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 Abenteuer-Musical
Der Graf von Monte Christo Jeder Tag ein kleiner Tod
© Christina Iberl
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Im Programmheft der Meininger Inszenierung von "Der Graf von Monte Christo" berichtet Komponist Frank Wildhorn wie die Partitur zu seinem Musical entstanden ist: Er hat sich immer wieder die Verfilmung mit James Caviezel aus dem Jahr 2002 angesehen und dabei den Ton abgedreht. In Stummfilm-Manier saß er dabei an seinem Klavier und hat Melodien gespielt, die ihm in den jeweiligen Szenen in den Kopf gekommen sind. Möglicherweise hat sich Cusch Jung von dieser Geschichte inspirieren lassen. In seiner Inszenierung dominieren riesige Videoprojektionen das Bühnenbild und vermitteln so oft den Eindruck, in einem großen Hollywood-Film zu sitzen.
(Text: Frank Guevara Pérez) Premiere: | | 02.12.2022 | Rezensierte Vorstellung: | | 17.12.2022 | Showlänge: | | 160 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
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Ursprünglich für die Musikalische Komödie Leipzig erarbeitet, wurde Cusch Jungs Inszenierung von "Der Graf von Monte Christo" jetzt – knapp 10 Jahre nach der Premiere in Leipzig – ans Staatstheater Meiningen transferiert. Mit dabei sind auch wieder Marc Clear als Edmond Dantès und Regisseur Cusch Jung selbst, der nicht nur als Jacopo, sondern auch als Abbé Farias, einer der Schlüsselrollen des Stücks auf der Bühne steht.
Das Stück beginnt mit einer der wohl beeindruckendsten Melodien, die Frank Wildhorn geschrieben hat: "Fiat Justitia" ist ein monumentaler Prolog, der das Potential hat, das Publikum gleich zu Beginn förmlich in die Sessel zu drücken und darauf vorzubereiten, dass ein Abend voller kraftvoller und schwelgerischer Melodien wartet. Die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Harish Shankar klingt zwar voll, treibend und auch durchaus gut ausgesteuert, allerdings könnte die Lautstärke gerade im Prolog noch deutlich aufgedreht werden, um die Wucht der Wildhorn’schen Melodien noch besser vom Orchestergraben zum Publikum zu transportieren.
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Das Bühnenbild wurde aus der Leipziger Inszenierung übernommen. An den Seiten und der Bühnendecke befinden sich Spiegel, die den Raum nochmal vergrößern und bei entsprechenden Videoprojektionen an der Rückwand ins Unendliche weiterführen. Die Projektionen selbst sind von unterschiedlicher Güte: Manchmal gelingen geradezu cineastische Momente, so zum Beispiel in der Szene auf dem Piratenschiff. Wilde Wellen wogen auf der Leinwand und im gleichen Rhythmus bewegt sich das zerrissene Segel, das von der Decke hängt, sowie das Steuerrad. Dieses Bild ist dermaßen gut gelungen, dass das Publikum ein hohes Maß an Seetüchtigkeit aufweisen muss, um nicht seekrank zu werden.
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In anderen Szenen wiederum wirken die Projektionen gewollt, so zum Beispiel in der Schatzhöhle. Während die gesamte Bühne leer ist, werden funkelnde Edelsteine wie in einem Kaleidoskop an die Bühnenrückseite projiziert. Wenn ein Vulkanausbruch dann auch noch die Wut Edmonds symbolisiert, wirkt dies doch ein bisschen arg platt. An diesen Stellen wäre eine völlig schwarze und leere Bühne, die den Blick ganz direkt auf die Darsteller lenkt und den Rest der Phantasie des Publikums überlassen würde, bedeutend wirkungsvoller.
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Die Projektionen und die wenigen, aber häufig eingesetzten Requisiten auf der Bühne ermöglichen rasche Szenenwechsel und führen so zu einem guten organischem Erzählfluss durch die Handlung des immerhin über eintausend Seiten starken Romans. Eine Besonderheit dieser Inszenierung sind sicherlich die Szenen, die im berüchtigtem Gefängnis Château d'If spielen, da sie sich überwiegend halb unter der Bühne im Tunnel abspielen, den sich Edmond Dantès und Abbé Faria graben, um zu fliehen. Immer wieder öffnen sich hier Luken im Bühnenboden aus denen die beiden auftauchen und sich immer weiter in Richtung Freiheit graben. Die zeitgenössisch gestalteten Kostüme der reichen französischen Gesellschaft sind gut gelungen und ein schöner Kontrast zu den zerfetzten Kleidern der Gefängnisinsassen und der Piraten.
Auf der Bühne steht eine Mischung aus festen Mitgliedern des Staatstheaters Meiningen und Gästen aus dem Bereich Musical. In den Ensemblestücken der Show tummelt sich ein großes, gut choreografiertes Ensemble auf der Bühne. Lediglich bei "Tanz die Tarantella" wurde die Anzahl der Kurtisanen, die Edmond umwerben halbiert, was den Eindruck des unermesslichen Reichtums, über den er als Graf von Monte Christo verfügt, ziemlich schmälert.
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Die Widersacher Edmonds, an denen er sich im Laufe der Geschichte als Graf von Monte Christo rächen wird, werden mit Johannes Moser als doppelgesichtiger Staatsanwalt Gérard de Villefort und Stan Meus als schmieriger Baron Danglars stimmig besetzt. Shin Taniguchi mit seiner klassischen Opernstimme ist ein ungewohnt herrischer und harter Fernand Mondego als Dritter im Bunde, der Edmond ins Gefängnis bringen möchte, um sich an seine Verlobte Mercedes ranzumachen. Einen wirklichen Showstopper legt Monika Reinhard in der Rolle der Valentine, der Verlobten von Edmonds Sohn Albert, mit ihrem Song "Schöner Schein" hin.
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Anna Preckeler als Mercédès und Marc Clear in der Titelrolle harmonieren sowohl stimmlich als auch schauspielerisch gut miteinander. Bei Marc Clear scheinen sich aber nach den vielen Jahren, in denen er immer wieder in diese Rolle schlüpft, langsam Ermüdungserscheinungen breit zu machen. Seine Wut und sein Kämpfen für die Wiedergutmachung des Unrechts, das ihm durch seine Widersacher zuteilwurde, ist zwar nach wie vor spürbar, allerdings wirkt es kraftloser. Vor allem die Fechtszenen, die Marc Clear auch selbst inszeniert hat, sind im Tempo deutlich reduziert. Als Abbé Faria, der Edmond im Gefängnis alles lehrt, was er später als Graf von Monte Christo zum Einsatz bringt und ihm vor allem verrät, wo der Schatz versteckt ist, der es Edmond überhaupt ermöglicht ein Leben in Reichtum zu führen und sich an seinen Feinden zu rächen, wird von Cusch Jung gespielt. Er lebt seine Rolle und macht sie sich völlig zu Eigen. Er schafft es, die witzigen und schrulligen Aspekte seines Charakters ebenso glaubhaft darzustellen wie die große Lebenserfahrung und Weisheit, die er vor vielen Jahren in seinem Studium zum Priester erworben hat.
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Mit "Der Graf von Monte Christo" zeigt das Staatstheater Meiningen eine zwar solide umgesetzte, aber irgendwie auch leicht angestaubte Fassung des Musicals von Frank Wildhorn. Das Staatstheater Meinigen gilt seit Ende des 19. Jahrhunderts als Wiege des modernen Regietheaters. Vielleicht hätte man sich bei der Meininger Inszenierung auf seine Wurzeln besinnen sollen und die Geschichte über einen Mann, dessen ganzes Streben der Wiederherstellung von Gerechtigkeit gilt, neu und moderner denken sollen.
(Text: Frank Guevara Pérez)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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Karten können über den jeweiligen Veranstaltungsort bezogen werden (siehe Liste rechts) |
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| Handlung | Durch eine Intrige landet Edmond Dantès im Gefängnis in Châuteau d‘If. mehr Zwölf Jahre wird er dort zubringen, schließlich kann er, unterstützt von seinem Mentor Abbé Faria, fliehen. Dieser stirbt jedoch beim Unterfangen, kann Edmond Dantès aber einen Hinweis zu einem versteckten Schatz auf der Insel Monte Christo weitergeben.
Dantès findet diesen mit der Unterstützung seines neuen Begleiters Jacopo und wird reich. Er legt sich eine neue Identität zu und nennt sich "Der Graf von Monte Christo", um geschickter seinen Rachelfeldzug gegen seine Widersacher führen zu können.
| Weitere Infos | Zur Originalbesetzung gehörten unter anderem Thomas Borchert als Edmond Dantès / Monte Christo, Carsten Lepper als Fernand Mondego, Christoph Goetten als Gérard von Villefort, Karim Khawatmi als Baron Danglars und Dean Welterlen als Abbé Faria.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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