Ein mit viel Hingabe eingesungenes, ruhiges Album.
„No Frontiers“ nennt Musicaldarsteller Andreas Bieber sein neues Album, mit dem er die Studioeinspielung seines gleichnamigen Soloprogramms vorstellt, das er bereits im Februar 2007 live im Ebertbad Oberhausen präsentierte. Allerdings finden sich hieraus nicht sämtliche Songs auf der CD wieder. Angesichts der fehlenden finanziellen Absicherung durch ein großes Label ist es aber umso erfreulicher, dass sich Produzent Andreas Luketa, der bereits maßgeblich in die Konzeption des Bühnenprogramms involviert war, für eine Studioaufnahme und nicht etwa für eine schneller und günstiger zu produzierende Live-Aufnahme entschieden hat, da letztlich nur eine Studioproduktion als aussagekräftige Visitenkarte für einen Künstler taugt.
Diese Visitenkarte präsentiert sich nun wie das Soloprogramm reich an Vielfalt und vor allem sehr bunt. Andreas Bieber stellt ein virtuoses Songspektrum von Musical über Celtic-Pop bis zum Chanson vor und lässt sich damit einmal mehr in keine der üblichen Schubladen stecken. Zudem ignoriert er schlichtweg gültige Vermarktungsregeln, indem er auf diesem Album völlig unbekümmert gleich drei Sprachen verwendet, obwohl jene Gesetze des Marktes regelmäßig eine Kategorisierung von CD-Veröffentlichungen nach diesem Kriterium verlangen.Dies als Orientierungslosigkeit auszulegen, wäre genauso falsch wie die spekulative Unterstellung, dass hier noch jemand auf der Suche ist. Vielmehr vermittelt die CD mit ihren 14 Songs und der Gesamtlaufzeit von 53 Minuten trotz der ungewöhnlichen Vielfalt an verwendeten Musikstilen einen unerwartet harmonischen Gesamteindruck. Es ist seine warme Stimme, die je nach Bedarf mit einem kraftvollen, zerbrechlichen oder dynamischen Ausdruck alles zusammenhält und den Hörer stets zu berühren vermag. Hier experimentiert niemand, hier fühlt sich jemand pudelwohl.
Besonders deutlich ist dies dem Titel „Zug nach Paris“ anzuhören, mit dem Andreas Bieber die Welt des Chansons neu für sich entdeckt. Mit viel Hingabe und darstellerischer Lust verleiht er in diesem Song der Sehnsucht und der Macht des Augenblicks eine fast physische Präsenz. In Zeiten, in denen eine Annett Louisan massenweise Tonträger mit deutschsprachigen Chansons verkauft, stellt dieser eingeschlagene Weg durchaus eine überlegenswerte Option für zukünftige Projekte dar – nur für den Fall, dass hier doch noch jemand auf der Suche ist. In der Gegenwart zumindest Anspieltipp Nr. 1.
Genauso wohl fühlt sich Andreas Bieber nach wie vor im Bereich Musical, für dessen Liebhaber es auf diesem Album eine Fassung des „Mozart!“-Songs „Ich bin Musik“ zu entdecken gibt, die in dieser Form noch nicht auf der Bühne zu hören war. Diese geradlinig aufgebaute Variante des Songs funktioniert in der nun vorliegenden Studiofassung im Übrigen weitaus besser als bei ihrer Live-Präsentation auf der Bühne. Auch „Electricity“ aus „Billy Elliot“ macht in dieser eindringlichen Interpretation nochmals deutlich, warum der Künstler nach wie zu den beliebtesten Musicaldarstellern im deutschsprachigen Raum zählt. Etwas verloren gegenüber der Bühnenpräsentation hat leider die Celtic-Pop-Hymne „You Raise Me Up“, da es ihr nun aufgrund der abgespeckten Studio-Instrumentierung ein wenig an Opulenz und überdies an Dramatik fehlt. Dem geneigten Sammler wird’s egal sein, gibt doch Pia Douwes auch in dieser Studiovariante ihr Stelldichein.“No Frontiers“ ist ein eher ruhiges Album geworden, das zum Abschluss so richtig kuschelig wird: Andreas Bieber verabschiedet sich mit dem Filmsongklassiker „Moon River“, für den sich trotz zuvor so zahlreich angelegter Schubladen keine passende finden lassen will. Macht aber nichts, denn irgendwie – und zwar genau an dieser Stelle – passt er eben doch in dieses Album, das definitiv mehr von der Lust an seinen Songs als von der Berücksichtigung irgendwelcher Kategorien lebt.