Joel Schumachers Filmadaption des Musicalklassikers von Andrew Lloyd Webber mit Gerard Butler in der Titelrolle.
Andrew Lloyd Webbers Idee, sein „Phantom der Oper“ auf die Kinoleinwand zu bringen, ist fast so alt wie das Musical selbst. Über die Jahre ist das Projekt immer wieder verschoben worden. 2003 begannen schließlich die Dreharbeiten unter der Regie von Joel Schumacher („Batman“, „Nicht auflegen!“), und ab Dezember 2004 spukte der Engel der Muse auch in den deutschen Kinos.Joel Schumacher hat in seinem Film in weiten Teilen das dramaturgische Konzept des Musicals übernommen: Ausgehend von einer Versteigerung in der Pariser Oper im Jahr 1919 sehen wir in der Rückschau die Dreiecksgeschichte zwischen der jungen Sopranistin Christine Daé, ihrem Jugendfreund Raoul Vicomte de Chagny und dem mysteriösen Phantom, das in den Kellergewölben der Oper haust. Nur zwei Szenen des Musicals fehlen: Die Reprise von „Briefe“ (erscheint nur teilweise) und die Proben zu „Don Juan, der Sieger“. Viele andere Szenen sind hinzugekommen: So erfahren wir, wer das Phantom vom Pariser Jahrmarkt in die Oper geführt hat oder sehen, wie Raoul auf seiner Suche nach dem geheimen Versteck des Phantoms beinahe ertrinkt. Der Film enthält zudem erklärende Dialogpassagen, der Kronleuchter fällt an einer anderen Stelle – doch abgesehen von diesen kleinen Änderungen hält sich Schumacher sehr eng an die Bühnenversion.Und überzeugt dabei auf ganzer Linie: Die in den Londoner Pinewood Studios nachgebaute Oper mit ihrem prunkvollen Zuschauerraum und den dunklen Kellergrotten wirkt auf der großen Leinwand atemberaubend schön – zugegeben: manchmal auch schön kitschig. Ausstattung und Kostüme des Films lassen keine Wünsche offen: Immer wieder entstehen neue, mit vielen Details gespickte Bilder – ob auf dem Operndach, dem Friedhof oder der großen Foyer-Treppe des Opernhauses. Der „Maskenball“ oder die Bootsfahrt über den kerzenerleuchteten See waren im Musical immer schon Höhepunkte – im Film geraten sie durch einen gewaltigen Griff in die Hollywood-Trickkiste sogar noch eindrucksvoller. Die opulent orchestrierten und altbekannten Melodien Lloyd Webbers verleihen ihm epische Breite, führen die Zuschauer stimmungsvoll durch die Handlung. Schade nur, dass Lloyd Webber mit „Learn to be lonely“ („Dein Weg ist einsam“) einen nach Schema F neu-komponierten Song in den Abspann gepackt hat, der in dieser Version einfach nicht zum Rest der Partitur passt. Wenn die Gier nach dem Musik-Oscar größer ist als der Wille, den Film musikalisch abzurunden, ist das schon traurig. In Mittelpunkt des Films steht Christine, die von der bildhübschen Emmy Rossum interpretiert wird. Mit viel Ausstrahlung und Wärme kann sie für sich gewinnen – die Rolle der unschuldigen Christine scheint wie für sie geschrieben. Ihr zur Seite steht mit Patrick Wilson ein smarter Raoul, der sich für sie heldenhaft durch die Story fechtet, reitet und schwimmt. Gerard Butler ist am Anfang noch eher „Schmusephantom“, intensiviert sein Spiel jedoch bis zum Ende des Films. Er ist wesentlich jünger als die meisten Bühnenphantome, wirkt dadurch dynamischer und erotischer. Im großen Showdown in der Grotte des Phantoms gibt er eindrucksvoll den innerlich tief zerrissenen Liebhaber, der zwischen Trauer und Hass, Einsamkeit und Verzweifelung gefangen ist.
In den Nebenrollen stechen vor allem Minnie Driver („Ein perfekter Ehemann“) als herrlich exzentrische Carlotta und Miranda Richardson („The Hours“) als Madame Giry heraus.In den deutschen Kinos ist das „Phantom“ in einer synchronisierten Fassung zu sehen, in der bekannte Musicalkünstler den Akteuren auf der Leinwand ihre Stimme leihen. Eine aufwändige Maßnahme, die den Übergang zwischen Songs und Dialogen erleichtern und auch all jene Zuschauer ins Kino locken soll, die kein Englisch können und Untertitel als umständlich empfinden. Der Nachteil: Obwohl die deutschen Texte von Michael Kunze an einigen Stellen schon verändert worden sind, um sie den Lippenbewegungen der Schauspieler anzupassen (aus „Von nun an gibt es kein zurück“ wird beispielsweise „Nein, jetzt gibt es kein zurück“), rückt die Synchronisation vor allem in den Großaufnahmen immer wieder störend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Musical-Kenner werden sich ständig dabei ertappen, gedanklich in Richtung Originaltext oder synchronisierender Künstler abzuschweifen. Angesichts des fulminanten Leinwandgeschehens eigentlich schade.
Dem Phantom hat Uwe Kröger seine Stimme geliehen. Warum man ihn als Synchronstimme gewählt hat, ist fraglich, denn er hat weder Bühnenerfahrung als „Phantom“ noch ähnelt seine helle Stimme dem dunklen Timbre des Phantom-Darstellers Gerard Butler. Krögers Stimme unterstützt vor allem in den ruhigeren Momenten die wesentlich jüngere Wirkung des Phantoms („Die Musik der Dunkelheit“). In den dynamischeren Passagen, wie im Titelsong, wirkt seine Intonation jedoch unangenehm gepresst und überstrapaziert – als versuche er mit aller Macht einen voluminöseren Klang zu erreichen, als es seine Stimme hergibt.
Jana Werner verfügt über eine sehr weiche, klare Musical-Stimme, der jedoch der „klassische Touch“ fehlt, der Christine als Erstbesetzung einer Oper legitimieren würde (besonders deutlich wird dieses Manko bei der Schlusskadenz von „Denk an mich“). Carsten Axel Lepper stattet Raoul mit einer grundsoliden Stimme aus, die jedoch erst im großen Finale durch besondere Leidenschaft auf sich Aufmerksam macht. Erwähnt sei neben den drei „Hauptstimmen“ noch Jasna Ivir, die die Carlotta herrlich zickig singt und spricht.Fazit: Das Phantom der Oper ist eine gelungene Verfilmung des Bühnenklassikers, die sich auf tolle Darsteller und eine imposante Szenerie stützt. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Synchronisation der deutschen Version – es lohnt sich also ein Vergleich mit der englischen Originalfassung.