als zwanzig Hommagen an bedeutende Broadway-Shows (u.a. „Rent“, „Sweet Charity“ oder „A Chorus Line“), die clever in Text und Choreografie eingewebt sind. Betrachtet man die komplette Show, entdeckt man noch mehr bewusst ‚Geklautes‘, wie beispielsweise die „One Day More“-Choreografie aus „Les Misérables“, in der Ewan Jones seine Crew marschieren lässt. Auch wenn jedes kleinste Detail vielleicht nur für Musical-Nerds erkennbar ist, entsteht so im Laufe der Geschichte eine spannende ‚Welches Musical war das noch gleich?‘-Challenge, die Spaß macht und für den einen oder anderen Pausen-Talk sorgt.

Aber auch ohne zu rätseln, gefällt die Musik der Kirkpatrick-Brüder, denn es gibt eine Menge Songs, die im Stil klassischer Broadway-Shows mit viel Stepptanz choreografiert und inszeniert sind, zu entdecken. Neben der erwähnten Nostradamus-Musical-Nummer stechen besonders das Intro „Welcome To The Renaissance“, das humorvoll-makabere „The Black Death“ und das mit tanzenden Eiern und Omelettes choreografierte „Make An Omelette“ heraus. Regisseur und Choreograf Ewan Jones hat die Songs unterhaltsam in Szene gesetzt und die Choreografie an die schmale Bühne des Theaters optimal angepasst, so dass die Tanzszenen – trotz vergleichsweise kleinem Cast – opulent aussehen.

Neben all den Musical-Parodien gibt es noch ein weiteres Thema, das die Kirkpatrick-Brüder und Mitautor John O’Farrell sympathisch aufs Korn nehmen und gekonnt persiflieren: William Shakespeare himself. Bereits das namensgebende „Something Rotten…“ lässt erahnen, dass Shakespeares Werke eine fundamentale Rolle im Musical spielen. Spätestens jedoch wenn sich ‚The Will‘ und Nick Bottom mit Shakespeares Werken ‚rap-battlen‘, wird klar, dass Shakespeare der eigentliche Hauptdarsteller ist. Auf der Bühne wird er als Lederkluft-Rockstar mit Macho-Allüren dargestellt und von Matt Beveridge vortrefflich arrogant in Szene gesetzt. Anders als in der Broadway-Vorlage geht man hier einen etwas subtileren Weg – Shakespeare ist nicht so laut und kein ‚Hau drauf‘-Typ, sondern eher ruhig und bedacht. Dies fördert die Glaubwürdigkeit der Rolle, besonders im späteren Verlauf, wenn sich Shakespeare in die Bottom-Truppe ‚einlügt‘, um deren Pläne auszuspionieren.

Nick und Nigel Bottom – bewusst oder unbewusst genau wie das Autoren-Duo ein Brüderpaar – werden in Frankfurt von Greg Miller Burns und Sami Kedar porträtiert. Nick – der erwachsenere der beiden Brüder – singt einige der schmissigsten Songs der Show. Greg Miller Burns erfüllt diese mit kraftvoller Stimme und fein-getuntem Schauspieltalent mit Leben. So versteht man nur allzu gut, wieso der junge Autor seinen alten Schulfreund bei „God, I Hate Shakespeare“ so sehr verabscheut und gönnt dem Brüderpaar beim Pausenfinale „Bottom’s Gonna Be On Top“ den wohlverdienten Hit.

Ähnlich verhält es sich bei Sami Kedar als Nicks verträumtem Bruder Nigel. Seine sanfte Stimmfärbung passt zu seinen eher ruhigen Songs wie dem Love-Song „I Love The Way“.

Überhaupt schaffen es beide Darsteller, die Brüder-Rollen greifbar sympathisch zu machen und das Publikum bei ihrer fortwährenden Suche nach Erfolg an die Hand zu nehmen.

Die beiden Leading Ladys Rachael Archer als Nicks Frau Bea und Briana Kelly als Nigels Angebetete Portia liefern gleichermaßen großartige Interpretationen ihrer Rollen. Während bei Bea das überraschende Auftauchen in unterschiedlichsten Männerrollen zum Running Gag wird (sie kämpft dafür, dass Frauen in Männerberufen arbeiten dürfen), gefällt Briana Kelly insbesondere durch ihre glockenklare Stimme und ihr Comedy-Talent, mit dem sie Nigel umgarnt und für sich einnimmt.

Weiterer Hauptdarsteller und unbedingt erwähnenswert ist Tom Watson als Nostradamus. Er macht den Song „A Musical“ sowohl musikalisch als auch darstellerisch zu einem Highlight, indem er binnen Sekunden zwischen den vielen Musicals hin und her switcht.

Das restliche Ensemble schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen – von der Bottom’schen Schauspieltruppe bis zu tanzenden Sensenmännern ist alles dabei – und ist sowohl gesanglich als auch tänzerisch top.

Alle Songs werden glasklar und textverständlich ins Auditorium transportiert, was der vortrefflichen musikalischen Einrichtung von David Sidnev und seiner Crew zu verdanken ist. Auch die 5-köpfige Band unter der Leitung von Mal Hall trägt ihren Teil dazu bei, dass die musikalische Seite des Abends keine Wünsche offen lässt. Diese Versionen der Songs könnte man sich durchaus auf einer neuen Cast-Aufnahme wieder und wieder anhören.

Abgerundet wird die Inszenierung durch das funktionale und imposante Bühnenbild von Stewart J. Charlesworth, das beim Betreten des Saals unmittelbar an Shakespeare’s Globe erinnert. Auch wenn das Set monumental wirkt, erlaubt es doch viele kleine Details, wie herausschiebbare Podeste für diverse Räume oder Shakespeares Rockstar-Bühne. Generell ist das ganze Set sehr detailverliebt. Man sollte sich durchaus ein paar Minuten vor der Show im Saal einfinden und sich einmal etwas genauer mit den vielen kleinen Renaissance-Geschichten auf dem Vorhang beschäftigen, während man von der Pre-Show des Casts unterhalten wird.

Und so kann jedem nur ans Herz gelegt werden, sich von der Opening-Nummer „Welcome To The Renaissance“ wortwörtlich mitnehmen zu lassen auf eine humorvolle Reise voller musikalischer und darstellerischer Highlights, die dem English Theatre Frankfurt hoffentlich eine positive Nostradamus’sche Weissagung auf seiner eigenen Reise zur gesicherten Spielstätte bis zum Ende der geplanten Laufzeit im März 2024 beschert.

 
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KREATIVTEAM
Regie / ChoreografieEwan Jones
Musikalische LeitungMal Hall
Bühnen- / KostümbildStewart J. Charlesworth
SounddesignDavid Sidnev
LichtdesignJamie Platt
 
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CAST (AKTUELL)
Brother Jeremiah / Resident DirectorBradley Adams
ViolaBethany Amber-Wilde
BeaRachael Archer
Tom SnoutWilliam Beckerleg
ShakespeareMatt Beveridge
Rosalind / Dance CaptainEstelle Denison-French
Robin StarvelingLiam Huband
Nigel BottomSami Kedar
PortiaBriana Kelly
Nick BottomGreg Miller Burns
ShylockJonathan Norman
Lord ClaphamChris Tarsey
Peter QuinceMyles Waby
NostradamusTom Watson
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 17.11.2023 19:30The English Theatre, Frankfurt am MainPremiere
Sa, 18.11.2023 19:30The English Theatre, Frankfurt am Main
So, 19.11.2023 18:00The English Theatre, Frankfurt am Main
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