Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.
Diese Woche feiert „7 ½ Cent – The Pajama Game“ bei den Schlossfestspielen Ettlingen Premiere. Da schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe und nutze die Fernsehsessel-Kolumne, um mich auf meinen Besuch dort vorzubereiten.
Die Arbeitnehmervertretung eines Pyjama-Herstellers kämpft um eine Lohnerhöhung von 7 ½ Cent pro Stunde. Das entspricht in den 1950er Jahren laut Internet Movie Database einer Lohnsteigerung von 6%. In diese aufgeheizte Stimmung kommt der neue Arbeitsdirektor Sid Sorokin und verguckt sich ausgerechnet in Babe Williams, eine der aktivsten Gewerkschaftsstreiterinnen. Die beiden befinden sich nun in einer Zwickmühle zwischen privaten Gefühlen und beruflichem Zwist.
Warner Brothers erwarb die Filmrechte von „The Pajama Game“ und „Damn Yankees“, zwei Broadway-Erfolgen von Richard Adler und Jerry Ross. Der Plan war, beide Stücke von deren Buchautor und Regisseur der Bühnenproduktion George Abbott in Zusammenarbeit mit Stanley Donen („Singin‘ in the Rain“) und dem gesamten Ensemble zu verfilmen. Ausnahmen sollte es nur bei den Hauptrollen geben, von denen eine mit einem veritablen Filmstar besetzt werden musste. Frank Sinatra lehnte die Rolle des Sid Sorokin ab, deswegen konnte John Raitt aus dem Bühnenensemble mit dabei sein. Das bedeutete aber, dass Janis Paige für Doris Day als Babe Williams das Feld räumen musste. Am Ende waren dann drei weitere Nebendarsteller nicht mit von der Partie.
Für Raitt sollte es die einzige große Filmrolle seiner Karriere bleiben. Das lag an seinem quälend steifen und hölzernen Schauspiel, das auf der Bühne, wo er weiterhin sehr erfolgreich war, wohl nicht so auffiel wie im Film. Stimmlich ist aber nichts gegen seinen einschmeichelnden, hellen Bariton einzuwenden. Vielleicht fühlte er sich als Sänger auch wohler als als Schauspieler. In den Duetten stimmt nämlich die Chemie zwischen ihm und Day, besonders bei „There Once Was a Man“.
Doris Day war bei diesem Film noch nicht auf ihren „Bettgeflüster“-Charakter festgelegt. Zwar ist sie auch hier die patente Frau, die ihren Beruf und die Führung des Haushalts ihres Vaters unter einen Hut bringt, aber sie spielt frisch, locker, kokett und tanzt auch hervorragend.
Wie am Broadway stammen die Choreografien für den Film von Bob Fosse. Und die machen diese Verfilmung auch wirklich sehenswert. Bei dem flotten Huteinsatz in „Steam Heat“ wirft „Cabaret“ ganz klar seine Schatten voraus.
Für mich geht die Teilung der Regie zwischen einem theater- und einem filmerfahrenen Regisseur nicht wirklich auf. Es gibt einen schönen Einstieg mit Bewegungen und Gesten auf Einwürfe in der Musik, aber zu viele Szenen sind unkreativ abgefilmtes Theater. Doch dann kommt plötzlich „Hernando‘s Hideaway“, was optisch völlig aus dem Rahmen fällt: gedreht in einem stockdunklen Raum mit Streichholzbeleuchtung und schrägen Kameraeinstellungen. Das ist ganz großartig, passt aber nicht zu dem braven Rest des Films.
Ein Punkt, der mir an der Geschichte generell nicht gefallen hat, ist der Umgang mit der Figur des Vernon „Hinesie“ Hines. Er ist mit der Sekretärin Gladys Hotchkiss zusammen und sehr eifersüchtig. Beim Betriebspicknick ist er bei seiner Messerwurf-Vorführung sturzbetrunken, was anfangs für allgemeine Heiterkeit sorgt und sogar Babe lässt sich von ihm bewerfen, um Sid ihren Mut zu beweisen. Später setzt Hines dann die Messer ein, als er blind vor Eifersucht Gladys durch die Firma jagt. Hinesie und Gladys werden von Eddie Foy jr. und Carol Haney dargestellt, die tapfer alles auf Pointe spielen. Das macht diese Situationen noch fragwürdiger.
Obwohl mit „Hey There“ und – noch bekannter – „Hernando‘s Hideaway“ zwei Welthits aus diesem Werk stammen, wurde es in Deutschland bislang kaum gespielt. Auch die Filmversion, die hierzulande „Picknick im Pyjama“ heißt und bei ihrer Premiere 1957 immerhin bei der US-Presse als besser als die Bühnenproduktion galt, führt ein Schattendasein. Dabei lohnt es sich, Doris Day mal in einer etwas anderen Rollen als „Ich heiße Beverly Boyer und bin ein Schwein“ zu sehen.
Knallbunt, gut gesungen, hervorragend getanzt und mit knackigen Songs hat mir „The Pajama Game“ trotz der mauen Regie und des steif agierenden Hauptdarstellers einen kurzweiligen Filmabend beschert – inklusive „Hernando‘s Hideaway“-Ohrwurm, den ich hoffentlich bald loswerde.
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