Was die Hamburg School of Entertainment mit den Aida-Clubschiffen verbindet und warum weniger Tanz manchmal mehr ist – ein Unterrichtsbesuch.
„Natürlich muss keiner aufs Schiff“, sagt Sandra Polli Holstein, Managerin der Hamburg School of Entertainment. Trotzdem sei die Anbindung an die Entertainmentsparte des Aida-Kreuzfahrtkonzerns ein Vorteil für die Schüler der noch jungen Hamburger Ausbildungsstätte. So proben die Showensembles für die Clubschiffe ebenfalls in dem eindrucksvollen Backsteinbau im Herzen St. Paulis. „Vom direkten Kontakt mit den Profis können unsere Schüler viel lernen“, erläutert Polli Holstein. „Sie sehen immer direkt, wie in diesem Bereich gearbeitet wird und haben die Möglichkeit des Austausches.“ Auch zu den Theatern der „Schmidt“-Gruppe ist der Kontakt eng: In der neuen Produktion „Villa Sonnenschein“ steht eine der fortgeschrittenen Schülerinnen mit auf der Bühne.
Doch die Hamburg School of Entertainment ist noch jung. Erst 2006 werden die ersten vier Absolventen fertig. „Wir schicken sie im letzten Ausbildungsjahr schon zu den Auditions für die Schiffe“, erläutert die Schulleiterin. „Die Schüler, die dann dort landen, haben die Möglichkeit, mit dem musikalischen Leiter an Bord während der Reise weiterzuarbeiten und für einen erweiterten Abschluss mit Bühnenreife ein eigenes Soloprogramm auf die Beine zu stellen.“ Doch auch andere Auditions stehen den Absolventen in ihrem letzten Jahr offen.
„Wir haben aber schon ein Auge darauf, wo sie sich bewerben“, erklärt Polli Holstein. „Ganz wichtig ist, dass die Schüler einen Blick dafür bekommen, für welche Rolle sie geeignet sind, was sie sich zutrauen können.“ Wichtig ist der Schule eine breite Basis der Ausbildung. So stehen neben Gesang, Tanz und Schauspiel auch Anatomie, Musikgeschichte und im letzten Ausbildungsjahr Vertragsrecht und Fragen der sozialen Absicherung von Künstlern auf dem Stundenplan. Neben den Prüfungen gibt es häufig Präsentationen im Haus und vor Gästen, die den aktuellen Leistungsstand widerspiegeln und auch Bühnenerfahrung vermitteln sollen.
Mit 32 Schülerinnen und Schülern in drei Jahrgängen ist die Schule recht klein. Diesen familiären Umgang schätzen aber auch die Schüler. „Als ich hier ankam, um nach einer Wohnung zu suchen, war grad eine Klasse hier auf dem Hof beim gemeinsamen Grillen“, erzählt Erstsemester Ilka Groenewold begeistert. „Hier wird nicht nur technisch gearbeitet“, versichern Groenewold und Stefan Rozyczka aus dem vierten Semester einhellig. „Die Ausbildung hier ist sehr darauf ausgerichtet, an der Persönlichkeit und am eigenen Arbeitsverhalten zu feilen.“ Der Unterricht erfolgt in Gesang, Tanz und Schauspiel – jahrgangsübergreifend in jeweils drei nach der Leistungsfähigkeit zusammengestellten Gruppen.
So sind auch Ilka Groenewold und Stefan Rozyczka zusammen in einem Kurs gelandet. „Jazz-Level 2“ in der großen Halle der für die HSE umgebauten „Volksschule für Knaben und Mädchen“ steht auf dem Programm. „Ich weiß noch nicht, wohin ich gehöre“, sagt Groenewold auf die Frage nach ihrem Schwerpunkt. Rozyczka dagegen hat sich schon festgelegt: „Ganz klar Gesang!“
Das lässt Tanztrainerin Silvia Diletto in der ersten Jazz-Stunde nach den Ferien nicht gelten. „Wenn ihr zu mir kommt, seid ihr Tänzer“, stellt sie klar. „Was ihr auch immer sonst tut, Tanz ist Kunst. Und Kunst verlangt das Beste, was ihr leisten könnt.“
Die Ferienaufgabe bestand darin, eine jeweils eigene Choreographie zu entwickeln, die jeder der acht Schülerinnen und Schüler nun unter den strengen Augen der Kollegen und von Tanzlehrerin Diletto – selbst schon als „Tanz-Sarah“ im „Tanz der Vampire“ auf der Bühne – vorstellen soll.
Videoclipdancing- und Hip-hop-Spezialistin Groenewold hat sich für einen Song aus dem Tanzfilm „Honey“ entschieden. Noch völlig aus der Puste stellt sie sich nach ihrer Vorführung der Kritik. „Das sah unheimlich leicht aus“, kommentiert eine Mitschülerin, „als ob du das schon immer gemacht hättest und ganz viel Routine in der Choreographie steckt.“ Dozentin Diletto hingegen ist noch nicht ganz zufrieden: „Ich will hier das Beste sehen, was du geben kannst. Diese Ballettfiguren, die du eingebaut hast, waren nicht so flüssig und ein Bruch in der Choreographie. Ich will nicht sehen, dass du hier technisch aufgepasst hast und Dinge beherrschst. Ich will ein Gesamtkunstwerk sehen, das stimmig ist und mühelos wirkt und deine Stärken betont. Als Hausaufgabe bitte die Choreographie in diesem Sinne überarbeiten. Ich möchte aber, dass du dann mit der neuen Version auf jeden Fall in der nächsten Präsentation dabei bist und es allen vorstellst!“ Sichtlich erleichtert kann sich Ilka Groenewold nun in die Rolle der kritischen Beobachterin zurückziehen.
Für die höheren Semester war die Aufgabe, Tanz und Gesang in ihrer Präsentation zu kombinieren. Stefan Rozyczka hat sich für „Under the sea“ aus dem Disney-Film „Arielle“ entschieden und kündigt an, die Einleitung improvisieren zu müssen. Die Musik setzt ein, nach wenigen Takten bricht er ab. „Sich lieber vor Beginn noch einmal sammeln, konzentrieren, das ganze einmal durchgehen! Außerdem sich niemals schon vor Beginn entschuldigen“, kommentiert Lehrerin Diletto.
Im zweiten Anlauf gelingt ihm der Einstieg in die komödiantische Vorführung, die von seinen Mitstudenten einhellig als urkomisch und gelungen bewertet wird. Dennoch hat die Dozentin noch Verbesserungstipps: „Ganz wichtig: Nicht zu kompliziert denken! Wenn ihr singt, dann muss der Tanz darauf abgestimmt sein. Nicht so schwierig, dass euch die Stimme weggeht. Lieber etwas weglassen und dafür beide Partien in Einklang bringen.“
Zum Abschluss der Stunde appelliert Diletto an die Leidenschaft ihrer Schüler: „Ihr müsst brennen, für das was ihr tut. Ihr müsst den Unterricht hier als eine Chance begreifen, an euch zu arbeiten und stetig besser zu werden. Das heißt Konzentration auf das, was ihr tut und wie ihr es tut. Arbeitet an eurem Spirit, mit dem ihr Tag für Tag an diese Ausbildung herangeht.“