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 Drama
Jesus Christ Superstar He's just a man
© Sandra Then
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Tom Ryser’s Inszenierung von "Jesus Christ Superstar" ist in ihrer Reduziert- und Echtheit brachial und sanft zugleich. Im Mittelpunkt steht die Menschlichkeit der Figuren, herausgearbeitet durch starke Bilder, hohe Textverständlichkeit und intensives Spiel. Das Ensemble rund um Alexander Klaws und Patrick Stanke hat eine Energie, die mitreißt, berührt und keinen Zuschauer kalt lässt. Ein zutiefst aufwühlender und tiefgreifender Abend.
(Text: Simone Jaccoud) Premiere: | | 23.01.2016 | Rezensierte Vorstellung: | | 23.01.2016 | Letzte bekannte Aufführung: | | 17.06.2016 |
Wo soll man beginnen, wenn sich ein Gänsehautmoment an den anderen reiht und man während der gesamten Show kaum zu atmen wagt?
Vielleicht lassen sich diese eindrücklichen Momente mit zwei Songzeilen als Wegweiser für die gesamte Inszenierung von Tom Ryser beschreiben: "He’s just a man" und "Could we start again please?" Alexander Klaws Jesus klammert sich wie ein Baby im Schlaf an Maria Magdalene. Seine Erschöpfung ist offensichtlich. Die Energie ist nicht mehr strotzend, das Ausgebrannt sein schon zu fortgeschritten. Jesus ist ein Mensch. Sein Freund Judas versucht, das Unabwendbare zu verhindern.
Ryser und sein Team verzichten gänzlich auf religiöse Attribute und Glorifizierung. Der Mensch Jesus mit seinem angeschlagenen Charisma, mit seinem Zweifeln und Hadern mit dem Schicksal steht im Mittelpunkt. Die Bühne (Stefan Rieckhoff) ist reduziert auf eine Treppe im mitten einer Arena, die durch fünf verschiebbare Wandelemente umrahmt wird. Im 2. Akt wird im Hintergrund ein blauer Samtvorhang mit leuchtenden Lichtern, die den Sternenhimmel symbolisieren, aufgezogen. Die Priester beobachten die Szenerie der feiernden Menge durch Gucklöcher in den Wandelementen. Es ist offensichtlich: Es gefällt ihnen nicht, was sie sehen. Pilates hat sein zu Hause in einem Tigerkäfig. Er ist gefangen; seine Rolle ist ausweglos.
© Sandra Then
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Die Protagonisten tragen abgetragene und schmutzige Alltagskostüme mit feinen Attributen der 70er Jahre. Regisseur Tom Ryser verstärkt in der Inszenierung das Überbordende, das Chaos und die Gewalt. Brachial wirft Jesus in der Tempelszene Wandelemente zu Boden. Geld und Goldflitter wirbeln bis in den Zuschauerraum. Simon und die Anhänger verwechseln Unterstützung mit Blutsbrüderschaft und werden vehement von Jesus zurechtgewiesen. Auch der feine Humor hat Platz. In der Abendmahl-Szene sind die angesäuselten Jünger keinesfalls in der Lage die Botschaft von Jesus aufzunehmen. Deshalb wird die anfangs vergnügliche Situation zu einer Farce und endet im Chaos.
Dirigiert wird die eingespielte Jesus-Band von der dynamischen und auf den Punkt arbeitenden Ansi Verwey. Die Partitur wird rockig, mit vielen Rhythmen interpretiert und bei Songanfängen zum Teil nur mit akustischer Gitarre begleitet. Verwey ist die Intonation sehr wichtig, deshalb versteht man den englischen Text konstant sehr gut. Lilian Stillwell ist die Choreographin der Inszenierung. Sie arbeitet mit jüdischen Volks- aber auch Clubtänzen. Dies wirkt sprudelnd, stückweise ekstatisch und auch feinfühlig. Sie hat eine Bewegungsform gefunden, bei der nichts aufgesetzt wirkt. Alles geschieht natürlich, aus dem Kontext des Geschehens heraus.
Alexander Klaws ist als Jesus stimmlich überragend und setzt mit seiner Interpretation neue Akzente. Einen so rohen, reduzierten Jesus ohne jegliche Attitüden zu spielen, braucht eine immense Selbstbeherrschung. Sein Schauspiel ist berührend und zutiefst aufwühlend. Er ist ganz und gar Mensch und wächst in der Rolle über sich heraus. Nach "Gethsemane" erntet er verdient langanhaltenden Applaus.
Patrick Stanke als Judas zeigt sich stimmlich kraftvoll, rockig und ebenso überzeugend in den leisen Tönen. Ein Judas, der verzweifelt ob seiner Aufgabe, der gerne die Zeit zurückdrehen möchte. Er ist Spielball in einem ausweglosen Geschehen. Sein Schauspiel ist äußerst authentisch und berührend. Die ruhigen Momente mit Jesus, wo die Freunde zusammensitzen und sprechen, zeigen die tiefe Verbundenheit der beiden.
Andrea Sánchez del Solar als Maria Magdalene überzeugt mit warmer, starker Stimme und natürlichem Schauspiel. Marias Überforderung mit der ihr zugetragenen Rolle und die Zusammengehörigkeit mit Jesus sind stets spürbar. Karl-Heinz Brandt als Herodes ist schauspielerisch grandios. Seine gesamte Attitüde ist voller Aggression und Überheblichkeit. Der Showstopper "Harod's Song" wird zur absoluten Machtdemonstration. Verpackt in eine flockige Steppnummer mit dem Tanzensemble wird Jesus hinter dem aufgestellten Flügel bis aufs Blut drangsaliert.
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Andrew Murphy als Kaiaphas besitzt eine starke Bühnenpräsenz und tiefe sonore Stimme. Er ist angsteinflößend und gnadenlos im Umgang mit anderen. Die anderen Priester werden von Mitgliedern des Opernchores stimmlich stark und mit viel Elan gespielt (Wladyslaw W. Dylag, Vahan Markaryan, Krzysztof Debicki und Vivian Zatta). Jeffrey Italiaander als Simon und Tim Ludwig als Peter sind beides energievolle Darsteller mit angenehmen Stimmen.
Andrea Matthias Pagani als Pilates ist ein Glücksgriff. Stimmlich und mimisch kraftvoll tigert er durch seinen Käfig. Bei den "39 Lashes" schaut man ihm gebannt aufs Gesicht. Er scheint mehr zu leiden als Jesus. Er wird in dieser Szene zum Hauptakteur.
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Tom Ryser arbeitet nicht nur mit dem versierten und stimmstarken Opernchor sondern auch mit den engagierten jungen Mitgliedern des Gospelchors am Münster zusammen. Alle Beteiligten zeigen Elan und Mut, sich ganz und gar in die herausfordernde Thematik des Stückes fallen zu lassen. Es zeigt sich wie schon bei "Fame", wie einfühlsam und vertrauensvoll Ryser und sein Team mit Laien arbeiten, und dadurch das Beste und ein hohes Maß an Authentizität herausholen kann.
"Jesus Christ Superstar" am Theater Basel zeigt eine Reduziertheit, bei der es Tom Ryser schafft, dem Zuschauer viel Platz für Fragen zu lassen und Gedanken auf den Weg mitzugeben. Warum haben die Mächtigen Angst vor einem Menschen der keine Macht möchte? Ist es möglich wie Jesus seine Feinde zu lieben und sich seinem Schicksal bedingungslos zu ergeben? Jesus war in erster Linie ein Mensch und Judas sein bester Freund. "Could we start again please?"
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(Text: Simone Jaccoud)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31080 Mitreißendes Musicalerlebnis
27.04.2016 - Ich habe die Nachmittagsvorstellung am 24.04.2016 besucht und sehr gespannt auf ein Stück, das ich schon sehr lange schätze, aber tatsächlich noch nie auf der Bühne gesehen hatte.
Über die Meldung der muz wurde ich neugierig auf die Besetzung und habe mich spontan zu einem Besuch in der Schweiz entschieden.
Um es kurz zu machen: Ich habe es nicht bereut. Von den ersten Klängen an, saß ich mitfiebernd in meinem (Dreh-)Sitz. Der Rezension von Simone Jaccoud kann ich mich weitestgehend anschließen.
Die Inszenierung war für mich stimmig, da sie meiner Meinung nach die durch die Partitur vorgegebene zeitliche Einordnung in die 70er Jahre aufgreift.
Die Spannung, die sich zwischen Jesus, Judas und Maria Magdalene aufbaut war fast greifbar, beeindruckend die Wuchtigkeit des Ensembles (am Ende zählte ich rund 60 Personen auf der Bühne!).
Alexander Klaws überzeugte als Jesus vor allem schauspielerisch, gesanglich holte er mich erst mit seinem Gethsemane wirklich ab. Dann aber umso mehr. Zwar war der Szenenapplaus durchaus verdient, doch stelle ich mir die Frage, ob bei man bei diesem Stück auf Zwischenapplaus nicht besser verzichten sollte.
Patrick Stanke füllt die Rolle des Judas perfekt aus, zeigt eine ganze Palette an Gefühlswelten seinem Freund Jesus gegenüber und singt seinen Part scheinbar mühelos.
Karl-Heinz Brandt hat mich in der gesehenen Vorstellung leider nicht überzeugt. Gesanglich und Darstellerisch habe ich die viel gelobte Präsenz und Attitüde vermisst. Vielmehr wirkte dieser Herodes auf mich unentschlossen und eher beliebig.
Um so überraschter war ich von Andrea Matthias Paganis Pilatus. Was für eine Präsenz! Hier kann ich die Rezension oben voll und ganz unterschreiben.
Ein mitreißender Musicalbesuch, mit zum Teil herausragenden Darstellern, die es geschafft haben, mich mitten ins Geschehen hinein zu nehmen und mir neue Facetten eines für mich (vermeintlich) altbekannten Stückes aufzuzeigen.

Hughie (30 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne) 
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| Handlung | Die letzten sieben Tage Jesu Christi. mehr Jesus sieht sich immer größerem Widerstand durch die Hohepriester und sogar seiner Anhängerschaft ausgesetzt. Überzeugungsversuche seiner Jünger, allen voran Judas, eine andere Richtung einzuschlagen, schlagen fehl. Jesus bleibt stoisch bei seinen Idealen - wohlwissend, dass sein Leben und das einiger seiner Freunde damit verwirkt ist.
| Weitere Infos | Die deutschsprachige Erstaufführung fand am 18. Februar 1972 in der Halle Münsterland (Münster) mit Reiner Schöne in der Hauptrolle statt.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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