Ein grandioses Ensemble und die eingängigen Gospel- und Rocksongs machen diese Aufnahme zum Hörgenuss.
Obwohl die Geschichte, die in „Bare“ erzählt wird wenig Neues bietet, und schon zur Genüge in Klischee-beladenen Coming-Out-Filmen behandelt wurde, ist es Hartmere und Intrabartolo gelungen, eine anrührende Story zu erzählen, die ohne übertriebenes Pathos berührt. Hartmeres Texte sind intelligent und treffend, teilweise voll Schmerz und Verzweiflung, an anderen Stellen sarkastisch und frech. Die Musik von Intrabartolo unterstreicht die jeweiligen Stimmungen sehr gut und bleibt oft im Ohr. Das durchkomponierte Musical ist hauptsächlich ruhig und sehr klavierlastig instrumentiert, wird aber immer wieder durch Gospel-Sounds und die ein oder andere rockigere Nummer musikalisch aufgelockert. Auch dass das Musical stellenweise Assoziationen mit „Rent“ hervorruft, ist in diesem Falle nicht von Nachteil.Dass die vorliegende Studio-Einspielung das gängige Vorurteil, dass solche Aufnahmen meist etwas kalt und emotionslos klingen, nicht erfüllt, liegt vor allem an der durchweg sehr guten Cast. Mit Jenna Leigh Green (Ivy) und Keili Lefkovitz (Nadia) stehen zwei rollenerprobte Sängerinnen hinter den Mikrofonen, die ihre Parts bereits in der Uraufführung auf der Bühne gesungen haben. Greens Sopran klingt stehts klar und gefühlvoll, doch fast zu zerbrechlich, um in Ivy die angebliche Schulschlampe zu sehen. Besonders hörenswert: „All grown up“. Keili Lefkovitzs klingt änfänglich sehr aggressiv und bitter. Bei ihrem Solo „A quiet night at home“ und in den Gesprächen mit ihrem Bruder Jason wird ihre Nadia allerdings sanfter, mitfühlend und verletztlich.
James Snyder und Matt Doyle haben ihre Rollen als Jason und Peter noch nicht gespielt, stehen aber ihren Kolleginnen an Emotionalität nichts nach. Doyles warme volle Stimme passt gut zu dem verträumten Naivling Peter, der meint, dass man alles schafft, nur weil man verliebt ist. Neben seinem Hauptsolo „Role of a lifetime“ hat er die meisten Duette zu bestreiten, von denen vor allem „Are you there“ mit Christopher Johnson (Matt) sehr hörenswert ist. Die Stimme von James Snyder klingt rauer und rockiger, spiegelt im Laufe des Stücks aber alle Gefühlsebenen Jasons wieder. Snyder überzeugt so sehr, dass man bei dem leider viel zu kurzen „Once upon a time“ und dem darauf folgenden „Cross“ seine Verzweiflung gerade zu nachfühlen kann.Neben den vier Hauptpersonen sind auch alle Nebenrollen sehr gut besetzt. Aus der Riege der Darsteller stechen hier zwei besonders hervor. Stephanie Andersen rockt als Sister Chantelle und bietet mit ihren Songs „911! Emergency!“ und „God don’t make no trash“ auch lustige Seiten des Dramas. Als Peters Mutter Claire singt Kaitlin Hopkins mit „Warning“ einen Song der sofort zu Herzen geht und im Gedächtnis bleibt. Auch wenn das Ensemble zusammen singt, wie in den Romeo und Julia – Stücken und dem Finale „No Voice“ ist Hörgenuss garantiert.
„Bare“ ist bestimmt kein Gute-Laune-Stück und zum nebenbei Hören auch nicht unbedingt geeignet. Nimmt man sich jedoch die Zeit, Musik und Texte aufmerksam anzuhören, wird man mit einem noch kaum bekannten Juwel belohnt.