Wicked - Die Hexen von Oz
Stuttgart / 2007

Solide deutschsprachige Aufnahme des Broadway-Erfolgsmusicals. Willemijn Verkaik und Lucy Scherer überzeugen, der Rest der Cast kann keine Glanzpunkte setzen. Dass die produzierende Stage Entertainment die Broadway-Orchesterplaybacks recycelt hat, ist ärgerlich, dürfte aber den meisten CD-Käufern egal sein.


Die Original-Broadway-CD ist mittlerweile vier Jahre alt und „Wicked“ hat seitdem einige musikalische Anpassungen erlebt. So wurde die erst zweite offizielle Aufnahme dieses erfolgreichen Musicals von Fans und Fachwelt gespannt erwartet. Umso enttäuschender ist es, dass gerade Änderungen an der Orchestrierung nicht zu hören sind – die SE hat, um Zeit und Geld zu sparen, schlicht die Orchesterplaybacks vom Broadway wiederverwendet. So bleibt kaum Platz für neue, musikalisch eigenständige Interpretationen (ob sie bei dem engen rechtlichen Korsett, in dass sich die SE von den amerikanischen Rechtinhabern pressen ließ, überhaupt möglich gewesen wären, ist eine andere Frage) und das Stuttgarter Orchester bekommt keine Gelegenheit, sein Können auch auf der Silberscheibe unter Beweis zu stellen. Weiteres Ärgernis: An einigen Stellen wie am Anfang von „Frei und schwerelos“ sind bei genauem Hinhören Schnitte zwischen Sprech- und Gesangspassagen zu hören. All das wird etwa 90 Prozent der Käufer und Hörer der CD weder auffallen noch stören, und die restlichen zehn Prozent müsen wohl oder übel damit leben. Trotzdem: schade, unerfreulich, skandalös!Auch das Ensemble hat mit diesem Problem zu kämpfen: Die Pausen und Instrumentalpassagen innerhalb der Songs sind fix und stimmen nicht unbedingt mit den Stuttgarter Live-Gegebenheiten überein. So klingen Songs wie „Nur ein Tag“ oder „Marsch der Hexenjäger“ nach bloßen Kopien der Broadway-Originale – ordentlich gesungen, aber ohne irgendeine Neuinterpretation des Materials. Weder Carlo Lauber als Zauberer von Oz noch Angelika Wedekind als Mme Akaber oder Michael Günther in der Rolle des Dr. Dilamonth können gesanglich Bäume ausreißen – auf der Bühne ist das entschuldbar, da alle drei eher vom Schauspiel kommen, auf einer professionell produzierten CD sind solche Qualitätseinbußen bedauerlich. Nicole Radeschnig (Nessarose) und Stefan Stara (Moq) fallen mit ihren wenige Sekunden langen Gesangseinlagen weder negativ noch positiv auf. Von Radeschnigs Stimme hätte man gern mehr gehört – leider ist Nessaroses emotionales Solo „Die böse Hexe des Ostens“ auch auf dieser CD unter den Tisch gefallen. Klar, denn es gibt ja kein Instrumentalplayback für den Song. Mark Seiberts angenehme, aber nicht überragende Stimme passt zur Rolle des Fiyero, im Duett „Solang ich dich hab“ harmoniert er prächtig mit Elphaba Willemijn Verkaik.Den beiden „Leading Ladies“ Elphaba und Glinda gehören mindestens zwei Drittel der Spielzeit von gut 70 Minuten, die Gesangsleistung der beiden Hauptdarstellerinnen ist damit wesentlich für den Gesamteindruck der CD. Lucy Scherer überzeugt: Mit sauberem Sopran singt sie die Spitzentöne in „Keiner weint um Hexen“ voll aus und punktet auch bei „Heißgeliebt“ oder der Reprise von „Ich bin es nicht“ mit sicherer Stimmführung. Das absolute Kaufargument für eine ansonsten eher mittelmäßige CD aber ist Willemijn Verkaik: Ihre grandiose Beltstimme kann mühelos mit allen englischsprachigen Elphaba-Darstellerinnen mithalten. Leider wurde Verkaiks Stimme bei „Der Zauberer und ich“ und „Frei und schwerelos“ nicht weit genug in den Vordergrund gemischt, trotzdem verursachen ihre intensiven Dynamiksteigerungen Gänsehaut. Neben der bei diesem Song besonders gelungenen Übersetzung von Michael Kunze ist „Gutes tun“ auch musikalisch einer der stärksten Tracks, und Verkaiks fantastische Interpretation mit eindringlichem Vibrato und wunderschönem Registerwechsel bei Minute 1:44 machen ihn zum Höhepunkt der CD.Sowohl die Mitwirkenden als auch die Fans und die ganz normalen Zuschauer, die eine Erinnerung an einen schönen Musicalabend mit nach Hause nehmen wollen, hätten eine professionelle Originalaufnahme der Stuttgarter Cast (inklusive Orchester!) verdient. So muss man mit dieser zwar ordentlichen, aber etwas lieblos zusammengeschusterten CD leben, die schnell noch zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt geworfen werden musste – allein wegen Willemijn Verkaik gehört sie trotzdem in jedes CD-Regal.

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