Swinging St. Pauli
Hamburg / 2002

Das Kiez-Musical von Martin Lingnau, Thomas Matschoss, Edith Jeske und Heiko Wohlgemuth.


Der Hamburger Kiez 1941: Die Swing Kids werden von der Realität des Nationalsozialismus eingeholt: Feiern müssen sie heimlich in Leo’s Bar, die Jungs bekommen Frontbefehle, die Jüdin Emma muss das Land verlassen, um den Nazis zu entkommen. Trotz allem feiern die Freunde ausgelassen. Freundschaft und Liebe sind die Themen, die die jungen Leute beschäftigen.Lebensfreude und Bedrängnis liegen in Swinging St. Pauli nah aneinander. So bietet die Live-Aufnahme gleichermaßen schmissige Songs, lustige Schlager und rührende Balladen.

„The Swing is on“ und „Night Jive“ erlauben es kaum, die Füße still am Boden zu lassen, während „Nur noch kurze Zeit“ die Bedrängnis der Jugendlichen verdeutlicht.

„Dr. Fusel“ ist eine fröhliche Swing-Nummer des Ensembles, in der die Jugendlichen die Wohltat eines Rausches, herbeigeführt durch ekelhaft schmeckenden Alkohol, preisen, denn „Dr. Fusel kann Einsamkeit ertränken“.

Und auch in den 40er Jahren haben die Männer ihre weiblichen Mitmenschen nicht verstehen können: In „Erklär mir die Frauen“ tauschen sich die Jungs über die Eigenarten der Frauen aus und lassen den Zuhörer schmunzeln. Jasmin Madwar rührt mit einer klaren Stimme als Emma, die in Max verliebt ist („Mein Lied für Dich“). Er ist für sie „so unerreichbar nah“, als sie die Stadt verlassen muss – „Kann man denn so gehen?“ fragt sie sich und wünscht sich sehnlich, ihn noch einmal zu sehen.

Tanja Roll begeistert mit „If you find a good man“ und „I’ve never written you a love song“ als Barsängerin Alberta Bitler.

Nach deren Tod bricht ihr Freund Fritz (grandios: Nik) zusammen („Leben ohne Dich“). Anfangs ist die Situation „nur“ ein Alptraum für Fritz, er fleht sie an: „Wie soll ich leben ohne Dich? Leben ohne Deine Liebe?“, doch er erkennt schnell, dass ihr Tod Realität ist. Geschickt: Sie rückt auch sprachlich in die Ferne: „Wie soll ich leben ohne sie? Leben ohne ihre Liebe?“, fragt Fritz am Ende des Liedes. Doch der Zuhörer wird genau wie der Zuschauer im Theater schnell aus seiner Betroffenheit gerissen, denn Oscar (gespielt vom mitreißenden Bernhard Hofmann), Inhaber von Leo’s Bar, erlaubt keine Trauer – die ungeheure Lebensfreude gewinnt im Finale nochmals Ausdruck: „Woanders geht es weiter, drum Freunde nehmt es heiter! Wer melancholisch wird, muss vor die Türe. Heut soll das Dach sich heben, heut soll’n die Wände beben, heut feiern wir das Leben und den Swing!“.     

Overlay