Im Februar 2014 zeigte die Kulturszene Kottingbrunn die österreichische Erstaufführung des Kammermusicals „Tomorrow Morning – Nur noch bis Morgen“ von dem Briten Laurence Mark Wythe in einer Übersetzung von Daniel Große Boymann. Als Resultat aus dem erfolgreichen Crowdfunding-Projekt ist nun auch eine Studioaufnahme des Stückes erhältlich.
Vier Personen – das macht zwei Paare – stehen in diesem Musical an einem großen Wendepunkt Ihres Lebens. John und Kat sind zwei junge, frisch Verliebte eine Nacht vor Ihrer Hochzeit. Ihnen gegenüber stehen Jack und Catherine als langjähriges Ehepaar eine Nacht vor ihrer Scheidung. Auch wenn die beiden Paare unterschiedlicher nicht sein könnten, haben sie unheimlich viel gemein. Denn John und Kat sind das Paar in den Erinnerungen von Jack und Catherine – nur eben zehn Jahre früher.
Die CD ist vor allem geprägt von gefühlvollen Balladen mit Klavierbegleitung, die die Beziehung der Figuren zueinander beleuchten. Immer wieder gibt es jedoch auch skurril-witzige Einlagen, die musikalisch manchmal schon jazzig anmuten.
Gerade bei einem Stück mit so wenig Rollen steht und fällt die Aufnahme jedoch natürlich mit der Besetzung – und diese passt hervorragend zu den vielschichtigen Charakteren und überzeugt gesanglich durchweg. Anja Haeseli gibt eine herrlich verträumt Kat mit weicher Stimme und voller Träume, besonders schön zu hören in der Nummer „Das Mädchen im Spiegel“. Oliver Arno als ihr Verlobter Jack überzeugt sowohl bei den leisen Tönen mit viel Gefühl als auch bei den flotten Nummern mit frechem Witz. In die Balladen besticht er mit authentisch anmutender Emotionalität , wie zum Beispiel bei „Jeden Tag“, das seine Liebe zu Kat wunderbar einfängt.
Auch ihre gealterten Versionen punkten durchweg. Kathleen Bauer gibt die energische Powerfrau Cat, die viel erlebt und durchgemacht hat in ihrem Leben – wie beispielsweise in „Selbstportrait“. Martin Pasching als ihrem Fast-Ex-Mann Jack kauft der Zuhörer jeden Zweifel ab, aber auch die Liebe zu Cat und dem gemeinsamen Sohn. Absolute Gänsehautnummer der CD ist wohl „Der kleine Mann“, in dem Jack und John besingen, wie es ist ein Kind zu haben. Das lässt niemanden kalt und ist enorm anrührend, ohne vor Kitsch zu triefen. Martin Pasching und Oliver Arnos Stimmen harmonieren in diesem ruhigen Moment ganz besonders.
Diese Harmonie erlebt der Zuhörer immer wieder auf der Aufnahme, das Zusammenspiel aller Figuren hört sich stets authentisch und rund an. Ein weiteres Highlight hierbei ist die flotte Ensemblenummer „Der lasterhafte Tango“, in dem alle vier Charaktere ihre geheimen Laster beichten. Auch das gemeinsame Finale der CD „Was schert uns morgen“ ist schwungvoll und schließt mit dem passenden Happy End.
Sehr gelungen ist die Übersetzung von Daniel Große Boymann. Seine deutsche Fassung hat keine störenden Ecken oder Kanten und verleiht dem Musical emotionalen Tiefgang, ohne sich in verkitschten Floskeln zu verlieren. Die Texte sind glaubhaft und lebendig.
Fast immer überzeugt die Abmischung der Aufnahme: Alle Texte sind deutlich zu verstehen, auch dann wenn alle Personen gleichzeitig singen. An einigen wenigen Stellen hätten die Gesangsspuren allerdings etwas lauter gedreht werden dürfen, da streckenweise Piano und Schlagzeug zu stark dominieren. Gut und absolut richtig ist außerdem die Entscheidung, keine Lieder auszulassen sondern eine Gesamtaufnahme zu präsentieren, denn so fügen sich die Geschichten der Charaktere schlüssig zusammen. Auch Hörern, die das Stück nicht kennen, wird damit die Chance gegeben, die Handlung zu verfolgen. Jedoch hätte hier ein ausführlicheres Booklet mit Songtexten noch eine schöne Ergänzung dargestellt.
„Tomorrow Morning – Nur noch bis Morgen“ ist ein gefühlvolles Musical mit einer schönen, schon poetischen Botschaft: Lebe im Hier und Jetzt. Genau diese Gefühle schafft auch die CD zu transportieren; sie nimmt den Zuhörer mit auf eine Reise voller Höhen und Tiefen, so wie Beziehungen nun eben einmal im echten Leben sind. Die längere Wartezeit auf die finale Aufnahme hat sich definitiv gelohnt, denn hierbei ist keine halbe Sache herausgekommen, sondern ein stimmiges Gesamtwerk – von Musik über die Übersetzung bis hin zur Besetzung.