Die Messlatte liegt hoch

Radulf Beuleke, Intendant der Freilichtspiele Tecklenburg, über den Wechsel von der Operette zum Musical, Subventionen, Aufführungsrechte und das Schreiben von Musicals.

Seit 1977 engagiert sich Radulf Beuleke ehrenamtlich bei den Freilichtspielen Tecklenburg, wo er später auch Chorsprecher und Vorstandsmitglied wurde. Seit 1992 leitet er als Intendant und Vorstandsvorsitzender das größte Freilichtmusiktheater Deutschlands, das inzwischen Zuschauer aus allen Teilen der Bundesrepublik und aus dem Ausland anzieht. Für sein ehrenamtliches Engagement im Kulturbereich wurde Beuleke im November 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Sie gehören seit 1977 den Freilichtspielen Tecklenburg an und sind seit 1992 Intendant. Ist nach so vielen Jahren nicht irgendwann die Luft raus?
Zwischendurch wird man schon mal müde. Aber wenn ich tolle Produktionen am Start habe, wie in den letzten Jahren, dann bin ich hellwach, sehr enthusiastisch und aktiv. Es macht mir immer noch Spaß.

Die Freilichtspiele Tecklenburg haben früher vor allem auf Sprechtheater und Operette gesetzt. Inzwischen ist Tecklenburg für seine Musicalproduktionen in ganz Deutschland und bis über die Grenzen hinaus bekannt. War es also der richtige Schritt, aufs Musical zu setzen?
Richtig. Es war ein Schritt, der 1996 von sehr viel Kritik begleitet wurde. Bis dahin war das Musical nur ab und zu in Tecklenburg zu sehen, und auch nur das klassische Musical. Ich will nicht sagen, dass wir einem Trend gefolgt sind. Aber es war damals schon erkennbar, dass das Interesse des Publikums für Musicals vorhanden ist – und darauf muss ich als Intendant natürlich achten.

Sie bekommen kaum Subventionen, liegen bei den Ticketpreisen aber deutlich unter denen der kommerziellen Ensuiteproduktionen. Wie rechnet sich das?
Die Freilichtspiele finanzieren sich zu 98 Prozent aus dem Ticketverkauf, nur zwei Prozent sind Subventionen. Wir können diese publikumsfreundlichen Eintrittspreise deshalb anbieten, weil wir eine starke ehrenamtliche Vereinsbasis haben. Wir können auf diese Weise wesentlich günstiger produzieren, als das in den großen Musicaltheatern möglich ist. Wir wollen nicht günstig sein im Niveau der Freilichtspiele, da wir die Messlatte recht hoch angelegt haben, was Qualität angeht. Aber durch die vielen ehrenamtlichen Helfer können wir eben recht günstige Tickets anbieten.

Welche für die Freilichtspiele interessanten Aufführungsrechte sind eigentlich momentan auf dem Markt und welche Chancen haben die Freilichtspiele bei der Rechtevergabe gegenüber den Ensuite-Veranstaltern?
Das ist ein ganz schwieriges Feld. Wir sind in diesem Jahr froh und dankbar, dass wir mit Stage Entertainment diese Möglichkeit herstellen konnten, an die Rechte für „3 Musketiere“ zu kommen. Wir werden auch sicherlich weiterhin mit der Stage Entertainment sprechen, was sie noch in ihrem Portfolio haben und möglicherweise vergeben können. Ansonsten müssen wir uns eben auf dem Markt der Rechte orientieren und müssen schauen, welche Rechte verfügbar sind. Ein Großteil ist das, was schon seit Jahren an den Theatern läuft. Daran sind wir allerdings nicht unbedingt interessiert. In den Jahren, in denen ich hier als Intendant tätig bin, habe ich alle wichtigen Musicals einmal gespielt, manche auch zweimal. Als Intendant muss ich natürlich sehr stark auf mein Publikum achten. Ich muss wissen, was das Publikum sehen möchte, und mich dann um die Aufführungsrechte bemühen. Manchmal sind es auch Stücke, die in Vergessenheit geraten sind, aber in Tecklenburg neu entdeckt werden, wie wir das zum Beispiel schon mit „Miami Nights“ und „Footloose“ hatten.

Gibt es Stücke, die sie unbedingt einmal in Tecklenburg auf die Bühne bringen wollen?
Na klar. Seit Jahren kämpfen wir schon um „Elisabeth“, das ich mir hier sehr gut vorstellen kann, und was wir auch umsetzen können. Wir könnten in unsere Bühnenruine auch eine Müllhalde für „Cats“ bauen. Ich könnte mir aber auch „Rebecca“ oder die neueren Stücke von Frank Wildhorn wie „Dracula“ und „Der Graf von Monte Christo“ gut vorstellen.

Bisher spielen Sie jedes Jahr neue Produktionen. Wollen Sie dabei bleiben, oder sind auch Wiederaufnahmen denkbar?
Wir haben schon vieles gespielt, vieles möchten wir nicht spielen. Da werden wir irgendwann an die Grenze stoßen, das ist klar. Wir haben beispielsweise 1999 „La cage aux folles“ gespielt. Seitdem sind schon wieder elf Jahre ins Land gezogen. Also könnte das durchaus irgendwann mal wieder anstehen. Im nächsten Jahr ist es auch schon zehn Jahre her, dass wir hier „Jesus Christ Superstar“ gespielt haben. Es ist somit immer möglich, dass wir Stücke, die wir hier bereits gespielt haben, noch mal zeigen. Aber wir schauen natürlich immer, dass wir auch weiterhin etwas Neues machen können und an neue Stoffe herankommen.

Wäre es da eigentlich eine Option, ein Musical eigens für die Tecklenburger Bühne schreiben zu lassen?
Das ist uns schon oft angetragen worden. Es hat auch Überlegungen gegeben, die sich aber allesamt zerschlagen haben. Die Produktionskosten – oder besser Vorproduktionskosten – für eine Uraufführung sind sehr, sehr hoch. Man muss vorher schon eine ganze Menge investieren. Da habe ich große Bedenken, diese Leistung vollziehen zu können. Man muss einen Komponisten und einen Librettisten haben, die alle bezahlt werden müssen. Zudem braucht es heutzutage ausführliche Workshops, um ein neues Stück erst mal zu testen. Das ist ein Prozess, der sich nicht innerhalb von zwölf Monaten abspielt. Dazu braucht es Jahre, und die Zeit haben wir nicht. Und ob wir solch ein neues Stück mit Tantiemen für 20 Vorstellungen wirklich gestemmt kriegen, bezweifle ich auch.

Nach den Großproduktionen in Berlin und Stuttgart ist es Ihnen gelungen, „3 Musketiere“ erstmals auf eine deutsche Freilichtbühne zu holen. War es schwierig, die Rechte zu bekommen? Wie waren die Verhandlungen mit der Stage Entertainment?
Ich bin der Stage Entertainment unendlich dankbar dafür, wie relativ schnell und gut alles abgewickelt wurde. Die waren so kooperativ, dass ich das wirklich nur lobend erwähnen kann. Bei den Rechten älterer Musicals habe ich mit anderen Musikverlagen des Öfteren Schwierigkeiten gehabt, aber mit der Stage Entertainment hat das richtig Spaß gemacht.

Mit Marc Clear haben Sie einen relativ bekannten Musicaldarsteller nicht nur für eine Rolle in „3 Musketiere“, sondern gleichzeitig auch als Regisseur verpflichtet. Warum wollten Sie Clear als Regisseur haben?
Nicht nur, weil Marc Clear ein Freund von mir ist, sondern weil er mir im August 2009 ein Regiekonzept für „3 Musketiere“ präsentiert hat, als hier schon die Idee für das Stück im Raum war. Durch sein langjähriges Engagement bei „3 Musketiere“ in Berlin und Stuttgart kennt er das Stück natürlich in- und auswendig und konnte mir deshalb zum damaligen Zeitpunkt bereits ein Konzept vorlegen, das so schlüssig war, dass ich seinen Vorschlag angenommen und ihm den Regieauftrag gegeben habe. Marc und ich haben seitdem sehr intensiv in allen Bereichen zusammengearbeitet: Besetzung, Konzeption, Kostüme, Bühnenbild. Das hatte eine solche Intensität, wie ich sie nicht jedes Jahr hier erlebt habe.

Seit vielen Jahren schreiben sie Buch und Songtexte für die Tecklenburger Kindermusicals. Wie lange benötigen Sie für die Entwicklung solch eines Stücks?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich schreibe die Kindermusicals seit 1989 und habe manchmal Mühe und manchmal nicht. Wenn es nicht so gut läuft, brauche ich ungefähr zwei Monate. In diesem Jahr ist es „Michel aus Lönneberga“, das ich schon seit Jahren vor mich hingeschoben habe, weil ich mit der episodenhaften Story nicht zurechtkam. Doch als ich erst mal den Anfang hatte, war das ganze Stück in zweieinhalb Wochen fertig. Dass man da hinterher noch dran arbeiten muss, ist klar. Das ist ja schließlich ein Prozess mit dem Komponisten und meiner Regisseurin. Aber meistens muss ich vor Weihnachten mit dem Schreiben fertig sein, weil ich die Zeit dann einfach für etwas anderes brauche.

Die Musik zu den Kindermusicals steuert Klaus Hillebrecht bei, der seinen Wohnsitz auf Mallorca hat. Wie klappt die Zusammenarbeit angesichts der doch recht großen Distanz?
Das ist ganz einfach: Erst bekommt Klaus meine Texte per E-Mail, und anschließend telefonieren wir eine Stunde. Den Rest machen wir schriftlich per E-Mail. Wir ticken auch ungefähr gleich und haben Erfahrung miteinander, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert. Wir wissen, was wir wollen. Ich gebe ihm Rollenprofile und das gesamte Buch, und dann erarbeiten wir das per Telefon und E-Mail. Dieses Jahr hatten wir dabei eine neue Situation. Normalerweise ist es so, dass Klaus nach meinen vorgegebenen Texten die Musik komponiert. Dieses Jahr war es allerdings umgekehrt. Er hatte so eine starke Musik dabei, die mich so gereizt hat, dass ich einen Text zu seiner Musik geschrieben habe.

Die Freilichtspiele mussten in den Lärmschutz investieren, da sich Anwohner beschwerten. Gibt es besondere Auflagen, die die Freilichtspiele erfüllen müssen? Wie ist das aktuelle Verhältnis zu den Anwohnern?
Wir haben uns inzwischen sehr positiv mit der Nachbarschaft arrangiert und so genannte Lärmschutzsegel eingezogen. Wir haben sicher auch ein paar Fehler zu verantworten, aber wir haben schon im letzten Jahr keine Probleme mehr gehabt, und ich gehe davon aus, dass das auch in diesem Jahr so bleibt. Bei Rockmusicals ist es natürlich etwas grenzwertig, Bass und E-Gitarre knallen natürlich schon ziemlich. Aber aktuell sind wir mit „3 Musketiere“ und „West Side Story“ ja recht gemäßigt, was die Musik betrifft. Ansonsten gibt es auch eine Grenze: Unsere Vorstellungen müssen spätestens um 23 Uhr beendet sein. Aber das ist kein Problem, denn nach 23 Uhr können auch die Zuschauer vielleicht nicht mehr ganz so gut sitzen, und die Konzentration nimmt langsam ab. Deshalb versuchen wir, unsere Produktionen so zu komprimieren, dass wir innerhalb des Zeitlimits bleiben. Ich muss auch sagen, dass ein Stück nicht gut ist, wenn es länger als dreieinhalb Stunden geht. Da benötigt es Kürzungen, weil man die Aufmerksamkeit des Publikums einfach nicht mehr hat. Und wir sind ja ohnehin nicht die Bayreuther Festspiele, wo man fünfstündige Opern von Wagner spielt.

Welche Pläne haben Sie für die Freilichtspiele Tecklenburg?
Konkrete Pläne kann ich nicht machen. Oder ich kann sie machen, kann aber nicht darüber sprechen. Mir ist es aber ein großes Anliegen, die Freilichtspiele auch weiterhin auf hohem Niveau zu halten. Wir dürfen nicht absacken, sondern müssen weiterhin in der Lage sein, sehr gute Künstler nach Tecklenburg zu holen, um mit denen gemeinsam in Harmonie zu arbeiten. Ich bin harmoniesüchtig und suche mir auch mein Ensemble so aus, dass ich erkenne, dass man mit ihnen in Harmonie zusammenarbeiten kann. Ich habe hier einen Kreis von vielen tollen Mitarbeitern und einen sensationellen Chor, der überaus einsatzfähig ist und mit großem Enthusiasmus an die Arbeit geht. Und mit diesem Team möchte ich auch weiterhin auf gleichbleibend hohem Niveau weiterarbeiten – für unser Publikum.

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