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Mit Sylvester Levays und Michael Kunzes „Rebecca“ hat eine der erfolgreichsten Eigenproduktionen der Vereinigten Bühnen Wien nun den Sprung ans Londoner West End geschafft. Nicht in der bombastischen Inszenierung von Francesca Zambello, die unter anderem in Wien, Stuttgart und St. Gallen gezeigt wurde, sondern in einer kleinen, schon beinahe intim wirkenden Fassung, die extra für das Charing Cross Theatre erarbeitet wurde. Nicht nur die Inszenierung ist neu, sondern auch einige Songs und vor allem der Blick auf die Hauptfiguren. Gerade das macht den Charme der englischsprachigen Erstaufführung von „Rebecca“ aus und lässt das Stück gereifter und stimmiger erscheinen.
So erfolgreich die Vereinigten Bühnen Wien ihre Shows in alle Welt verkaufen, so sehr scheiterten se’I‘ bisher am Broadway. Se’I‘ es die komplette an die Wand gefahrene Inszenierung von „Tanz der Vampire“ oder das Desaster um die Broadway-Fassung von „Rebecca“, das beinahe schon so spannend war wie die Romanvorlage selbst. Nicht der Broadway, sondern das Londoner West End war nun der Ort für die englischsprachige „Rebecca“-Premiere.
Für das kleine Charing Cross Theatre, mit lediglich 265 Plätzen das kleinste West-End-Theater, überarbeitete Christopher Hampton das Buch und erstellte gemeinsam mit Original-Texter Michael Kunze auch die englische Übersetzung. Auch die Songs wurden nochmals deutlich überarbeitet, einige davon gestrichen und dafür neue Titel hinzugefügt. Die Überarbeitungen sind an den allermeisten Stellen sehr gut gelungen und arbeiten die Charaktere nun ihre Motive und Beweggründe viel stärker heraus. Durch den Tausch von Maxims Solo „Zauberhaft natürlich“ durch ein Duett zwischen Maxim und ‚I‘ („You Can Count on Me“) gelingt es, die Figur der ‚I‘ deutlich dreidimensionaler zu charakterisieren: Nach wie vor ist sie anfangs eher schüchtern, hat aber nun deutlich klarere Vorstellungen von ihrem Leben. Wenn sie die Wahrheit über den Tod Rebeccas erfährt, nimmt sie das Publikum mit dem (ursprünglich für die Broadway-Fassung geschriebenen) „Free Now“ nun mit in ihre Gedankenwelt und erklärt dabei ihre Wandlung vom scheuen Mädchen zur wirklich neuen „Mrs. de Winter“. Auch der Handlungsstrang rund um Maxims Schwester Beatrice wurde deutlich überarbeitet, was der Figur deutlich mehr Tiefe gibt. Sie steht ihrer neuen Schwägerin anfangs nun auch eher skeptisch gegenüber und ist der Meinung, sie und ihr Mann Giles müssten sie in das Leben des britischen Landadels einführen. Das fröhliche „Die lieben Verwandten“ wurde damit durch das eher strenge und einschüchternde „The Old Country Ways“ ersetzt. Dem Rotstift zum Opfer gefallen ist glücklicherweise ebenfalls das unsagbar schnulzige „Die Stärke einer liebenden Frau“. An seine Stelle ist nun das bisherige „Was ist nur los mit ihm?“ mit neuem Text und dem Titel „Your Love Will Make Him Strong“ gerückt. Lediglich beim Maskenball auf Manderlay werden wehmütige Erinnerungen an die Originalfassung wach. Die einzigen Gäste beim Ball sind Maxims Schwester Bee und ihr Mann Giles, Mrs. van Hopper verschwindet nach der Szene in Monte Carlo komplett aus der Show und dementsprechend ist auch ihre große Shownummer „I’m an American Woman“ gestrichen. Der Schockmoment, wenn ‚I‘ die Treppe im Kleid von Caroline de Winter hinunterkommt und Maxim für einen kurzen Moment in die Erinnerung zurückfällt, als Rebecca in diesem Kostüm den Ball auf Manderlay eröffnete, fällt dementsprechend auch weit weniger dramatisch aus.
Das Bühnenbild im Charing Cross Theatre ist deutlich weniger aufwendig gestaltet als die Original-Fassung, wobei es Bühnenbildnerin Nicky Shaw vor allem in den Szenen auf Manderlay gelingt, interessante Perspektiven zu schaffen. Das Anwesen ist in dieser Inszenierung ein karger, düsterer und unheimlicher Ort. Unterstützt wird dieser Eindruck auch vom morbiden Lichtdesign und von einigen schönen Inszenierungsideen. Wenn Mrs. Danvers im Schlafzimmer Rebeccas das Fenster öffnet, strömen Wogen von Theaternebel beinahe wie eine Manifestation Rebeccas in das Schlafzimmer. Man ist fast schon verwundert, dass wenn sich die Nebelschwaden lichten, nicht Rebecca selbst plötzlich im Raum steht. Die Kostüme sind der Mode Englands in den 1930er-Jahren nachempfunden und fügen sich gut in das Gesamtbild ein.
Die Londoner Produktion kann mit einer großartigen Besetzung bis in die Nebenrollen aufwarten: Sarah Harlington gibt ihrer Beatrice eine gewisse Strenge, aber doch auch Wärme, die der Figur sehr guttut. Alex James-Wards Jack Favell ist ein enorm unangenehmer Zeitgenosse, der, immer auf seinen Vorteil bedacht, Maxim ans Messer liefern will. James-Ward zeichnet seinen Favell weniger schleimig als aus bisherigen Inszenierungen gewohnt, dafür viel härter und brutaler.
In den Hauptrollen punktet „Rebecca“ im West End allerdings ganz besonders. Richard Carson schwankt als Maxim zwischen Liebe zu ‚I‘ und Wut und Verzweiflung. Innerhalb von Augenblicken wechselt seine Stimmung und macht das Leben von ‚I‘ auf Manderlay noch viel unberechenbarer . Die Partitur meistert er auch bei den schwierigen Songs wie „O My God“ („Gott, warum?“) und vor allem „I’ll Never Forget Her Smile“ („Kein Lächeln war je so kalt“). Auch Lauren Jones scheint die Rolle der ‚I‘ wie auf den Leib geschnitten. Ihr klarer, heller Sopran macht jeden ihrer Songs zu einem kleinen Highlight und ihr „Free now“ wird in ihrer energischen Interpretation zu einer wahrhaften Hymne der Befreiung.
Melanie Bright, die in der besuchten Vorstellung als alternierende Besetzung die Rolle der Mrs. Danvers übernahm, vermag es mit ihrer kraftvollen Stimme und ihrem großartigen Schauspiel, genau das richtige Maß an Unheimlichkeit und Besessenheit zu transportieren. Wenn sie bei „Invincible“ („Sie ergibt sich nicht“) Rebecca geradezu in den Olymp hebt, sie jeden warnt, der es auch nur wagt sich ihr in den Weg zu stellen, und dabei streng und verächtlich gleichzeitig ins Publikum blickt, richtet sich ein großer Teil der Zuschauer automatisch auf, als wären sie gerade von einer strengen Lehrerin ermahnt worden, Haltung anzunehmen. Wenn sie beim Titelsong ‚I‘ das Nachthemd Rebeccas umhängt und ihr zärtlich die Haare bürstet, nur um sie danach an die Balkonbrüstung zu führen und ihr nahezulegen, durch einen Sprung ihr Leben zu beenden, dann entsteht das Gefühl, sie hätte ein Opferlamm zurechtgemacht, um es zur Schlachtbank zu führen.
Das Orchester ist mit 18 Musikern erstaunlich groß sowohl für die kleine Produktion als auch für das kleine Theater. Die Arrangements sind größtenteils am Original orientiert. An einigen Stellen klingt die Musik im Charing Cross Theatre allerdings symphonischer und weniger Synthesizer-lastig als in Wien oder Stuttgart. Der Sound, den dieses Orchester produziert, lässt sich hören: Kraftvoll und treibend wird das Orchester von Robert Scott in einem Raum hinter dem Zuschauerraum dirigiert. Die Aussteuerung zwischen den einzelnen Instrumenten und den Stimmen ist in der besuchten Vorstellung sehr gut gelungen. Auch in den lauten Orchesterparts sind die Stimmen noch klar und deutlich verständlich.
„Rebecca“ im Charing Cross Theatre könnte als Blaupause für Produktionen an kleineren Theatern auch hierzulande dienen. Vor allem in der vorliegenden Überarbeitung beweist diese Produktion, dass es die großen Effekte wie eine brennende Treppe oder ein üppig ausgestattetes Manderlay nicht braucht, um diese spannende Geschichte mit der ohnehin völlig zeitlosen Musik Sylvester Levays zu erzählen.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Sylvester Levay |
Orignaltext / Buch | Michael Kunze |
englischsprachige Adaption | Christopher Hampton Michael Kunze |
Inszenierung | Alejandro Bonatto |
Choreographie | Ron Howell |
Musikalische Leitung | Robert Scott |
Bühnenbild | Nicky Shaw |
Lichtdesign | David Seldes |
Sounddesgn | Andy Johnson |
Projektionen | Matt Powell |
Kostüme | Jess Richardson-Smith |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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