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 Kult-Grusical
Richard´O Brien´s Rocky Horror Show It´s just a jump to the left
© Steffen Rasche
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Überschwängliche Party-Stimmung verspricht "The Rocky Horror Show" auch am Senftenberger See. Im überdachten Amphitheater bekämpft die "neue Bühne" mit einem riesigen Aufwand gekonnt den Pandemie-Blues. "Let´s Do the Time Warp again"…
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 26.05.2022 | Rezensierte Vorstellung: | | 26.05.2022 | Showlänge: | | 150 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Wann wird getrötet, wofür brauche ich eigentlich einen Gummihandschuh und was rufe ich, wenn der Name "Eddie" erwähnt wird? Antworten auf diese und andere Fragen zum Mitmach-Procedere gibt der Erzähler bereits zehn Minuten vor dem eigentlichen Vorstellungsbeginn in einer Art Prolog. Auch das kostenlose Programmheft und ein Beileger im mit allen Requisiten gefüllten "GoodieBag" enthalten ausführliche Mitmach-Empfehlungen. Damit ist klar, in welche Richtung "The Rocky Horror Show" auch in Senftenberg gehen wird.
© Steffen Rasche
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Deshalb stehen bei diesem Stück jedes Kreativteam und der Cast vor der großen Herausforderung, gegen den Kult anzuspielen und nicht im Mitmach-Getümmel unterzugehen. Regisseur Tilo Esche, Ausstatter Mike Hahne und Choreograf Jason Sabrou sind schlau genug, gar nicht erst auf ernsthaftes Regie-Theater zu setzen. Im Gegenteil: Sie geben dem Affen gehörig Zucker und bringen das vor fast 50 Jahren uraufgeführte Musical mit nur wenig Inhalt gewohnt offenherzig, trashig und überdreht auf die Bühne.
Dennoch fügt Tilo Esche in seine Inszenierung auch ungewohnte Sichtweisen ein. So stellt sich der bereits erwähnte Erzähler (Tom Bartels) dem Publikum mit stark spanischem Akzent als Wissenschaftler Dr. Fernandez vor, der zur "Rocky Horror Show" forscht. Ganz stilgerecht zum Stück ist er in ein goldenes Pailletten-Outfit mit Strumpfhaltern gewandet und betont in den Texten seine Offenheit für jegliches Geschlecht. Dass ihm im Laufe der Vorstellung der Akzent das ein oder andere Mal abhanden kommt und er aktiv mit dem Phantom/Transilvanian-Ensemble in die Handlung integriert ist, fällt dabei nicht stark ins Gewicht. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich Tom Bartels in seiner Funktion als Erzähler nur gegen recht wenige verbale Attacken durch das Publikums wehren muss.
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Regisseur Tilo Esche nutzt Mike Hahnes zweigeschossigen, abstrakten Raum und die Zuschauertribünen abwechslungsreich als Spielflächen, sodass es an unterschiedlichen Orten viel zu schauen gibt und die Darsteller auch recht nah am Publikum agieren. Sehr witzig auch die Idee, dass die Tür zur Kirche in der folgenden Szene durch horizontales Herabklappen zum Auto wird. Ähnliches gilt für weitere Schauplätze, wenn zum Beispiel die Phantoms/Transilvanians nur mit einem weißen Laken bedeckt zu Tisch und Stühlen werden, Getränke reichen und mit einer einzigen roten Rose in einer Vase für romantische Atmosphäre sorgen.
Choreograf Jason Sabrou verlangt dem Cast, zu dem auch ein gastverpflichtetes, vierköpfiges Tanz-Ensemble gehört, körperlich so einiges ab, zumal die meisten der Darsteller über keine Musical-Ausbildung verfügen. Um die Premiere zu retten, springt Sabrou für den erkrankten Tillmann Eckardt als Rocky ein und glänzt in dieser Rolle vor allem als agiler Muskelmann.
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Anders als in vielen anderen Inszenierungen werden in Senftenberg die Sexszenen nicht als Schattenspiele angedeutet, sondern bringen die zuschauenden Eltern, die ahnungslos mit Kindern die Vorstellung besuchen, in Erklärungsnot. Gleiches kann auch im Fall von Mike Hahnes verschwenderisch-funkelndem, sexy Kostümbild passieren, das einige sekundäre Geschlechtsmerkmale augenzwinkernd sehr stark betont. Auch der Horror-Aspekt kommt in dieser Inszenierung nicht zu kurz: Da spritzt gehörig das Blut und Columbia muss sich mit Eddies abgehacktem Kopf begnügen, während das von ihm noch übriggeblieben ist, in durchsichtigen Müllsäcken landet.
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Auf der Bühne stehen durchweg gute Schauspieler, die tolle Rollenportraits abliefern. Bei manchen ist allerdings unüberhörbar, dass Gesang nicht gerade zu ihren Kernkompetenzen gehören. Als Brad und Riff-Raff mogeln sich Robert Eder und Dimitrij Breuer geschickt durch ihre Songs, während Marianne Helene Jordan als arg quietschendes Püppchen Columbia um ihren Eddie trauert. Für "Eddie´s Teddy" fehlt Leon Haller zwar die ganz große Rockröhre, er darf sich nach Eddies Ableben jedoch als dralle Phantom/Transilvanian-Lady darstellerisch so richtig austoben.
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Aus dem Haus-Ensemble empfiehlt sich Esra Maria Kreder (alternierend mit Lena Conrad) in der Doppelrolle als Platzanweiserin und Magenta als auf den Punkt besetzt. Mit "Science Fiction Double Feature" setzt sie popcorntütenverteilend gleich zu Beginn der Show einen der gesanglichen Höhepunkt, ist aber auch als linkisch-bedrohliche Dienerin von Frank-N-Furter ein Knaller. Als eben dieser tuntig-verruchter Hausherr im Strapskorsett mit Nippel-Piercing stöckelt der gastverpflichtete Matthias Luckey in Highheels über die Bühne und punktet nicht nur mit seiner atemberaubenden Bühnenpräsenz. Luckey verfügt zudem über eine satte Rockröhre, mit der auch stimmlich glänzt. In der Rolle der zunächst bieder-verklemmten Janet entdeckt Manja Stein ihre Körperlichkeit und ihre eigenen Bedürfnisse und lässt ihren Musical-Sopran nicht nur im sie befreienden "Touch - A Touch – A Touch – Me" funkeln.
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In der besuchten Premiere hapert es an der Tonabmischung. Die Gesangsstimmen können sich in vielen der Songs nur schwer gegen die fünfköpfige, unter der Leitung von Benjamin Rietz losrockende Band durchsetzen, sodass auch die Texte nur schwer zu verstehen sind. Im Laufe der bis in den Juli hinein andauernden Spielserie dürfte das allerdings in den Griff bekommen zu sein.
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Die Verantwortlichen in Senftenberg trimmen ihre "Rocky Horror Show" ganz auf Kult, Interaktion und Party. Auch wenn in der besuchten Premiere im Kreisrund des Amphitheaters einige Zuschauer in Straps-Outfits sitzen, das Wasser in der Unwetter-Szene durch die Reihen spritzt und beim "Time Warp" die Hüften gekreist werden - so ganz springt der Kult (noch) nicht über. Vielleicht muss es sich erst herumsprechen, wie gut diese Produktion wirklich ist.
(Text: Kai Wulfes)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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KartenKartenverkauf über neue Bühne Senftenberg Senftenberg (Adresse siehe oben) |
| Handlung | Nach einer Reifenpanne landet das prüde Pärchen Brad Majors und Janet Weiss auf dem Schloss des exzentrischen Wissenschaftlers Dr. mehr Frank 'n' Furter. Dieser nutzt die Gewitternacht, um seinen Traumliebhaber aus allerlei Zutaten (unter anderem Körperteilen seines Ex-Gelieben) zu erschaffen. Faszniert und angewidert zugleich lassen sich Brad und Janet in die kuriose Welt ziehen und schrecken schließlich auch nicht vor sexuellen Abenteuern zurück. Die Dienerschaft hat jedoch genug von diesem rücksichtslosen Verhalten und strengt noch in derselben Nacht eine Revolte gegen den Schlossherrn an, um zum Heimatplaneten Transylvania zurückkehren zu können.
Musik und Songtexte stammen von Richard O'Brien, der häufig auch in die Rolle des Dieners Riff Raff schlüpfte. Die Premiere fand am 16. Juni 1973 im The Royal Court Theatre Upstairs, der Studiobühne des Royal Court Theatres in London, statt. 1975 wurde die Verfilmung als "The Rocky Horror Picture Show" in die Kinos gebracht.
Berühmte Darsteller der Uraufführung waren unter anderem Tim Curry als Frank 'n' Furter, Richard O'Brien als Riff Raff und Little Nell als Columbia.
In der Filmversion übernahmen diese drei ebenfalls die gleichen Rollen und verhalten dem Film zu Kultstatus. Curry und O'Brien sind heute noch das Urbild von Frank 'n' Furter und Riff Raff. Neben diesen Darstellern waren zusätzlich Meat Loaf als Eddie und Susan Sarandon als Janet zu sehen.
Die "Rocky Horror Show" wie auch "The Rocky Horror Picture Show" leben ihren Kultstatus vor allem durch die Interaktion des Publikums. Fliegender Reis, der Einsatz von Wasserpistolen, Gummihandschuhen, Zeitungshüten und rollenspezifische Kostüme sind keine Seltenheit. Ein Versuch von Richard O'Brien, die Show wieder zu einem normalen Theaterstück zu machen, scheiterte aufgrund es Widerstands des Publikums im Jahr 2007 kläglich.
Ergänzend ein kleiner Mitmach-Guide zur Bühnenversion. Bitte darauf achten, dass z.B. Wasserpistolen und vor allem offenes Feuer in Theatern ungerne gesehen sind, OpenAir sind sie meist kein Problem. Toastbrotscheiben sind meist aus hygienischen Gründen verboten.
Reis: Brad und Janet besuchen zu Beginn des Stücks die Hochzeit von Ralph und Betty. Wenn die beiden aus der Kirche kommen, darf ordentlich Reis geworfen werden.
Wasserpistolen/Zeitungen: Brad und Janet machen sich auf den Weg zu Ihrem ehemaligen Professor Dr. Scott. Dabei geraten sie in ein Gewitter. Zeit für die Wasserpistolen und Hüte aus Zeitungen.
Taschenlampe/Wunderkerzen: ... und schon wenige Sekunden später sehen sie das Schloss von Frank'N'Further. Im Song erklingt "There's a light" und Taschenlampen/Wunderkerzen unterstützen das Bild.
Tröten: Einige Zeit später hält Frank'N'Further seine Schicksalsrede und endet mit (z.B. "Ich halte den Schlüssel des Lebens in meinen Händen"). Wir nehmen sie nicht so ganz ernst und tröten los.
Gummihandschuh: Im Labor angekommen zieht sich Frank seine Handschuhe an/aus. In dem Moment, in dem er damit schnalzt, darf auch das Publikum es ihm gleich tun.
Klopapier: Frank'N'Further hat mit Rocky den für sich perfekten Mann geschaffen. Meist erscheint er wie eine Mumie und wird ausgewickelt. Was liegt näher, als mit Klopapier zu werfen? Tipp: Das Papier zunächst etwa 2 Meter abwickeln, das Ende festhalten und dann die Rolle werfen. Macht natürlich von hinten nach vorne bzw. vom Rang am meisten Spaß.
Reis/Konfetti: Wohl dem, der nicht den ganzen Reis bereits in der ersten Szene geworfen oder noch Konfetti dabei hat. Wenn Frank und Rocky in die Hochzeitsnacht entschwinden, bricht der zweite Reis/Konfettisturm los.
Glöckchen: In "Planet Schmanet" heißt es genau hinhören. Ein einziges Mal im Song kommt die Stelle "When we made it, did you hear a bell ring?". Wer das Glöckchen schnell genug gezückt hat, bimmelt los.
Spielkarten: Die Geschichte entwickelt sich nicht zu Franks Vorteil und er stimmt "I'm Going Home" an. Darin singt er auch von "Cards of Sorrow, Cards of Pain". Mit zwei Fingern wie eine Frisbee geschnippte Spielkarten fliegen besonders gut.
Mitmachspielchen im Text:
Der Erzähler unterbricht die Handlung des Stücks regelmäßig und deutet sie. Die Texte sind manchmal etwas langatmig. Da kommt ein beherztes "BORING!" (Langweilig!) gerade recht. Wann entscheidet jeder Zuschauer für sich. Unser Tipp ist, den Erzähler zunächst ein paar Sätze erzählen zu lassen, dann passt's besser als wenn er schon beim Betreten der Bühne mit "BORING!" übertönt wird.
Eddy hat kein wirkliches Glück im Stück und scheidet so viel zu früh dahin. Aber darüber spricht man nicht. Immer wenn irgendwo im Text der Name "Eddy" fällt, machen wir "Schhhhhhh...." oder "Psssssst".
Der richtige Name "Dr. von Scott" ist den wenigsten bekannt. So wird er immer nur "Dr. Scott" genannt. Den kennen wir allerdings nicht. Daher rufen wir immer, wenn "Dr. Scott" in einem Text aufkommt "Who?!" ("Huu'?").
Im Laufe der Geschichte gibt es eine Szene, die die Konzentration des Publikums auf die Probe stellt. Nämlich genau dann, wenn Dr. Scott, Eddy, Brad und Janet aufeinandertreffen.
Echte Fans kommen gerne verkleidet. Dabei stehen vor allem die Charaktere Frank'N'Further, Magenta, RiffRaff und Rocky hoch im Kurs. Eher selten sieht man einen Brad oder eine Janet. Wer sich nicht enscheiden kann, kann immer auch als Transilvanian kommen. Dabei ist fast alles erlaubt, das schräg ist. Am Besten einfach einen Blick in den Film oder die Bildersuche bei Google werfen. Geschminkte Lippen und Augen sind bei Männern keine Seltenheit und es darf auch (passend zur Rolle) Haut gezeigt werden.
Der Einsatz der Requisiten ist je nach Publikum und Theater unterschiedlich. Echte Fans haben (fast) alles dabei, andere nur Klopapier und Reis. Die meisten Theater wissen was auf sie zukommt und nehmen die Einlasskontrollen daher weniger ernst, es gab schon Aufführungen, in denen die Taschen verkleideter Zuschauer nicht durchsucht wurden, aber die der Anzugträger. Wichtig ist, die Regeln des Theaters (z.B. kein Feuer) einzuhalten. Spannend sind vor allem die Momente, in denen unwissende Zuschauer von den Ritualen überrascht werden. Die meisten nehmen es mit Humor. Beim Einsatz der Mitbringsel gillt: Gemeinsam Spaß haben steht ganz oben. Also keinen Wasserstrahl direkt in den Nacken des Vordermanns richten, nicht mit Taschenlampen in die Augen blenden usw. Wer das beherzigt, wird schnell Teil der Show und verbringt einen sehr interaktiven Theaterabend.
(Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
| Weitere Infos | (Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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