Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.
Diesmal habe ich aus meiner Fred-Astaire-DVD-Box einen Film gezogen, den ich noch nicht kannte: „Finian‘s Rainbow“ („Der goldene Regenbogen“).
Der Ire Finian McLonergan (Astaire) wandert mit seiner Tochter Sharon (Petula Clark) in die USA aus. Im Gepäck hat er einen Topf Gold, den er dem Feenvolk gestohlen hat. Sein Ziel ist Rainbow Valley in der Nähe von Fort Knox. Er glaubt, das Gold würde sich vermehren, wenn er es dort vergräbt. Doch Finian hat einen Verfolger, den Kobold Og (Tommy Steele). Dieser muss den Topf, der auch noch drei Wünsche erfüllen kann, wieder in seinen Besitz bringen, sonst wird er in einen Menschen verwandelt. Das bedeutet aber auch, dass Og sich dann verlieben kann – was der Kobold im Lauf der Geschichte schließlich gar nicht so schlecht findet.
Rainbow Valley ist eine Multikulti-Kommune, die vom Tabakanbau lebt. Dort wohnen u.a. Woody (Don Francks), der inoffizielle Vorsteher der Gemeinde, der Sharon direkt schöne Augen macht, und seine Schwester Susan (Barbara Hancock). Susan ist stumm und kann sich nur über Tanz verständigen. Rainbow Valley ist dem rechtsextremen Senator Billboard Rawkins (Keenan Wynne) ein Dorn im Auge. Angeblich sei dort Gold zu finden. Deshalb will er die Bewohner enteignen. Sharon streitet sich mit Rawkins, der dabei rassistische Bemerkungen macht. Sharon wünscht, dass Rawkins selbst schwarz wird. Dummerweise steht sie genau an der Stelle, wo ihr Vater den Topf vergraben hat, und – zack! – Wunsch Nr. 1 ist ausgesprochen: Rawkins wird schwarz und Sharon wegen Hexerei angeklagt.
Über „Finian’s Rainbow“ an sich gibt es so viel zu sagen, dass ich erst mal etwas ausholen muss:
Die ursprüngliche Bühnenversion war bei ihrer Premiere 1947 ein großer Erfolg, brachte es auf 725 Aufführungen und bekam drei Tony Awards für Musical-Hauptdarsteller, Choreografie und musikalische Leitung. Burton Lanes zwischen irischer Folklore und dem zeitgenössen Musikgeschmack angesiedelte Songs wurden Hits. „Look to the Rainbow“, „Old Devil Moon“ und „How Are Things in Glocca Morra?“ schlugen so ein, dass alle Show- und Jazzgrößen dieser Zeit sie coverten. Das Buch von Fred Saidy und E.Y. Harburg prangerte – verpackt in märchenhafte Elemente und Musical-Zuckerguss – satirisch, aber unverblümt reaktionäre Politiker, die Ausbeutung der Arbeiterklasse und Rassismus an. Hier gab es auch die erste Chorus Line auf einer Broadway-Bühne, die aus schwarzen und weißen Ensemblemitgliedern bestand.
Nach dieser überaus positiven Resonanz waren die Filmrechte sehr begehrt. 1954 sollte ein Animationsfilm entstehen, für den u.a. Frank Sinatra, Louis Armstrong und Ella Fitzgerald als Sprecher und Sänger gewonnen werden konnten. Doch der Regisseur John Hubley (ein Ex-Disney-Mitarbeiter, der nach Teilnahme an einem Animatoren-Streik entlassen wurde) stand auf der „Schwarzen Liste“ des „Komitees für unamerikanische Umtriebe“. Das Komitee durchforstete ab Ende der 1930er Jahre bis 1975 die US-Gesellschaft, vor allem die Kulturschaffenden – erst nach möglichen Nazi-, später nach Kommunismus-Sympathisanten. Als sich daraufhin die Geldgeber zurückzogen, platzte das Projekt.
Weil auch der Autor E.Y. Harburg bekennender Sozialist und damit ebenfalls Zielscheibe der Anti-Kommunisten-Kampagne war und die Handlung des Musicals eindeutig Stellung bezog, wagte sich niemand mehr an den Stoff.
Erst gut 20 Jahre nach der Uraufführung ging Warner Bros. an die konkrete Umsetzung – nun nicht mehr als Animation, sondern als Realfilm.
Als der Film dann 1968 in die Kinos kam, wirkte das, was 1947 scharfe Satire war, seltsam aus der Zeit gefallen. Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung war auf ihrem Höhepunkt und das Rassismus-Thema war in anderen Filmen zeitgemäßer und packender behandelt worden. Das in der Geschichte unumgängliche Blackfacing des Darstellers von Senator Rawkins mag 1968 noch nicht so einen Beigeschmack gehabt haben wie heute. Bei einem Broadway-Revival 2009 umging man das Problem, indem man die Rolle doppelt besetzte und in den entsprechenden Szenen den weißen gegen den schwarzen Darsteller austauschte.
Aber eine Szene, in der Howard, ein schwarzer Rainbow-Valley-Bewohner, als Diener beim Senator anfängt und Unterricht erhält, wie Schwarze sich bewegen und reden, das war auch 1968 schon nicht mehr lustig – selbst wenn man die gute Absicht dahinter erkennt.
Seltsam ist auch, dass die Kommune zwar aus verschiedenen Ethnien besteht, die Anführer aber fast schon selbstverständlich ausnahmslos weiß sind.
Mitte der 1960er Jahre setzten die großen Hollywood-Studios, noch berauscht von den Kassen- und Oscar-Erfolgen von „West Side Story“, „My Fair Lady“ und „The Sound of Music“, auf mit Pomp und Überlange verfilmte Broadway-Musicals. Kaum einer dieser Streifen wurde ein wirklicher Erfolg.
Auch „Finian’s Rainbow“ war kein Publikumsmagnet. Regie führte – erst zum dritten Mal überhaupt – Francis Ford Coppola, der später mit „Der Pate“ und „Apocalypse Now“ Filmgeschichte schreiben sollte. Ich glaube nicht, dass er mit viel Elan und Herzblut bei der Sache war, sondern er einfach die Chance ergriffen hat, eine Großproduktion für Warner Bros. zu realisieren. Herausgekommen ist ein optisch uneinheitlicher Film, dessen Studioaufnahmen (alle Szenen im Wald) mit den realen Außenaufnahmen so gar nicht harmonieren. Laut Coppola lag das daran, dass er die Kulissen der „Camelot“-Verfilmung benutzen musste.
Die Massen-Tanzszenen wirken ziemlich altbacken. Da nützte es auch nichts, dass Coppola den Choreo-Veteranen Hermes Pan, der für viele Astaire-Tänze aus den 1930er Jahren verantwortlich war, während der Dreharbeiten durch den jüngeren Claude Thompson ersetzte. Er soll auch selbst in die Choreografien eingegriffen und seinem Ensemble gesagt haben: „Bewegt euch einfach zur Musik“.
Ein Hauch „New Hollywood“ weht durch ein paar wacklig mit der Hand gedrehte Kamerafahrten, ansonsten ist der Film brav bebildert.
Eine Schwäche des Films ist auch seine Besetzung.
Don Francks tritt als Wortführer Woody, dem unübersehbaren Toupet zum Trotz, mit breitbeinigem Macho-Selbstbewusstsein statt Charme auf. Da darf er noch so schmusig singen; mir war er furchtbar unsympathisch.
Ebenfalls nichts abgewinnen konnte ich Tommy Steele als Og. Für einen Kobold war er mir zu schlaksig und seine Darstellung zu zappelig und grimassig. Steele war aber damals nach Chart-Hits und dem Erfolg von „Half a Sixpence“ (im West End, am Broadway und in der Verfilmung) eine große Nummer und das Studio bestand auf ihn.
Die Rolle der stummen Susan finde ich schon an sich schwierig. Sie ist ein bisschen ein Feenwesen, genießt in der Gemeinschaft großes Ansehen, kann sich aber nur durch Tanz ausdrücken. Barbara Hancock tanzt ganz hervorragend, aber klassisches Ballett sieht bei einer jungen Frau, die nur in der Natur aufgewachsen sein soll, sehr seltsam aus.
Deutlich zufriedener bin ich da mit Petula Clark als Sharon. In Großbritannien war sie ein Kinderstar, spielte am Theater und in Filmen und hatte internationale Hits („Downtown“). Hier war sie zum ersten Mal in einer US-Produktion zu sehen. Sie bringt den nötigen Pfiff in die Rolle. Das ständige Vibrato in ihrer Stimme ist allerdings Geschmackssache.
Dass sich bei mir, als ich den Film sah, bei Senator Billboard Rawkins‘ Blackfacing ein ungutes Gefühl eingestellt hat, dafür kann sein Darsteller nichts. Keenan Wynne ist erst so unsympathisch und dann komödiantisch-verwirrt wie es die Rolle fordert. Objektiv betrachtet holt er alles aus dieser Rolle raus.
Richtig, richtig gut fand ich aber Fred Astaire. Sonst immer der elegante Hallodri, tauscht er diesmal Smoking gegen Schmuddeljacke und genießt es so offensichtlich, dass er nicht seinem alten Rollenbild entsprechen muss. Ein durchtriebenes Schlitzohr, aber irgendwie auch herzensgut. Und mit 69 Jahren tanzt er immer noch mehr als ordentlich.
Ich hatte Schwierigkeiten, „Finian’s Rainbow“ einzuordnen – auch als das, was er bei der Filmpremiere sein sollte. Für ein Familienmusical ist der Streifen zu erwachsen (Sharon und Woody sollen wegen Hexerei – wie es sich gehört – verbrannt werden) und mit 141 Minuten zu lang. Der krampfige Humor im Og-Handlungsstrang funktioniert für mich ebenso wenig wie die Romanze zwischen Sharon und Woody, weil die Chemie zwischen den Darstellern nicht stimmt.
„Finian’s Rainbow“ ist schon in der Zeitspanne von der Bühne ins Kino nicht gut gealtert, von der Filmversion bis heute ganz zu schweigen.
Aber Fred Astaire als Finian ist toll.
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