[Drei Fragen an …] Musicaldarsteller Florian Claus ist seit über drei Jahren Darsteller in der Show „Avenue Q“ und spielt gerade aktuell in Mannheim die Rolle des Trekkie Monsters. Der Erfolg der Show brachte die Künstler auf die Idee, eine deutschsprachige Cast-CD einzuspielen und diese eigenständig zu produzieren. Hier im Interview erzählt er, wie die CD quasi in „Eigenregie“ entstand und gibt außerdem einen Einblick in die Arbeit eines Musicaldarstellers, der plötzlich lernen muss, verschiedene Alter Egos in Form von Handpuppen zu beherrschen.
Herr Claus, der Erfolg des Musicals „Avenue Q“ hat Sie und einige andere Cast-Mitglieder und Musiker dazu bewegt, eine eigene, deutschsprachige CD zur Show zu produzieren. Wie kam dieses Projekt zu Stande und wie wird es finanziert?
Es gab verschiedene Faktoren, die uns dazu bewogen haben, eine CD zu veröffentlichen. Zum einen natürlich die unglaublich tollen Zuschauerreaktionen in Mannheim und in St. Gallen. Es haben viele Zuschauer nachgefragt, wann denn endlich eine Cast-CD zu „Avenue Q“ in deutscher Sprache erscheint. Als Darsteller ist es natürlich auch etwas Tolles, eine eigene Cast-CD in den Händen zu halten. Daher gibt es diese Idee und den Wunsch dazu schon recht lange.
Leider ist dies natürlich nicht einfach. Das größte Problem war es, herauszufinden, wer die CD-Rechte dieser Produktion besitzt. Dann mussten diese Rechteinhaber überzeugt werden, uns die Rechte zu erteilen und dies natürlich zu Konditionen, die für uns finanzierbar sind. Allein dieser Prozess zog sich über mehrere Monate. Dann kommt die Finanzierung ins Spiel. Leider ist es heutzutage so, dass sich diese CD aus finanzieller Sicht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht rechnet. Somit konnten wir leider keine der an der Produktion beteiligten Firmen zu einer Kostenübernahme überreden. Also haben wir uns entschlossen, dies selbst in die Hand zu nehmen.
Unser Produzent Mathias Kiefer erzählte mir einmal, dass er ein Studio hätte und die Idee cool fände. Ich weiß nicht, ob er damals wusste, was er sich mit diesem Satz antut. Auf jeden Fall hat er das Projekt in die Hand genommen und in den letzten Monaten unglaublich viel Zeit und Energie investiert. Ohne Mathias wäre dieses Projekt wohl nie umgesetzt worden. Die letzten Tage, an denen er mischte, gingen bis 6 Uhr am Morgen. Nächtliche Skypekonferenzen zwischen ihm und mir zum Korrekturhören waren keine Seltenheit.
Um es überhaupt finanzierbar zu halten, haben unglaublich viele Leute uns mit tollen Sonderkonditionen geholfen. Dafür kann man den Beteiligten nicht genug danken.
Trotzdem bleiben natürlich Kosten, die getragen werden müssen. Das Pressen der CD, Gema-Gebühren, etc. Um das zu stemmen, hoffen wir natürlich auf einen guten Verkauf der CD.
Außerdem gibt es in unserem extra für die CD eingerichteten Onlineshop neben der CD ein paar Goodies zu kaufen. Wer hier zuschlägt, hilft uns also bei der Finanzierung und sei an dieser Stelle schon einmal dankend erwähnt. Reinschauen lohnt sich.
Gerade eine Show wie „Avenue Q“ lebt weniger von bombastisch produzierten Songs, sondern mehr vom Wortwitz und dem Geschehen auf der Bühne. Kann eine CD die Show ins heimische Kopfkino befördern?
Das ist eine sehr gute Frage und die Antwort ist definitiv: Ja.
Das Gute für diese CD ist, dass wir seit fast drei Jahren in exakt dieser Cast mit dieser Produktion auf der Bühne stehen. Wir hatten also sehr viel Zeit, die Rollen zu verinnerlichen und haben natürlich alle versucht, möglichst viel von der Bühne mit ins Studio zu nehmen. „Avenue Q“ ist ein Stück mit viel Text. Die Darsteller spielen teilweise mehrere Rollen mit komplett unterschiedlichen Stimmen. Das war im Studio ein sehr spannender Prozess. Wir haben versucht, viel Wert auf die Interpretation der Songs und Rollen zu legen. Als Darsteller muss man natürlich auch ein wenig die Eitelkeit des „schön Singens“ ablegen. Mit Sicherheit kann jeder von uns den Song aus reiner Sängersicht „schöner“ singen, aber das wäre doch nicht richtig. Das Stück lebt von seiner Spielfreude und den unterschiedlichen Charakteren. Und das ist auf der CD zu hören.
Außerdem ist ein großer Teil der Show auf der CD zu finden. Alle Nummern des Abends sind enthalten, teilweise auch mit Dialogen. Somit sollte keiner einen Song vermissen.
Ebenfalls ein Grund, warum wir diese CD gerne machen wollten, war, die Übersetzung des Stückes publik zu machen.
Dominik Flaschka (Dialoge) und Roman Riklin (Songs) haben über mehrere Jahre an der Übersetzung gearbeitet und es sogar vor Testpublikum ausprobiert. Herausgekommen ist meiner Meinung nach keine reine Übersetzung, sondern eine Übertragung, die den Wortwitz und den Humor des Stückes großartig in unsere Sprache gebracht hat. Man wünscht sich öfter bei Produktionen, dass man sich solche Mühe beim Übersetzen gibt.
Da viele aber immer noch nicht glauben, dass „Avenue Q“ auf Deutsch funktionieren kann, kann ich nur raten: Kauft euch die CD und lasst euch vom Gegenteil überzeugen.
Sie selbst spielen in der Show gleich vier Rollen und müssen zudem noch Puppen bedienen. Ist diese Art der Schauspielerei schwer zu koordinieren? Haben Sie spezielles Training im Puppenspiel erhalten?
Das Puppenspiel ist natürlich das entscheidende Element dieser Produktion. Das Tolle ist, dass man mit Puppen alles auf der Bühne machen kann und man es immer noch süß findet. Eine Puppe zeigt den Mittelfinger, zwei andere haben Sex, und doch bleibt das immer charmant und lustig.
Wenn ich mich an die ersten Probenwochen zurückerinnere, muss ich sagen, dass es alles andere als leicht war. Es gibt die verschiedensten Puppen zu bedienen. Jede spielt sich ein bisschen anders. Manche meiner Puppen werden sogar zu zweit gespielt. All dies, was am Ende auf der Bühne unglaublich Spaß macht, war am Anfang natürlich sehr schwierig.
Rick Lyon, welcher die Puppen gebaut und entworfen hat, sowie meine Rollen in der Uraufführung am Broadway spielte, kam zu uns und hat uns die Grundlagen beigebracht. Es war natürlich etwas Besonderes, diesen Menschen kennenzulernen. Er lebt quasi für seine Puppen und hat früher sogar für Jim Henson und die Muppets gearbeitet.
Wenn er eine Puppe in die Hand nimmt, erwacht sie zum Leben. Die Puppen sprechen in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Das erst einmal in die Hand zu bekommen, ist natürlich Training. Man verzweifelt, und wir waren alle an einem Punkt, an dem wir dachten: Das wird nichts mehr.
Dann kommt aber auf einmal ein Punkt in den Proben, an dem du mit deiner Puppe verschmilzt. Du fängst an, die Rolle zu spielen und deine Puppe macht einfach mit. Das war der Moment, an dem es von Arbeit und Training auf einmal ins Theaterspielen umschwenkte. Ein toller Moment.
Nun, nach mittlerweile fast drei Jahren, läuft das wie von selbst. Man setzt eine Puppe auf den Arm und sofort beginnt die Verbindung.
Trotzdem entdeckt man jedes mal wieder etwas Neues. Man schließt die Puppen auf jeden Fall sehr ins Herz und ich hoffe, diese Produktion noch lange spielen zu können, da ich sonst meinen Nicky und mein Trekkie Monster sehr vermissen würde.